VIII. Kommunikationstheorie: Die Diagnose

Was immer den zeitgenössischen Theoretikern vom Schlage eines Levi-Strauss oder Habermas sich vorwerfen lässt – dies, dass sie dem modernen Phänomen einer reklamesprachlichen Verständigung, der neuen Erscheinung einer als Reklame firmierenden Sprache, nicht die gebührende Beachtung geschenkt hätten, jedenfalls nicht! Ihre Analyse und Rekonstruktion des Zusammenhangs "intersubjektiver Kommunikation" beginnen jene Theoretiker allesamt mit einer Diagnose und Kritik der Relation reklamesprachlicher Verständigung, die sie unter dem Pseudonym sei's einer "metonymischen", sei's einer "privatsprachlichen", sei's einer "klischeehaften" Beziehung wie selbstverständlich voraussetzen und im Sinne eines für Sprache überhaupt relevanten Verhältnisses, eines allgemeinsprachlichen Verhaltensmusters, thematisieren. Und letzteres fraglos völlig zu Recht! Zur systematischen.Begleiterscheinung und zum konstitutiven Bestandteil des kapitalistischen Markts avanciert die moderne Reklame ja in eben dem Maß, wie der Markt selbst die quantitativ ebenso erdrückende wie qualitativ lähmende Allgegenwart und Totalität eines die gesamte gesellschaftliche Sphäre übergreifenden und zentrierenden Supermarkts, eines alle gesellschaftlichen Bestimmungen durchdringenden und strukturierenden kolossalen Warenvertriebsnetzes gewinnt. Wie könnte da die als systematische Begleiterscheinung eben dieses Supermarkts und Warenvertriebsnetzes definierte Reklame verfehlen, in ihrem Umkreis, dem gesamtsprachlichen Kontext, exakt die omnipräsent durchgängige Geltung zu erringen, die in seinem Rahmen, dem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang, der Markt erlangt? Fraglos also sind unter den gegebenen Umständen die modernen Kommunikationstheoretiker nur zu sehr im Recht, wenn sie der zum Gegenstand ihrer kritisch-diagnostischen Bemühungen gemachten reklamesprachlichen Verständigung die Bedeutung eines verbindlich allgemeinen Sprachverhaltens und für Sprache überhaupt typischen Verhältnisses beimessen.

Und nicht weniger im Recht sind sie natürlich auch, wenn sie dieses allgemeinsprachliche Verhältnis als ein Missverhältnis, als defizienten Zustand, als eine generelle Misere der Sprache begreifen, wenn also ihre Beschäftigung mit ihm immer schon Kritik und Diagnose in dem pointierten Sinn einer Überprüfung von etwas Störung signalisierend Ungereimtem oder Untersuchung von etwas Krankheit anzeigend Symptomatischem zu sein beansprucht. Was sie allerdings der Reklame vorzuwerfen haben, unterscheidet sich ebenso markant wie ersichtlich von dem, wessen die Reklame im Fortgang der vorliegenden Untersuchung beschuldigt worden ist. Wie die nicht bloß sprachtheoretisch kritisch, sondern geradezu verständigungsmoralisch abwertend gemeinten Charakterisierungen dieser Sprache als "privatsprachlich", "metonymisch" oder "klischeehaft" allesamt erkennen lassen, ist für die modernen Kommunikationstheoretiker reklamesprachliche Verständigung eine nicht etwa auf Grund der trügerischen Absichten, die die Warenbesitzer mit ihr verbinden, sondern vielmehr bloß wegen der falschen Erwartungen, die die Konsumenten an sie knüpfen, verfehlte Verständigung, ist das, was diese Verständigung, ungeachtet ihres Anspruchs auf allgemeinsprachliche Relevanz, von der Bedeutung eines normalsprachlichen Verhaltens himmelweit entfernt sein lässt, nicht etwa, wie oben behauptet, die Form und Funktion, die in Verfolgung politisch-ökonomischer Absichten die Warenbesitzer ihr verleihen, sondern ausschließlich der Inhalt und Sinn, den im Dienste persönlich-privater Bedürfnisse die Konsumenten ihr geben. In der Tat bilden die Vorwürfe dort und die Anschuldigungen hier einen regelrecht diametralen Gegensatz, der sich wesentlich an der Frage des wahren Adressaten, der Identität des Beklagten, entscheidet. Als Beklagter hat sich in der vorliegenden Untersuchung der die Reklame inszenierende, die Konsumenten mit ihren