8. Imperium

Der entscheidende Aktivposten der Optimaten ist das ständisch organisierte, ausgehobene Heer. Dessen zunehmendes funktionelles Ungenügen macht aus Anlass des aktuellen Notstands eines Einfalls germanischer Stämme ins Reich eine Heeresreform erforderlich. Diese lässt quasi über Nacht aus der mittels Aushebungen der Magistrate aufgestellten zivilen Streitmacht ein durch Anwerbungen des Feldherrn organisiertes Massenheer werden. Die neue Position und Funktion, die der konsularische Feldherr als Organisator und Führer des Massenheeres einnimmt, verbindet ihn nicht nur aufs engste mit seinen Söldnertruppen, sondern macht ihn nun auch zu einem Sachwalter und Fürsprecher der als Rekrutierungsbasis für diese Truppen dienenden Plebs.

Ausgerechnet dieses Faustpfand der Macht der Nobilität indes stellt sich nun als der Schlüssel zu einer plebejischen Machtergreifung heraus, ausgerechnet dieses als die entscheidende Stärke der Nobilität sich suggerierende Gewaltmonopol des kraft konsularischen oder prätorischen Amtes ausgeübten militärischen imperiums entpuppt sich als die Schwachstelle des von der Nobilität kontrollierten Staatsapparats, als die Bresche, durch die der Volkswille Einlass in das von der Nobilität okkupierte Zentrum staatlicher Macht findet und Einfluss auf den von der Nobilität gesteuerten politischen Willensbildungsprozess gewinnt. So gewiss das entscheidende Gewaltinstrument zur Herrschaft über das Gemeinwesen, nämlich das Heer, sich in seiner weit überwiegenden Majorität aus Angehörigen der unteren und mittleren Volksschichten rekrutiert, vom Volk gestellt und getragen wird, so gewiss erweist es sich als die fünfte Kolonne des plebiszitär-tribunizischen Kampfes um eine Neuetablierung der Staatsfunktion, als der Rammbock oder, besser, interne Sprengsatz, mittels dessen das Gefüge des traditionellen, republikanischen Staates in Trümmer gelegt und für das römische Kaiserreich Platz geschaffen wird. Nicht, dass dieser Prozess einer Machtergreifung durch das vom Volk gestellte Heer, einer Eroberung von Staatsgewalt durch deren militärisches Werkzeug so natürlich und selbstverständlich, so logisch und konsequent vor sich geht, wie der Hinweis auf die personale Identität oder jedenfalls soziale Gleichartigkeit des beherrschten Volkes mit dem wichtigsten Instrument der Herrschaft, des Objekts staatlicher Gewaltübung mit deren Hauptvehikel suggerieren möchte. Träfe die Suggestion zu, genügte die schlichte Tatsache, dass militärische Macht in staatlich organisierten Gesellschaften durch den Einsatz derer ausgeübt wird, über die sie ausgeübt wird, um zu erklären, warum sich das willfährig funktionierende Instrument zum in eigener Sache handelnden Subjekt, das Vehikel zum Selbstfahrer mausern kann, so wäre das Militär, statt im Normalfall das verlässlichste Instrument zur Aufrechterhaltung sozialer Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse zu sein, auf jeden Fall und unter allen Umständen eine die Gesellschaftsordnung ständiger Revision unterwerfende revolutionäre Kraft und das sozialgeschichtliche Uhrwerk in Trab haltende Unruhe.

Tatsächlich aber sind auch die traditionellen Heere, die unter konsularischem oder prätorischem imperium die Römische Republik zu den Fahnen ruft, denkbar weit entfernt davon, ein solches, durch ihre organische Zusammensetzung quasi von selbst sich herstellendes revolutionäres Potential zu sein. Auf kommunaler Ebene ausgehoben und nach Maßgabe ihrer Vermögensverhältnisse hierarchisch in den Heeresverband eingegliedert, organisieren sich die Waffentragenden nicht sowohl trotz, als vielmehr entsprechend dem zahlenmäßigen Übergewicht der Vertreter aus den unteren und mittleren Schichten zu einem getreulichen Spiegelbild der Gesellschaft, das keineswegs dazu tendiert, einen von der Majorität der niederen Ränge geprägten und getragenen Eigenwillen hervorzukehren und der konsularisch-prätorischen Führung aufzudrängen, sondern das im Gegenteil den von der konsularisch-prätorischen Führung repräsentierten Willen des Gemeinwesens reflektiert und in ihrem Tun und Treiben verkörpert, sprich, die von der Nobilität und den Staatsorganen, die sie stellt, nach innen verfolgte appropriative Politk und nach außen betriebene expansive Strategie trägt und exekutiert. So gewiss sich das römische Heer in seiner organischen Zusammensetzung und hierarchischen Gliederung an dem Vorbild der Gesellschaft orientiert, aus dem es sich rekrutiert, so gewiss vertritt es auch voll und ganz den politisch-ökonomischen Grundkonsens und die militärisch-strategische Ausrichtung dieser Gesellschaft. Bis hinunter zu den niedersten Rängen, quasi bis zum letzten Mann, unterstützt und verficht es eine Entwicklung, die der aus landbesitzenden Patriziern und geldbesitzenden Handeltreibenden zusammengesetzten Oberschicht, der Nobilität, Bereicherung durch militärische Expansion, daran anschließende tributäre Akquisition und darauf aufbauende kommerzielle Akkumulation ermöglicht, während sie gleichzeitig die von der aktiven Teilhabe an diesem Bereicherungsprozess ausgeschlossenen und durch seine Konsequenzen eher geschädigten als begünstigten mittleren und unteren Schichten mittels direkter oder indirekter Entschädigungen und Kompensationen bei der Stange zu halten vermag – wobei eben das Heer selbst mit den Beuteaussichten, die seine Kriegszüge und Eroberungen auch den dienenden Truppenteilen eröffnen, eine der wichtigsten Kompensationseinrichtungen darstellt. Als repräsentativer Querschnitt durch die Gesellschaft ist mit anderen Worten das nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse und der sozialen Schichtung ausgehobene Heer zuverlässiges Faktotum des Gemeinwesens und einsinniger Vollstrecker des aus patrizisch-senatorischer Initiative und plebejisch-tribunizischem Korrektiv kombinierten expansiv-kolonialen Vorhabens der Republik.