Bedürfnissen und Interessen reklamierende Warenbesitzer erwiesen. Er ist es, der durch den marktmechanisch vernichtenden Verwertungszusammenhang, in den er das reklamatorische Sprechen stellt, den als Wertrealisierung ökonomisch-systematischen Kontext, in dem er vom Reklamieren Gebrauch macht, diesem die deformierte Gestalt und korrupte Verfassung verleiht, die es ebenso himmelweit entfernt von normalsprachlicher Verständigung wie zum planen Selbstverrat, zur Sünde wider den sprachlich eigenen Geist, verkommen zeigt. Ganz anders stellt sich das den genannten Kommunikationstheoretikern dar. Für sie sind es nicht die reklamierenden Warenbesitzer, die die qua Reklame manifeste moderne Sprachmisere zu verantworten haben. Für sie ist vielmehr das Opfer der wahre Mörder, sind die reklamierten Konsumenten die wirklichen Schuldigen. Nicht etwa die Warenbesitzer mit ihrem marktspezifischen Wertrealisierungsgesichtspunkt, sondern die Konsumenten mit ihren privativen Ansprüchen, ihren idiosynkratischen Reminiszenzen, ihren stereotypen Fixierungen, kurz, mit ihren obstinat besonderen Bedürfnissen und borniert partikularen Interessen sind es, die das reklamatorische Sprechen als normalsprachliche Verständigungsform disqualifizieren und in den Ruin treiben. Und nicht also die Verwertungsabsicht der Warenbesitzer ist es, was die auf menschliche Bedürfnisse und subjektive Interessen gerichtete reklamesprachliche Verständigung um ihren Kredit bringt und in den Konkurs einer aller normalsprachlichen Allgemeinheit, Objektivität und Verbindlichkeit ermangelnden Falschmünzerei treibt, sondern die von den Konsumenten erzwungene Themenwahl selbst, die im Rahmen der Reklame von den Konsumenten als das zentrale Anliegen geltend gemachte Bedürfnisbefriedigungsrücksicht als solche, mithin das Insistieren der Konsumenten auf jenem abseitig-exklusiven Aspekt der Waren, der Gebrauchsgegenständlichkeit heißt.

Die subjektive, logisch-formelle Bedingung für den von den Kommunikationstheoretikern vollzogenen radikalen Wechsel der Betrachtungsweise, demzufolge verantwortlich für die qua Reklame manifeste Misere der Sprache nicht der äußere Kontext der letzteren, ihre sie systematisch engagierende politisch-ökonomische Verwendung, sondern vielmehr ihr eigener Inhalt, ihre sie thematisch präokkupierende anthropologisch-praktische Fixierung ist – diese subjektive Bedingung liegt auf der Hand. Für die Kommunikationstheoretiker hat die als Wertrealisierung bestimmte Verwertungsprozedur der Warenbesitzer, in der die Reklame resultiert, die Bedeutung eines historischen Faktums, einer speziellen Rahmenbedingung, eines relativen Restriktivs verloren und den Charakter stattdessen eines systematischen Faktors, eines allgemeinen Strukturmerkmals, eines transzendentalen Konstitutivs angenommen, hat also die Verwertungsabsicht der Warenbesitzer aufgehört, historisch bestimmbar und empirisch kritisierbar zu sein, und ist vielmehr selber zum strukturellen Bestimmungsgrund und kriteriellen Transzendental geworden. Voraussetzung dafür ist die von den Warenbesitzern am Ende des Prozesses durchgesetzte Totalisierung der Wertrealisierung aus einer im gesellschaftlichen Reproduktionsverhältnis spezifisch auftretenden, historisch eingrenzbaren Negation zu einer das gesellschaftliche Reproduktionsverhältnis als solches begründenden, systematisch unüberschreitbaren Limitation. Nur auf Grund dieser Limitation kann das nach wie vor – und, der Totalisierung entsprechend, mehr denn je – bestehende Missverhältnis zwischen dem abschließenden ökonomischen und dem vorangehenden sprachlichen Austausch, zwischen der zu guter Letzt forensischen Realisierung von Sachwerten und der zuvor reklamatorischen Verständigung über Gebrauchsgegenstände, kurz, das ganz auf Kosten der Sprache, zu Lasten ihrer Verzauberung in Reklame gehende Missverhältnis zwischen Markt und Sprache jene kommunikationstheoretische Uminterpretation erfahren, in deren Konsequenz es nicht mehr darum zu tun ist, den ökonomischen Austausch der Waren als das die sprachliche Verständigung über sie Negierende und Desavouierende in Frage zu stellen, sondern nur noch darum, die sprachliche Verständigung ihrer von Haus aus störenden Inhalte und unmittelbar privativen Motive so weit zu entkleiden, sie so weit inhaltlich zu revidieren und motivational neuzugestalten, dass sie aufhört, den auf sie rekurrierenden und mit ihr operierenden ökonomischen Austausch weiterhin zu kompromittieren, will heißen, im trüben Lichte eines ihr echtes Anliegen Lügen strafenden Treuebruchs oder Verrat an ihrem wahren Gehalt begehenden Zynismus erscheinen zu lassen. Weil die kommunikationstheoretische Kritik sich nicht mehr auf den mittlerweile als ultimatives Transzendental des ganzen Prozesses anerkannten finalen Aggressor und Nihilisten selbst, die Wertrealisierungsabsicht, richten kann, wendet sie sich in der Manier einer klassischen Ersatzhandlung gegen dasjenige im Prozess, wodurch die Wertrealisierung als aggressives und nihilistisches Unternehmen sichtbar wird: die das Thema der reklamatorischen Verständigung bildende besondere Bedürfnisbefriedigungsrücksicht. Und in der Tat: Von einem Standpunkt aus, der eben jenes konstitutionstheoretische Umdenken, jene transzendentallogische Kehrtwendung, jenen epistemologischen Bruch zur Voraussetzung hat, dem also die Wertrealisierung und das in ihr wirksame politisch-ökonomische Kalkül nicht mehr als ein die gesellschaftliche Reproduktion okkupierender und belastender Fremdkörper, sondern als eine die gesellschaftliche Reproduktion determinierende und bestimmende Grundstruktur gilt, – von einem solchen Standpunkt aus scheint es durchaus nicht abwegig, für das allgemeine Missverhältnis in der gesellschaftlichen Verständigung, für die qua Reklame manifeste durchgängige Kommunikationsmisere, jene von den Konsumenten eigensinnig aufrechterhaltene Rücksicht auf die Befriedigung partikularer Bedürfnisse und privativer Interessen verantwortlich zu machen. Von einem solchen Standpunkt aus kann die von den Konsumenten geforderte Rücksicht auf ihre besondere Bedürfnisbefriedigung durchaus als dasjenige erscheinen, was in den durch die Wertrealisierungsabsicht der Warenbesitzer bestimmten allgemeinen Austauschzusammenhang die strukturelle Heteronomie und systematische Störung hineinträgt, auf die dann mit ihrem reklamatorischen Vorgehen die Warenbesitzer nur ebenso notgedrungen wie symptomatisch reagieren. Nur weil die Konsumenten ihre Mitwirkung im politisch-ökonomischen System, die Ausübung der ihnen bei der Wertrealisierung zugedachten Funktion, starrsinnig an die systemtranszendente Kondition einer den Werterscheinungen eigenen Gebrauchsgegenständlichkeit oder Beziehung auf ihre, der Konsumenten, partikularen Bedürfnisse und privativen Interessen knüpfen, müssen für den Fall, dass diese Kondition nicht oder bloß problematisch erfüllt scheint, die Warenbesitzer sich auf diesen von den Konsumenten geltend gemachten privativ-heteronomen Gesichtspunkt einlassen, um durch die reklamatorische Beschwörung einer in den Waren trotz allem vorhandenen Gebrauchsgegenständlichkeit die Konsumenten doch noch und immer wieder zur Mitwirkung im System zu bewegen. Damit aber verstricken die Warenbesitzer sich nolens volens in jenen prinzipiellen Konflikt zwischen heteronom-fremdem Gesichtspunkt und autogen-eigentlicher Intention, der, wie er zum einen ihren reklamatorischen Versuch, dem fremden Gesichtspunkt Genüge zu tun, das heißt, zu einer reklamesprachlichen Verständigung mit den Konsumenten zu gelangen, unübersehbar zeichnet und zum Charakter eines von aller sprachlichen Normalität himmelweit entfernten Wechselbalgs verurteilt, so zum anderen die schließliche Realisierung ihrer eigentlichen Intention ebenso unverkennbar brandmarkt und als eine den vorangegangenen monströsen Verständigungsversuch vollends ad absurdum führende Treulosigkeit kat'exochen anprangert.