Dies vermögensrepräsentative Korrespondenz- und sozialformative Abbildungsverhältnis zwischen der republikanischen Gesellschaft und ihrem sie zum Höhenflug einer Entfaltung imperialer Herrschaft tragenden militärischen Flügel, dem Heer, gerät nun allerdings dank der geschilderten Eigendynamik des von allen Schichten getragenen expansiv-kolonialen Vorhabens des Staates zunehmend ins Wanken. Indem der ungeheure Bereicherungsprozess, den die auf Gewaltbasis Austausch praktizierende, auf der Grundlage exaktiver Appropriation kommerzielle Akkumulation treibende Oberschicht mittels kolonialistischer Ausbeutung und Sklavenarbeit in Gang setzt, die beschriebene negative Folge hat, immer größere Teile der mittleren und unteren Schichten um ihre ökonomische Subsistenz und ihre soziale Integration zu bringen und zur Plebs in neuer Bedeutung, zur entwurzelten und deklassierten Masse zu homogenisieren und zu nivellieren, und indem diese Plebs, wie aus der nach Stand und Vermögen geordneten Gesellschaft in genere, so aus dem untrennbar mit dem Zensus verknüpften traditionellen militärischen Aushebungssystem in specie herausfällt, korrespondiert dem zunehmend in die Masse der Besitzlosen, die nichts mehr als ihr abstraktes Bürgerrecht an die zivile Gesellschaft bindet, und in die civitas selbst zerfallenden Gemeinwesen ein Heer, das zu letzterem und seinem zutiefst gespaltenen Willen immer weniger in ernsthafter Korrespondenz steht und sich immer mehr zu einem im Hinblick auf die besitzlose Masse aller Repräsentativität baren Privatunternehmen und Herrschaftsinstrument der civitas, der von der Nobilität geführten Besitzenden, mausert.

Das heißt, im Widerspruch zur obigen Suggestion eines der Plebs und ihrer sozialreformerischen Führung, den Popularen, mit dem Heer sich eröffnenden Einstiegs in das von der Partei der Nobilität, den Optimaten, okkupierte Zentrum politischer Macht und staatlicher Exekutivgewalt entwickelt sich das Heer vielmehr dem Anschein nach zu einem festen Bollwerk und Hauptabwehrmittel gegen alle plebejisch-popularen Bemühungen, dem aktuellen Mangel an militärisch-politischer Durchsetzungskraft abzuhelfen, der im Verein mit der dispositionellen Unfähigkeit der Plebs, politische Linientreue zu beweisen, jedes sozialreformerische Programm zum Scheitern verurteilt. Weit entfernt davon, dass die auf Basis eines existenzialisierten Bürgerrechts ihre materialen und sozialen Ansprüche anmeldende und auf plebiszitär-tribunizischem Wege zu artikulieren und durchzusetzen bemühte Plebs im Heer einen Parteigänger und Bundesgenossen fände und quasi mit ihm, wie oben angedeutet, einen Fuß in der Tür der ansonsten optimal geschlossenen Gesellschaft des Staats- und traditionellen Machtapparates hätte, erweist sich also das Heer im Gegenteil als ein im Sinne der Erhaltung des Status quo wirksamer Stabilitätsfaktor par excellence, sprich, als ein Garant der von popularen Vorstößen höchstens unterbrochenen Optimatenherrschaft, weil die am Zensus orientierte Aushebung der Truppen, ihre qua Rekrutierung praktizierte Selektion, dafür sorgt, dass die Angehörigen der neuen Plebs aus den Reihen des Heeres ebenso zuverlässig herausfallen wie aus denen der zivilen Gesellschaft selbst und weil so das Heer in dem Maße, wie es seine Repräsentativität im Blick auf das Gemeinwesen als ganzes einbüßt, zu einem willfährigen Werkzeug der von Pauperisierung und Deklassierung verschont gebliebenen und an die Optimatenherrschaft als an die conditio sine qua non ihres eigenen relativen Wohlergehens sich klammernden zivilen Gesellschaft wird.

So eindeutig indes das Heer erst einmal auf die Seite der Optimaten und des von ihnen mit Zähnen und Klauen verteidigten Status quo einer Herrschaft der patrizisch-senatorisch verfassten Nobilität zu stehen kommt und so sehr es auf diese Weise zu einem für die lange Unentschiedenheit des spätrepublikanischen Parteienstreits oder, besser gesagt, für das Scheitern der Versuche der Popularen, sich als die neue politische Macht durchzusetzen, mitentscheidenden Faktor wird – in dieser seiner neuen Funktion eines Schutzcorps, das die Republik in ihrer zum Selbstbedienungsladen der Nobilität verkommensten Form stabilisiert oder geradezu trägt, das die zivile Gesellschaft gegen die von ihr als Habenichtse ebenso ausgeschlossenen wie produzierten plebejischen Mitbürger verteidigt und aufrecht erhält, zeigt es sich bald schon unhaltbar und dazu verurteilt, Episode zu bleiben. In der Tat nämlich manövriert sich der von den Optimaten hochgehaltene patrizisch-senatorische Staat mit seinem eigennützigen Festhalten am traditionellen konsularisch-prätorischen Heerbann und der für ihn konstitutiven alten Rekrutierungspraxis militärpolitisch ebenso schnell wie hoffnungslos in die Sackgasse. Die taktisch-funktionelle Sicherheit und Stabilität, die ihm die Reduktion des Heeres auf ein durch die Plebs unbeflecktes Spiegelbild der sich gegen die Plebs und ihre Ansprüche nach Möglichkeit immun behauptenden zivilen Gesellschaft innenpolitisch beschert, büßt er nämlich mit der Schwächung und Gefährdung, die eben diese reduktive Entwicklung für das Verhältnis nach außen, sprich, für die imperiale Herrschaft als solche, mit sich bringt. So gewiss die römische Militärmacht durch die Aufrechterhaltung der kommunalen, zensusbezogenen Aushebungspraxis qualitativ sich selbst gleich und ein zuverlässiger Parteigänger der vom Zerfall des Gemeinwesens nichts wissen wollenden, gegen die plebejische Not und Verwahrlosung taub sich stellenden zivilen Gesellschaft, der um die Nobilität gescharten besitzenden Bürgerschaft, bleibt, so gewiss findet sich diese Militärmacht aber auch durch jene traditionelle Aushebungspraxis und den Verlust an potentiellen Rekruten, den die Pauperisierung und Verelendung immer größerer Teile der Bürgerschaft mit sich bringen, einem, zumindest relativ zur imperialen Expansion und zum Umfang der militärischen Anforderungen, quantitativen Schrumpfungsprozess ausgesetzt, der zu einer zunehmenden Bedrohung für den Bestand und die Sicherheit des Reiches wird.