So gesehen und von demselben kommunikationstheoretisch neuen Standpunkt aus betrachtet, muss es eine naheliegende Forderung scheinen, dass jene zur Reklame führende unheilvolle Kondition, mit der die Konsumenten das politisch-ökonomische System der Warenbesitzer heimsuchen, einer Überprüfung unterzogen und durch eine Motivation ersetzt werde, kraft deren, nach Maßgabe ihrer größeren Affinität zu beziehungsweise Vereinbarkeit mit dem System selbst, eine systemkonformere, die Repräsentanten des Systems weniger kompromittierende, weniger auf die Zinne des Tempels der Scheinheiligkeit und Falschmünzerei stellende Verständigung möglich ist. Wenn schuld an der qua Reklame manifesten Misere der Sprache die das kapitalistische System und seine Repräsentanten zur Scheinverständigung mit den Konsumenten nötigenden partikularen Bedürfnisse und privativen Interessen der letzteren sind, so ist der natürliche Weg zur Behebung jener reklamatorischen Sprachmisere und Verständigungskrise die Beseitigung eben dieser partikularen Bedürfnisse und privativen Interessen und ihre Ersetzung durch sachgemäßere, will heißen systemkonformere, Motive und Intentionen. Und eben dies Heilmittel haben denn offenbar auch die Kommunikationstheoretiker vor Augen, wenn sie in der dogmatisch-praktischen Konsequenz ihrer kritisch-theoretischen Sprachanalysen eine "umgangssprachliche", "regelgeleitete", "symbolische" Kommunikation anstelle der vorgefundenen "privatsprachlichen", "systematisch verzerrten", "metonymischen" Kommunikation zum Programm erheben. Mag allerdings nach seiner negativen, kritischen Seite dieses Programm noch so eindeutig in seiner Stoßrichtung bestimmt und erkennbar sein, worauf in positiver, dogmatischer Hinsicht seine Zielsetzung geht, bleibt höchst ungewiss. Dass mit ihrer Kritik an der "privatsprachlichen Kommunikation" die Kommunikationstheorie für die Beseitigung eben der Idiosynkrasien, Reminiszenzen und Fixierungen, eben der partikularen Bedürfnisse und privativen Interessen plädiert, die sie für den kritisierten privativ-verzerrt-metonymischen Charakter der qua Reklame herrschenden Verständigung verantwortlich macht, ist klar; umso unklarer aber ist, was für inhaltlich revidierte Bedürfnisse und sachlich neue Interessen sie im Rahmen ihres kommunikativen Gegenentwurfs stattdessen zur Geltung bringen will. Allzu formalisierend gefasst und allzu sehr bloß in Begriffen seiner Systemverträglichkeit formuliert, bietet sich jener Gegenentwurf einer umgangssprachlich-regelgeleitet-symbolischen Kommunikation dar, als dass über seine inhaltlichen Implikationen und sachlichen Konsequenzen etwas aus ihm sich erkennen ließe.

Unbekannt aber müssen diese inhaltlichen Implikationen und sachlichen Konsequenzen deshalb doch nicht bleiben! Was nämlich aus dem kommunikationstheoretischen Programm sich partout nicht erschließen lässt, lässt sich ohne große Mühe der reklamepraktischen Realität entnehmen. Entgegen dem Anschein, den ihr formalisierender Duktus erweckt, ist die Kommunikationstheorie weit entfernt davon, ein von aller empirischen Situation und reklamepraktischen Entwicklung unabhängiges, rein akademisches Unternehmen zu sein. Schaut man ein wenig genauer hin, lässt der kommunikationstheoretisch vollzogene radikale Perspektivenwechsel mitsamt den aus ihm sich ergebenden kritisch-therapeutischen und dogmatisch-programmatischen Konsequenzen beileibe nicht bloß die oben ausgeführte logisch-formelle Bedingung, sondern ebenso wohl und vor allem auch unschwer benennbare historisch-reelle Gründe erkennen. Von diesen historisch-reellen Gründen legt die Kommunikationstheorie selber mit ihrer Bestimmung der reklamesprachlichen Kommunikation als einer privatsprachlich-verzerrt-metonymischen und mit der darin implizierten Charakterisierung des Inhalts dieser Kommunikation als eines idiosynkratisch-neurotisch-reminiszierenden ebenso unwillkürlich wie indirekt Zeugnis ab. Was sie damit bezeugt, ist ein mittlerweile teils objektiv in der Fragmentierung und Spezialisierung der Gebrauchsgegenständlichkeit, teils subjektiv in der Partikularisierung und Privatisierung der Bedürfnisse erreichter Höhepunkt und Extremzustand, von dem zum Zeitpunkt der Einführung der Reklame in ihrer modernen Bedeutung als systematisch marktbegleitende Funktion die Warenbesitzer zweifellos sich noch nichts haben träumen lassen, den sie aber nichtsdestoweniger mit ihrer systematischen Neufassung und modernen Verwendung der Reklame im wesentlichen vorprogrammiert haben. Tatsächlich ist Spezialisierung der Gebrauchsgegenstände und Privatisierung der Bedürfnisse die quasi natürliche Tendenz der im modernen Sinn einer systematischen Begleiterscheinung des Markts betriebenen Reklame. Den Warenbesitzern, die lädierte oder paralysierte Bedürfnisse für simulierte oder fingierte Gebrauchsgegenstände zu erwecken oder gar zu erregen, kurz, zu reklamieren unternehmen, bleibt ja gar nichts anderes übrig, als jedes kleinste Lebenszeichen auf selten des Bedürfnisses, jeden noch so geringen Funken von Interesse auf der Seite der Konsumenten durch eine entsprechende Konzentration und Fixierung auf das dies Lebenszeichen zu provozieren oder diesen Funken zu schlagen fähige fragmentierte Gegenstandsmoment oder spezielle Gebrauchselement zu honorieren. Um ihrem auf die Reaffirmation von Gebrauchsgegenständlichkeit und die Reklamation von Bedürfnissen abgestellten Unternehmen den größtmöglichen Erfolg und die weitestmögliche Effektivität zu sichern, können sie gar nicht umhin, der Gebrauchsgegenständlichkeit bis in die äußersten Randzonen ihrer irgend noch einklagbaren Spezialeigenschaften nachzuspüren beziehungsweise dem Bedürfnis bis in die letzten Winkel seiner etwa noch ansprechbaren Sensationen Gefolgschaft zu leisten. Damit aber geraten sie nolens volens in den circulus vitiosus der wechselseitigen Eskalation von immer speziellere Aspekte zutage fördernden subjektiven Partialbedürfnissen und immer partiellere Bedürfnisse herausfordernden objektiven Sonderaspekten hinein. Aber der relative Erfolg und die verhältnismäßige Effektivität, die sie auf diesem Weg einer fortschreitenden Spezialisierung des Gebrauchs und Partikularisierung des Bedürfnisses ihrem reklamatorischen Tun zu sichern vermögen, haben zugleich ihren Preis: einen fortschreitenden Verlust nämlich an Allgemeinheit und Verbindlichkeit. In die apartesten Mysterien der Gebrauchsgegenständlichkeit sich vertiefend und in die geheimsten Schlupfwinkel des Bedürfnisses vordringend, mögen die Warenbesitzer zwar imstande sein, ihrem Gebrauchsgegenstände simulatorisch restaurierenden und Bedürfnisse reklamatorisch reanimierenden Tun eine unter den gegebenen Umständen hohe Erfolgsquote und achtbare Effektivitätsrate zu verschaffen; aber büßen müssen sie ihre Vorgehensweise unvermeidlich mit einer zunehmenden Einengung und Besonderung des jeweiligen Adressatenkreises, einer fortschreitenden Segregation und Selektion der jeweils reklamatorisch Angesprochenen, einem progredienten Separatismus und Privatismus der jeweils hergestellten reklamesprachlichen Verständigung, kurz, mit einer Zerstreuung und Auflösung der Konsumentenklasse in ebenso unverbindliche wie unverbundene Grüppchen, Vereine, Gemeinden, Sekten von Anhängern, Liebhabern, Fans.