Das funktionelle Ungenügen und die defizitäre Verfassung, in die der Staat unter der Herrschaft der Optimaten seine Militärmacht hineintreibt, werden dadurch noch größer, dass der zensusbezogenen Rekrutierung der Streitkräfte eine Heeresorganisation entspricht, die sich in ihrer hierarchischen Gliederung am gesellschaftlichen Stand und privaten Vermögen der Rekrutierten, statt an ihren natürlichen Fähigkeiten und persönlichen Fertigkeiten orientiert und dass mithin ein Großteil der Kampfkraft und professionellen Tüchtigkeit, die in dem rekrutierten Menschenmaterial steckt, nicht mobilisiert werden kann und ungenutzt bleibt. Mag unter traditionellen Umständen und bei den geographisch und strategisch noch vergleichsweise begrenzten Aufgaben, die das Heer dort erfüllen muss, eine solche Verschwendung von Potential verkraftbar sein, unter den neuen Bedingungen der durch die schiere Größe des Herrschaftsgebiets und durch die Vielfalt der Fronten, die sich in ihm auftun, rapide wachsenden Anforderungen kann sich die Militärmacht ein derart unökonomisches Umspringen mit ihren Kräften und ihren Talenten nicht mehr leisten.

Wie prekär die Lage des spätrepublikanischen Imperiums ist, lässt schlagartig der Krieg gegen zwei auf der Suche nach Land ins Reichsgebiet eingebrochene germanische Stammesgruppen aus dem Norden deutlich werden. Um sich der ziellos und brandschatzend in den Regionen zwischen Schwarzem Meer und Spanien umherziehenden Kimbern und Teutonen erwehren und sie beim Einbruch nach Italien zurückschlagen zu können, muss der durch seine Okkupation an anderen Fronten überforderte römische Staat Maßnahmen ergreifen beziehungsweise als von der konsularischen Exekutive ergriffene zulassen, die im Effekt auf eine grundlegende Heeresreform hinauslaufen. Um das Heer zu vergrößern und seine Reihen zu füllen, rekurriert die Exekutive auf die Massen brot- und bindungsloser städtischer Plebejer, die durch das traditionelle, mittels zensusbezogen-kommunaler Aushebung praktizierte Rekrutierungsverfahren nicht mehr erfasst wurden. An die Stelle der auf kommunaler Ebene vorgenommenen Aushebungen treten von der konsularischen Exekutive selbst durchgeführte Anwerbungen; die von den gemeindlichen Behörden für den Kriegsdienst gezahlten Tagegelder werden durch Soldzahlungen ersetzt, die direkt aus der Staatskasse kommen, sofern sie nicht gar der konsularische oder prätorische Heerführer um seiner militärisch-politischen Karriere willen beziehungsweise in der Hoffnung auf Kriegsbeute aus der eigenen Tasche bestreitet oder jedenfalls vorschießt. Und wie sich das Rekrutierungsverfahren ändert, so ändert sich nun auch die Organisation des Heeres. Auf den durch Anwerbepraxis und Soldzahlungen initiierten massierten Zuzug ebenso mittel- wie bindungsloser Rekruten reagiert die Militärführung mit der Abschaffung der durch Besitzstand, gesellschaftlichen Rang und biographische Umstände bedingten Abstufungen in der Stellung der Soldaten und der sich aus diesen sachfremden oder funktionsäußerlichen Gründen ergebenden organisatorischen Struktur des Heerescorpus, mit der Schaffung größerer, homogener Einheiten und mit einem strukturellen Neuaufbau, der sich mit seinen Abstufungen und Rängen ausschließlich an funktionsinternen, sachspezifischen Kriterien, an den militärischen Fähigkeiten und Leistungen der einzelnen orientiert.

Quasi über Nacht, und nicht zwar konditionell verursacht, wohl aber aktuell ausgelöst durch einen militärischen Notstand der Republik, ändert somit in seiner wichtigsten Waffengattung und zentralen Truppenformation, der Infanterie, das römische Heer gleichermaßen seine organische Zusammensetzung und sein funktionelles Zusammenspiel und verwandelt sich dank der für die Rettung der Republik und die Erhaltung ihres Imperiums plötzlich unentbehrlich werdenden plebejischen Heerscharen aus einer nach Maßgabe der bürgerlichen Ordnung aufgestellten Bürgerwehr in ein eigengesetzlich organisiertes Massenheer, aus einem die zivile Gesellschaft ebenso sehr funktionell repräsentierenden wie spiegelbildlich reproduzierenden Corpus in einen von der zivilen Gesellschaft ebenso sehr instrumentell abgelösten wie sie reell am Leben haltenden Apparat. Und quasi über Nacht erübrigt sich so aber auch für die Plebs, zu vollbringen, was ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit schien: eine Bresche in die Bastion des bis dahin von der Nobilität gehaltenen und mit Zähnen und Klauen verteidigten staatlichen Machtzentrums zu schlagen, einen Fuß in die Tür der bis dahin von der Nobilität gegen alle plebejisch-tribunizischen Motionen verriegelten und verrammelten patrizisch-senatorischen Exekutive zu setzen. Es erübrigt sich für sie aus dem einen und einfachen Grunde, weil die Tür sich von selber auftut, besser gesagt, von Hand derer, die über die Exekutivgewalt verfügen, weit aufgestoßen wird, weil mit anderen Worten die konsularisch-prätorischen Herren der Staatsaktion der Plebs aus eigenem Antrieb, wenn auch nicht aus freien Stücken, den Zugang zu ihr eröffnen, die Plebs zum Eintritt in den Staatsdienst und zur Teilhabe an der exekutiven Gewaltübung einladen.