Indem so die reklamesprachliche Verständigung in der natürlichen Konsequenz des von ihr applizierten Erfolgsrezepts sich gleichermaßen nach Bedürfnisaspekt und Gruppe der Bedürftigen, Interessenpunkt und Interessentenkreis, mehr und mehr spezialisiert und partikularisiert, kommt früher oder später unausweichlich der Punkt, an dem das reklamatorische Tun durch seinen Mangel an Allgemeinheit und sein Übermaß an sektiererischer Besonderung seine eigene Strategie ad absurdum führt und sinnlos wird: sinnlos aber nicht deshalb, weil überhaupt keine Bedürfnisse sich mehr reklamieren, schlechterdings keine Gebrauchsgegenstände sich mehr reaffirmieren ließen und weil also die für die reklamesprachliche Verständigungs- und Vertragssituation grundlegenden Bedingungen schlechthin entfallen wären, sondern vielmehr deshalb, weil das jeweils noch rekrutierbare Bedürfnis zu einer als partikulares Faible oder persönliche Schwäche nicht mehr die Mühe des Reklamierens verlohnenden quantité négligeable, der jeweils noch requirierbare Gebrauchsaspekt zu einem als idiosynkratische Spezialität oder neurotischer Fixpunkt nicht mehr die Arbeit des Reaffirmierens werten, objektiv irrelevanten Moment, kurz, die jeweils noch mögliche Verständigungs- und prospektive Vertragssituation als solche zu einer für die allgemeine Marktsphäre unerheblichen und folgenlosen Sonderabsprache, einer für die generellen Austauschprozesse nicht mehr ins Gewicht fallenden partiellen Übereinkunft, zusammengeschrumpft und verkommen sind. Auf dem von den Warenbesitzern mit der Reklame verfolgten Fetischisierungs- und Partikularisierungsweg muss früher oder später dieser Punkt kommen, an dem der Konsument mit seinen physischen und psychischen Bedürfnissen aufhört, ein ernst zu nehmender und ins Gewicht fallender Vertragspartner zu sein, nicht, weil eine Verständigung mit ihm überhaupt unmöglich wäre, sondern weil die Vereinbarungen, die sich mit ihm noch treffen, die Verträge, die sich mit ihm noch schließen lassen, aufgehört haben, die Sache eines so zu nennenden öffentlichen Interesses, Kodifizierung und Äußerung eines seiner Quantität nach verwertbaren Konsenses zu sein, und vielmehr zur unerheblich reinen Privatangelegenheit, zum Ausdruck einer höchstens und nur der vereinsmeierischen oder sektiererischen Verallgemeinerung fähigen persönlichen Übereinkunft heruntergekommen sind.

Dass dieser Punkt aber nicht der näheren oder ferneren Zukunft angehört, sondern mittlerweile bereits eingetreten ist, eben das bezeugt offenbar der Begriff von der reklamesprachlichen Kommunikation als einer ebenso selbstverständlich wie wesentlich "privatsprachlichen", idiosynkratisch "verzerrten", "metonymischen" Kommunikation. Indem die moderne Kommunikationstheorie die von ihr aufs Korn genommene reklamesprachliche Verständigung ganz selbstverständlich als koextensiv und gleichbedeutend mit dem Phänomen einer keiner wirklichen Verallgemeinerung zugänglichen und aller ernsthaften Konsensfähigkeit baren privativ-sektiererischen oder idiosynkratisch-neurotischen Kommunikation behandelt, legt sie nolens volens Zeugnis vom desolaten Zustand ab, in dem dank eigenem Verschulden die reklamesprachliche Verständigung sich mittlerweile befindet. Demnach ist bereits das Faktum des kommunikationstheoretischen Ansatzes als solches, die einfache Tatsache der kritischen Analyse oder Krankheitsdiagnose, der die reklamesprachliche Verständigung unterworfen wird, kurz, das Quid est der kommunikationstheoretisch geübten Kritik, selbst alles andere als eine Sache akademisch moralischer Willensfreiheit oder reflexiv spontaner Entschlusskraft und vielmehr nichts sonst als eine unwillkürlich zwangsläufige Reaktion oder ein klappmechanisch bedingter Reflex auf jenen Zerfallsgrad, der die reklamesprachliche Verständigung mittlerweile charakterisiert. Und genauso wenig wie die diagnostische Tätigkeit der Kommunikationstheorie, die Kritik, die sie zu üben unternimmt, ist dann natürlich auch ihr therapeutisches Bemühen, die Abhilfe, die sie zu schaffen strebt, Ausdruck eines unabhängigen szientifischen Urteils und freien moralischen Erkennens. Anstoß an der reklamesprachlichen Verständigung nimmt sie also nicht schon deshalb, weil die letztere in der Tat etwas überaus Anstoßerregendes ist, sondern allererst deshalb, weil dies Anstößige dank hausgemachtem Sektierertum und selbstverschuldetem Privatisieren versäumt und aufhört, die ihm zugedachte Funktion zu erfüllen. Und auf Abhilfe sinnt sie nicht einfach deshalb, weil eine Revision und Neubestimmung der kritisierten reklamesprachlichen Kommunikation moralisch wünschenswert, essentiell richtig und ein Gebot der Vernunft scheint, sondern vielmehr deshalb, weil diese Revision und Neuregulierung praktisch notwendig, existentiell wichtig und das Gebot der Stunde ist, nicht also deshalb, weil in ihrer bisherigen allgemeinen Form und Bestimmung die reklamesprachliche Kommunikation moralisch unvertretbar und, gemessen an den Kriterien normalsprachlicher Verständigung, ein klarer Fall von Falschmünzerei und Verrat ist, sondern deshalb, weil sie in ihrer nunmehrigen speziellen Beschaffenheit und Verfassung praktisch unhaltbar und, bezogen auf die ihr aufgetragenen Funktionen und abgeforderten Leistungen, ein krasses Beispiel für Fehlleistung und Versagen ist.

Aber so gesehen, kann das Sinnen auf Abhilfe gar nicht primär die Sache von Kommunikationstheoretikern sein. Als Gegenmittel gegen den systemspezifischen Kollaps des Bedürfnisses und Konkurs des Gebrauchsgegenstands konzipiert, soll in Gestalt einer systematischen Begleiterscheinung des Markts die reklamesprachliche Verständigung die bedrohte Wertrealisierung nach Kräften stützen und nach Möglichkeit sicherstellen. Indem sie nun, der Logik oder vielmehr Dialektik ihres eigenen Erfolgsrezepts und Wirkmechanismus gemäß, sich eigenhändig ins Abseits eines aller ernsthaften Verallgemeinerungsfähigkeit baren Liebhaberkults und allen wirklichen Öffentlichkeitsanspruchs beraubten Privatisierens hineinmanövriert, geht sie ihrer auf diese Stützungsfunktion und Garantieleistung in Sachen Wertrealisierung gemünzten Funktionstüchtigkeit und Leistungskraft verlustig und bringt damit das um die Wertrealisierung zentrierte kapitalistische Marktsystem erneut und verschärft vor den Fall eben der krisenhaften Verhaltung und katastrophischen Stockung, die sie gerade verhindern oder beseitigen sollte. Führt demnach aber die reklamesprachliche Verständigung durch ihren selbstverschuldet desolaten Zustand zu einer akuten Gefährdung des ganzen Marktsystems und droht sie letzteres, statt zu seiner Stützung und Befestigung beizutragen, vielmehr vollends zu ruinieren und zugrunde gehen zu lassen, so wird die Behebung ihres desolaten Zustands, das heißt, eine nach Inhalt und Form marktbezogene und systemkonforme Revision und Neubestimmung der reklamesprachlichen Verständigung, in der Tat zu einer Überlebensfrage, einem ganz und gar existentiellen Erfordernis für das Marktsystem selbst. Und weil dies so ist, ist die Suche nach einer Lösung die Sache nicht sowohl der die Reklame thematisierenden Theoretiker der Kommunikation, als vielmehr der sie praktizierenden Repräsentanten des Markts, eine Aufgabe nicht primär für die kommunikationstheoretische Reflexion, sondern für die reklametechnische Resolution der Warenbesitzer selbst. Sowenig die Warenbesitzer mit ihrer Herbeiführung der Krise auf die Kommunikationstheorie gewartet haben und sosehr vielmehr die letztere sich von vornherein auf die Rolle eines bloßen krisenbedingten Bewusstseinsreflexes beschränkt findet, sowenig warten die Warenbesitzer jetzt auch mit ihren Versuchen zu einer Lösung der Krise auf die Kommunikationstheorie, und wiederum findet sich die letztere mit der Funktion einer die vorgängige Praxis reflektorisch abbildenden Aftertheorie abgespeist

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