Keine Frage, dass diese Wendung, die unter dem Eindruck der als Symptom eines strukturellen Dilemmas zwischen dem Bedürfnis nach innerer Sicherheit und dem Erfordernis äußerer Stärke wohlverstandenen aktuellen militärischen Bedrohung der Republik die konsularisch-prätorische Exekutive mittels Heeresreform vollzieht, einer diametralen Verhaltensänderung des traditionellen Staatsapparats und fundamentalen Neuorientierung der gewohnten Staatsräson gleichkommt. Ist bis dahin die konsularisch-prätorische Exekutive bemüht, die außenpolitische Funktion einer Erweiterung und Sicherung des Reiches mehr schlecht als recht mit der innenpolitischen Aufgabe zu verknüpfen, die Armen, die der Expansion des Reiches wie von Zauberhand entspringen, in Schach zu halten und daran zu hindern, dass sie ihren Ansprüchen auf Partizipation an den Segnungen des Reiches durch die plebiszitär-tribunizische Etablierung einer alternativen Staatsgewalt Geltung verschaffen, so entledigt sich nun die Exekutive dieser doppelten Frontstellung einer nicht nur äußeren, sondern mehr noch inneren Herausforderung quasi im Geniestreich und löst nämlich die innenpolitische Aufgabe einer Abwehr der plebejischen Forderungen und das außenpolitische Problem einer Aufrechterhaltung der militärischen Funktionsfähigkeit dadurch, dass sie fast ebenso zauberisch, wie die plebejischen Armen als konfliktträchtig-negatives Potential der Expansion entspringen, sie als konfliktbewältigend-positive Potenz in das Expansionsgeschäft einbindet und also Frieden an der einen Front auf die Weise erwirkt, dass sie den dort formierten Gegner in den Hauptfaktor und Garanten des an der anderen Front zu erringenden Sieges umfunktioniert.

Und keine Frage aber auch, dass diese diametrale Verhaltensänderung und fundamentale Neuorientierung der Exekutive gegenüber der Plebs einen entsprechend radikalen Wandel ihres intentionalen Verhältnisses zu letzterer, ihrer Bewertung der plebejischen Situation und ihrer Haltung gegenüber den auf Grund der Situation erhobenen Forderungen als zwangsläufige Konsequenz einschließt. Schließlich verkehrt sich die Plebs durch diese ihre militärische Funktionalisierung und strategische Nutzbarmachung aus einer bislang den Staat der Nobilität in Frage stellenden hypothekarischen Belastung und kritischen Masse in ein diesen Staat wesentlich erhaltendes Element, eine ihn stützende und stabilisierende Kraft. Wie sollte da die Exekutive, die die Plebs in dieser neuen Funktion einer staatserhaltenden Substanz rekrutiert und realisiert, umhin können, den plebejischen Forderungen nach Teilhabe an den Segnungen, die der Staat der Nobilität bereithält, den Früchten, die seine imperiale Politik abwirft, Gehör zu schenken und stattzugeben, oder wie sollte sie der Plebs das auf Grund eines existenzialisierten Bürgerstatus von ihr eingeklagte Recht verweigern, durch das republikanische Gemeinwesen, dem sie militärisch beispringt und zu dessen Fortbestand und Gedeihen sie entscheidend beiträgt, aus ihrer ökonomischen Not und ihrem sozialen Elend befreit und ebenso sehr alimentiert wie integriert, ebenso sehr mit dem Lebensnotwendigen versorgt wie in ihrem Grundbedürfnis nach Geselligkeit und Unterhaltung befriedigt zu werden.

Und zwar nicht nur aus amtlicher Perspektive oder aus Gründen der Staatsräson sieht sich die konsularisch-prätorische Exekutive gehalten, ihr Verhältnis zur Plebs neu zu gestalten und ihre Einstellung gegenüber den plebejischen Forderungen radikal zu revidieren, auch und mehr noch aus persönlichem Kalkül und im Interesse der eigenen Karriere hat sie allen Anlass, sich der plebejischen Forderungen nachdrücklich anzunehmen, wo nicht gar Hals über Kopf zur Plebs überzulaufen. Tatsächlich verändert der neue militärische Apparat, den dank Heeresreform die Plebs der Exekutive an die Hand gibt und verfügbar werden lässt, ja nicht nur die Zusammensetzung und Funktionsweise der Streitkräfte selbst, sondern ebenso sehr auch die Stellung und Rolle ihrer konsularisch-prätorischen Führung. Solange das Heer als eine durch kommunale Aushebung rekrutierte Bürgerwehr zustande kommt, bleibt der konsularische oder prätorische Feldherr, unbeschadet all der imperialen Vollmacht, die er während des Kriegszuges ausübt, ein Angestellter und Prokurist des Staates, der die ihm von der Republik, das heißt, vom Senat im Zusammenwirken mit den Komitien, zu treuen Händen übergebene Streitmacht ins Feld führt, um mit diesem ihm anvertrauten Pfund zum Wohle seines Auftraggebers zu wuchern. Jetzt hingegen, da er die Streitmacht auf dem Wege zentraler, in eigener Regie organisierter Werbungen zusammenbringt und als ein von ihm sei's aus der Staatskasse, sei's aus privaten Mitteln finanziertes Söldnerherr ins Feld führt, verwandelt er sich in einen militärischen Impresario, einen freischaffenden Kriegsveranstalter, der in dem Maße, wie ihn Senat und Komitien aus der unmittelbaren Abhängigkeit und Rechenschaftspflicht entlassen und neben der Führung des Krieges auch die Kriegsvorbereitungen im allgemeinen und die Rekrutierung der Mannschaft im besonderen seinem freien Ermessen anheim stellen, ihm quasi ein pauschales Patent erteilen, ihm per Freibrief das ganze Kriegsgeschäft übertragen, natürlich nun auch die Verantwortung für die Tauglichkeit der materialen Vorbereitungen im allgemeinen und die Tüchtigkeit des personalen Bestands im besonderen übernimmt, als Generalunternehmer für alles einsteht und sich im Guten wie im Bösen alles zurechnen lassen muss, was das von ihm aufgestellte und befehligte Heer leistet beziehungsweise zu leisten versäumt.

Was Wunder, dass solch grundlegend gewandelte Machtposition und Zuständigkeit, Verfügung und Verantwortlichkeit, die durch die Heeresreform die konsularisch-prätorische Exekutive gegenüber der Legislative aus Senat und Komitien erlangt, nun ebenso grundlegend nicht nur die amtliche Beziehung, sondern auch und vor allem das persönliche Verhältnis der Exekutive zu diesem ihrer Initiative und Regie überlassenen Hauptmachtinstrument wie auch zu der sozialen Schicht verändert, aus der sich letzteres in zunehmendem Maße rekrutiert? Als von Senat und Komitien jeweils generalbevollmächtigter Intendant des Militärwesens und alleinverantwortlicher Organisator der Rüstung und Kriegsherr sieht die Exekutive den Erfolg ihrer Amtswaltung und in der Tat ihr politisches Schicksal an das von ihr geworbene Heer und dessen unter ihrer Führung errungenen Siege geknüpft und entwickelt deshalb neben der staatlichen Anerkennung, die sie diesem nunmehr tragenden Element der Republik und dem plebejischen Milieu, aus dem es sich rekrutiert, schuldet, auch eine der Unterstützung und Förderung, die sie sich im Blick auf die eigene Karriere von ihm erwartet, entsprechende persönliche Bindung an es und private Fürsorglichkeit, sein Wohlergehen wie auch die Wohlfahrt der plebejischen Klasse betreffend, aus deren Reihen sie es vorzugsweise ins Feld stellt.

Dabei nimmt diese persönliche Zuwendung und private Fürsorglichkeit gemäß den beiden eng miteinander verknüpften, aber doch unterscheidbaren Adressaten, denen sie gilt, zwei verschiedene Formen an. Zum einen macht sich die Exekutive aus persönlichem Kalkül nicht weniger als aus staatlicher Räson für die leibliche Versorgung und seelische Betreuung der entwurzelten und deklassierten Plebs, für die der mittellosen Volksmasse durch Brot und Öl zu sichernde Subsistenz und durch Geselligkeit und Spiel zu verschaffende Integration stark, die Hauptanliegen der plebiszitär-tribunizischen Motion war und der der traditionelle Staatsapparat bis dahin höchstens im Einzelfall zustimmte, um sie im ganzen desto besser hintertreiben zu können, die nun aber, da die keineswegs nur aktuell, sondern durchaus strukturell bedingten militärischen Erfordernisse imperialer Selbstbehauptung die Plebs als staatstragendes Element erweisen, in der Tat zu einer ganz im Sinne der existenzialisiert-bürgerrechtlichen Ansprüche der Plebs vom Staat in genere und von der konsularischen Exekutive in specie anerkannten Forderung avancieren. Und zum anderen muss sich die Exekutive aber auch für die Wohlfahrt derer einsetzen, muss sie sich um das Wohlergehen derer kümmern, die sie als Streitmacht aus den Reihen der Plebs anwirbt, damit sie stellvertretend für ihre Schicht die der ganzen sozialen Gruppierung zur Anerkennung ihres bürgerlichen Existenzrechts verhelfende staatstragende Leistung einer Ausdehnung und Sicherung des Imperiums erbringen und formaliter im Solde der Republik, realiter aber im Dienste ihres Anwerbers und Rattenfängers, des konsularisch-prätorischen Feldherrn, ihr Leben in die Schanze schlagen. Zwar während ihrer Dienstzeit sind diese Söldner durch ihren Sold und dank der Kriegsbeute aus den Feldzügen wohlversorgt, aber da sie sich in den Jahren oder vielmehr Jahrzehnten, die sie im Felde stehen, ihrem sozialen Milieu und familiären Kontext in der Heimat entfremden und zu aller zivilen Tätigkeit, soweit sie überhaupt eine erlernt oder ausgeübt haben, untauglich werden, brauchen sie für die Zeit nach ihrer schließlichen Abdankung ein Stück Land und ein paar Sklaven, um als Kleingrundbesitzer ihr Leben auskömmlich und in Ruhe beschließen zu können. So gewiss die Aussicht auf solchen Lohn für ihre militärischen Bemühungen die Söldner wesentlich motiviert und bei der Stange hält, so gewiss wird die Veteranenversorgung zu einem festen Bestandteil des zum Wohle der plebejischen Schichten aufgelegten Wohlfahrtsprogramms, mit dem jeder konsularisch-prätorische Heerführer neuen Zuschnitts seine Karriere und die mit ihr verfolgten privaten Ziele absichert und untermauert.

So eng knüpft die durch die Heeresreform geschaffene Konjunktion aus zum Impresario emanzipierter Exekutive und zum Haupt- und Staatsfaktor avancierter Plebs die Liaison zwischen dem mit Patent zum Kriegführen ausgestatteten Feldherrn und dem von ihm angeworbenem Massenheer und so sehr ist hiernach tatsächlich der konsularisch-prätorische Feldherr in seinem politischen Erfolg und seiner persönlichen Karriere angewiesen auf die gute Meinung und Unterstützung seiner Söldnertruppen und des plebejischen Milieus, aus dem sie sich in zunehmendem Maße rekrutieren, dass diese neuartige, von den legislativen Instanzen der Republik, Senat und Komitien, ebenso sehr generalbevollmächtigte wie ihnen gegenüber alleinverantwortliche Exekutive gar nicht anders kann, als ihrem nunmehr tragenden sozialen Element und zentralen militärischen Instrument Zuwendung und Fürsorglichkeit zu bezeigen, sprich, zum Volksfreund und Armenpfleger zu mutieren, sich also ebenso sehr aus Motiven persönlichen Kalküls wie aus Gründen staatlicher Räson als Fürsprecher und Sachwalter plebejischer Interessen zu begreifen, und dass gegenüber der objektiven Zwangsläufigkeit dieser gleichermaßen von persönlichem Kalkül und staatlicher Räson getragenen Neuorientierung der Exekutive alle aus den idiosynkratischen Neigungen, biographischen Voreingenommenheiten und sozialen Zugehörigkeiten ihrer Vertreter etwa resultierenden Hemmnisse und Vorbehalte zu nichts verblassen, dass mit anderen Worten die soziale Herkunft, ständische Zuordnung und politische Bildung des mit der kriegerischen Entfaltung und militärischen Behauptung des Imperiums betrauten konsularisch-prätorischen Impresarios und Generalunternehmers für die Rolle des großen Volksfreunds, des Armenpflegers und Veteranenversorgers, in die er nolens volens schlüpft, ohne jeden Belang bleiben. Auch wenn es vielleicht kein Zufall oder jedenfalls eine kommode Koinzidenz ist, dass der Initiator der neuen Konjunktion, der aus Anlass der germanischen Bedrohung die Heeresreform ins Werk setzt, Gaius Marius, aus kleinen Verhältnisse kommt und ein Plebejer reinsten Wassers ist, Tatsache bleibt, dass im folgenden den sich durch ihr Heerführeramt automatisch auch als Volksfreunde, als Führer der Popularenpartei, qualifizierenden Konsuln neuer Prägung diese Qualifikation ohne Rücksicht auf ihre soziale Herkunft und ihre Klassenzugehörigkeit zufällt und dass der Vollender des durch den Plebejer Marius eingeleiteten Übergangs der patrizisch-oligarchischen Republik in ein cäsaristisch-volksherrschaftliches Militärregime, der dem Regime zugleich seinen Namen gebende Julius Caesar, ältestem römischem Adel entstammt und ein Patrizier reinsten Geblüts ist.

Die Heeresreform beseitigt mit einem Schlage nicht nur die dispositionelle Schwäche der Plebs, indem sie aus ihr ein diszipliniertes militärisches Instrument schmiedet oder besser ausliest, sie hilft auch der aktuellen plebejischen Machtlosigkeit gegenüber dem Staatsapparat ab, indem sie die konsularische Exekutive zum Volksfreund und Führer der Popularenreform mutieren lässt. Schließlich sorgen noch die Bundesgenossenkriege und das in ihrer Konsequenz ausgedehnte Bürgerrecht dafür, dass die Plebs den als kritische Masse oder Maßbestimmung erforderlichen quantitativen Umfang erreicht.

Jedenfalls zeigt sich durch diesen, der Heeresreform als dem Kernstück einer radikalen Umstrukturierung der römisch-imperialistischen Strategie geschuldeten Automatismus einer zwischen konsularischem Kriegsimpresario und plebejischem Massenheer entstehenden gemeinsamen Interessenlage und wechselseitigen Abhängigkeit, einer aus beiden sich bildenden und fast schon als wunderbare neue Freundschaft zu apostrophierenden verschworenen Gemeinschaft, das eine der beiden oben genannten Hauptprobleme der plebiszitär-tribunizischen Volksbewegung, ihr Mangel nämlich an staatlicher Macht und exekutiver Gewalt, mit einem Schlage erledigt. Mit der besonderen Beziehung zur konsularisch-prätorischen Führung, die dank ihres grundlegenden Beitrags zum neuen Söldnerheer die Plebs nunmehr zu reklamieren vermag, setzt sie nicht etwa nur einen Fuß in die Tür des ihr bis dahin fest verschlossenen Staatsapparats, sie dringt gleich ins Zentrum der staatlichen Exekutive vor, gewinnt Einfluss auf die oberste Staatsfunktion, die Leitung der Haupt- und Staatsaktion selbst. Eben das konsularische Amt, das bis dahin die sicherste Bank der als Selbstbedienungsladen der Nobilität firmierenden patrizischen Republik war, verwandelt sich dank der qua Heeresreform vollzogenen militärischen Umrüstung, zu der sich unter dem Druck der nicht weniger strukturellen Gefährdung als aktuellen Bedrohung ihres imperialen Projekts die Republik versteht, in einen entscheidenden Aktivposten und Förderer des vom Tribunat seit längerem betriebenen und als eine Art wohlfahrtsstaatlichen Rehabilitationseinrichtung für die ökonomischen und sozialen Opfer der Entwicklung der patrizischen Republik angestrebten plebiszitären Volksstaats. Aus Saulus wird über Nacht ein Paulus, aus dem Geschäftsführer und Sachwalter der gegen die Volksbewegung um die Aufrechterhaltung der internen Eigentumsverteilung und Machtverhältnisse bemühten Optimatenpartei wird unter dem Eindruck der externen Gefahren, die der Republik drohen, und in der Konsequenz der zur Abwendung dieser Gefahren erforderlichen Militärreform und darin einbegriffenen politischen Umorientierung ein Fürsprecher und Vorkämpfer der gegen die Eigentumsverteilung und Machtverhältnisse mobil machenden Volksbewegung, kurz, ein Führer und Patron der Popularen.

Und wie um das Maß des unverhofften Erfolges des bis dahin ebenso erfolglos wie heharrlich verfolgten plebiszitär-tribunizischen Projekts einer Neuetablierung der Staatsfunktion voll zu machen, zeigt sich auf diesem Wege nicht nur der die Volksbewegung objektiv hemmende aktuelle Mangel an institutioneller Handlungsmacht und exekutiver Amtsgewalt behoben, es zeigt sich wundersamerweise auch und Hand in Hand damit die oben als zweites Handikap erwähnte, den Volkswillen subjektiv lähmende dispositionelle Schwäche der Plebs, ihre der Not ökonomischer Entwurzelung und dem Elend sozialer Deklassierung geschuldete Wankelmütigkeit und Disziplinlosigkeit, beseitigt. Wie nämlich als ausführendes Organ und handelndes Subjekt des Volkswillens der konsularische Feldherr an die Stelle des tribunizischen Volksführers tritt, so findet sich nun aber auch in der Rolle des den Volkswillen verkörpernden Organismus beziehungsweise des ihn transportierenden Vehikels die Plebs durch das Heer, die mittellose Masse durch die besoldete Streitmacht, wie man will, vertreten oder ersetzt. Anders als der tribunizische Volksführer, der sich mit seinen politischen Motionen und ökonomischen Reformbemühungen direkt auf die plebejische Masse stützt und dabei zu seinem Leidwesen erfahren muss, wie demoralisiert und bar jeder programmatischen Resolution und perspektivischen Durchhaltekraft sie ist, liest per Werbesystem der konsularische Feldherr aus dieser Masse ein besonderes Corpus aus, rekrutiert und organisiert er aus ihren Reihen eine eigene Formation, die sich ebenso sehr durch ökonomische Abhängigkeit wie durch militärisches Reglement, ebenso sehr durch Besoldung und Kriegsbeute wie durch soldatischen Gehorsam diszipliniert und bei der Stange oder vielmehr Fahne gehalten zeigt und auf deren Moral und Ausdauer er sich nicht nur verlassen kann, wenn es darum geht, dem Imperium seine Entfaltung und seinen Bestand zu sichern, sondern auf die er auch und vor allem bei seinen Bemühungen bauen kann, sie selbst und die Plebs, aus der sie sich rekrutiert, für ihren grundlegenden Beitrag zum Gedeihen und zum Erhalt des Imperiums zu belohnen und nämlich am imperialen Reichtum, für dessen ungehinderte Requisition und Akkumulation sie Sorge tragen, teilhaben zu lassen.

Als plebejische Auslese ist das Heer nicht nur die grundlegende Leistung, die die Volksbewegung für die Republik erbringt und durch die sie sich die Fürsprache und Parteinahme der konsularischen Exekutive sichert, ja, diese selbst als neue, populare Führung gewinnt, mithin den Mangel an staatlicher Macht und institutioneller Gewalt mit einem Mal überwindet, der ihren bis dahin bloß tribunizischen Führern immer wieder zum Verderben wurde. Als plebejische Elite ist das Heer mehr noch das entscheidende Instrument, das der neuen konsularischen Führung der Volksbewegung zur Verfügung steht, um die ökonomischen und sozialen Forderungen der letzteren in genere und des von ihr zur Verfügung gestellten Instruments selbst in specie gegen die etablierten Interessen und den routinierten Egoismus der Nobilität und vor allem unbeeinträchtigt durch die dispositionelle Schwäche einer in ihrer Not und ihrem Elend ebenso leicht verführbaren wie disziplinlosen Volksmasse durchzusetzen.

Angesichts dieser im genialischen Kurzschluss erreichten doppelten Mängelbeseitigung, in deren Konsequenz die Volksbewegung in Gestalt der zu ihr konvertierenden konsularisch-prätorischen Führung wirkliche exekutive Macht erringt und die zur Volksbewegung konvertierte, in die populare Führung umdefinierte staatliche Exekutive in corpore des aus der Plebs rekrutierten Heeres ein effektives Machtinstrument und diszipliniertes Herrschaftsmittel gewinnt – angesichts dieser aus dem einen Guss der Heeresreform gefertigten doppelten Problemlösung scheint der Triumph der Volksbewegung unaufhaltsam und gar keine Frage der Zeit mehr, sondern bloß noch eine Sache seiner schieren Realisierung. Indes, gar so unaufhaltsam und direkt, wie er theoretisch scheint, stellt sich der Triumph der Popularen in der Praxis denn doch nicht ein. Praktisch nämlich tritt die aus dem aktuellen Anlass und unter den besonderen Umständen der germanischen Bedrohung durchgesetzte und mit dem Namen des Feldherrn Marius verknüpfte Heeresreform mitsamt der in ihr implizierten Neuorientierung der konsularisch-prätorischen Exekutive und Instrumentalisierung der plebejischen Masse zur organisierten Streitmacht als erst einmal ebenso partikulare wie ausgefallene Konfliktlösungsstrategie dem herrschenden Heereswesen und dem von ihm repräsentierten traditionellen Modell einer als Spiegelbild der zivilen Gesellschaft ausgehobenen Bürgerwehr gegenüber. Was das der Popularenpartei und ihrem Reformprogramm Vorschub leistende Modell des plebejischen Massenheeres der von den Optimaten hochgehaltenen ständischen Bürgerwehrkonstruktion voraushat und was, aller unmittelbaren Entgegensetzung und fraktionellen Gleichstellung zum Trotz, das erstere als das über die Partikularität und Ungleichzeitigkeit der letzteren sich erhebende neue Allgemeine und normativ Zeitgemäße auszeichnet, ist eben die neuartige personelle Quantität und die nach ihrer Maßgabe veränderte funktionelle Qualität, zu der das Modell die Handhabe bietet, ist mit anderen Worten die durch das Werbe- und Soldverfahren ermöglichte Einbeziehung des umfänglichen brachliegenden plebejischen Menschenfundus in die Rekrutierung der Streitmacht und die solch massenhafter Mobilmachung geschuldete und sich als Entfesselung militärischer "Produktivkraft" geltend machende Verwandlung der Streitmacht in einen von äußeren Rücksichten und Verbindlichkeiten relativ freien und wesentlich zweckrational definierten, das heißt, in seinem Aufbau und seiner Instrumentierung an seiner Aufgabe orientierten und von seiner Funktion her bestimmten Organismus.

Dieser zugunsten des plebejischen Massenheeres entscheidende Vorzug kann allerdings nur zum Tragen kommen, wenn wirklich die Plebs in ihrer Gesamtheit und vollen Umfänglichkeit für die rekrutierende Auslese zur Verfügung steht und als militärisches Kräftepotential zugänglich ist. Genau damit indes hapert es! Weil, wie gesehen, die plebiszitär-tribunizische Volksbewegung ihre ökonomischen Forderungen und sozialen Ansprüche auf ein existenzialisiertes Bürgerrecht, sprich, auf die in ein Existenzsicherungsversprechen und Sozialgarantiegebot gewendete Zugehörigkeit zur römischen civitas gründet, ist sie ja das exklusive Anliegen und das privilegierte Vorhaben derer, die das römische Bürgerrecht besitzen. Das heißt, sie ist unter den im italischen Raum traditionell gegebenen politisch-föderalen Bedingungen auf die hauptstädtische Menge, die Plebs der Urbs Romana, beschränkt und schließt die parallel zur hauptstädtischen Entwicklung auch in den übrigen latinisch-italischen Gemeinden entstandenen und von ähnlicher Not und ähnlichem Elend wie die römische Plebs betroffenen Volksmassen effektiv aus. So sehr von dem politisch-ökonomischen Scheideprozess, den mittels kolonialistischer Ausbeutung und imperialistischer Sklavenarbeit die römische Nobilität in Gang setzt, auch und vor allem die Socii der Republik, die durch unverbrüchliche politische Verträge und mittlerweile unzerreißbare ökonomische Bande mit der Republik verknüpften oder vielmehr an sie gefesselten Volksgruppen und Gemeinschaften der italischen Halbinsel tangiert werden und so sehr also auch bei ihnen eine Aufspaltung der Gesellschaft in zwei durch ihre Vermögensverhältnisse getrennte ungleich große Hälften, eine kleinere, durch ihre Verbindungen zur römischen Nobilität ökonomisch profitierende, und eine weit größere, in specie durch die militärischen und ökonomischen Lasten, die den Socii von Rom aufgebürdet werden, und in genere durch die kolonialistisch-imperialistische Bereicherungsstrategie der römischen Nobilität geschädigte und parallel zum Schicksal der hauptstädtischen Plebs pauperisierte und deklassierte Schicht, statthat, so sehr bleiben doch aber diese Volksgruppen und Gemeinschaften allesamt vom römischen Bürgerrecht ausgeschlossen, das heißt, sie bleiben Bürger zweiter oder dritter Klasse, die weder an den in der Hauptstadt zentrierten politischen Entscheidungsprozessen der Republik im mindestens beteiligt sind, noch irgend in den Genuss der in der Hauptstadt zum Programm erhobenen beziehungsweise kontrahierten wohlfahrtsstaatlichen Eingriffe und Umverteilungsmaßnahmen kommen, die das Los der römischen Plebs zu lindern dienen. Und allesamt nehmen sie Anstoß an dieser sozialen Benachteiligung und politischen Diskriminierung und streben mit Macht nach Aufnahme in den bürgerrechtlich geschlossenen Verband der Republik – die mit den römischen Herren liierten Wohlhabenden, weil sie nicht einsehen, warum ihr ökonomischer Erfolg und sozialer Vorrang nicht von einer entsprechenden politischen Anerkennung und Positionierung begleitet oder gefolgt sein soll, und die in Armut und Elend Gestürzten, weil sie der hauptstädtischen Plebs die Vorzugsbehandlung, die relative ökonomische Unterstützung und soziale Absicherung, neiden, die ihr die aufs Bürgerrecht pochende plebiszitär-tribunizische Volksbewegung verschafft.

Aber nicht nur die latinisch-italischen Bundesgenossen leiden unter der Kluft, die das Bürgerrecht zwischen ihnen und der römischen civitas, der verbrieften Bürgerschaft der Republik, aufreißt, auch dem pauperisierten und deklassierten Teil der römischen Bürgerschaft selbst, der hauptstädtischen Plebs und Trägerin der Volksbewegung, gereicht diese Scheidelinie objektiv und gleich in zweifacher Hinsicht zum Schaden. Einerseits und vor allem nämlich hindert sie die hauptstädtischen Plebejer, durch Vereinigung mit ihren Leidensgenossen in den anderen Gruppen und Gemeinschaften ihr politisches Kräftepotential voll zu mobilisieren und jenes zur Maßbestimmung durchschlagende quantitative Übergewicht zu erringen, durch das sie sich aus einer eindrucksvoll zahlreichen Fraktion in eine unwiderstehlich kritische Masse, aus einer popularen Opposition innerhalb der römischen Republik in den die Republik über sich hinaustreibenden Normaltypus des römischen Populus verwandelte. Und andererseits und schlimmer noch erzeugt diese die römische Plebs von ihren bundesgenossenschaftlichen Konsorten, ihren latinisch-italischen Alteregos trennende Kluft des bürgerrechtlichen Status bei ersterer ein dem Bewusstsein ihrer Privilegierung entspringendes eigensüchtiges Verhalten, das wesentlich verantwortlich ist für ihre oben als dispositionelle Schwäche, als Unfähigkeit zu strategischer Weitsicht und solidarischer Perspektive, ausgemachte Wankelmütigkeit und Bestechlichkeit. Weil sich die römische Plebs die politische Vorzugsstellung, die sie kraft Bürgerrechts innehat, und die ökonomische Vorzugsbehandlung, die sie dank politischer Vorzugsstellung genießt, um jeden Preis erhalten möchte und befürchtet, dass die Ausdehnung des Bürgerrechts und die damit einhergehende Erweiterung des Kreises plebejischer Unterstützungsbedürftiger und Fürsorgeberechtigter ihr unliebsame Konkurrenz ins Haus trägt und das Niveau der exklusiv für sie erbrachten Leistungen und an sie adressierten Zuwendungen senkt, sträubt sich die römische Plebs mit Händen und Füßen gegen die strategisch-perspektivisch nur allzu sinnvollen Bemühungen ihrer tribunizischen Führung, durch eine Ausweitung des Bürgerrechts auf die Bundesgenossen das gesamte Potential plebejischer Unzufriedenheit hinter ihrer Fahne zu versammeln und so der Volksbewegung das für ihren schließlichen Triumph erforderliche Quantum und Momentum zu sichern, und schafft damit zugleich die Bruchstelle im Gefüge der plebejischen Organisation, an der die Optimaten immer wieder zerstörerisch ansetzen, die Lücke im Volkswillen, in die sie immer erneut den Keil ihrer kompromittierenden Versprechungen und entsolidarisierenden Zuwendungen treiben können.

So ausgeprägt ist in der Tat der Gruppenegoismus der römischen Plebs und so wenig ist sie imstande, über den Tellerrand ihrer privilegiert-hauptstädtischen Wohlfahrt und Fürsorge hinauszublicken und sich die strategische Weitsicht und den programmatischen Durchblick ihrer tribunizischen Führung zu eigen zu machen, dass auch, nachdem in der Konsequenz der Heeresreform ihr aktueller Mangel an exekutiver Macht beseitigt und ihre in Disziplinlosigkeit und Verführbarkeit bestehende dispositionelle Schwäche, wenn schon nicht eigentlich behoben, so doch durch die militärische Disziplin und soldatische Loyalität der aus ihr ausgelesenen Streitmacht neutralisiert ist, sie in puncto Verleihung des Bürgerrechts unbelehrbar bleibt und selbst noch dem anderthalb Jahrzehnte später vom Volkstribunen Marcus Livius Drusus wieder einmal erneuerten Antrag, den italischen Bundesgenossen das Vollbürgerrecht zu gewähren, die Unterstützung versagt, so dass es der Optimatenpartei ein leichtes ist, das Ansinnen zu vereiteln.

Indes lässt diese abermalige Zurückweisung ihrer Forderung nach voller Teilhabe an den politischen Entscheidungsprozessen und ökonomischen Aneignungsstrategien der Republik beziehungsweise an den ökonomischen und sozialen Vergünstigungen, die die Republik für die internen Opfer jener Aneignungsstrategien bereithält, bei den Bundesgenossen endgültig den Geduldsfaden reißen, und sie greifen zu den Waffen, um sich mit Gewalt zu nehmen, was ihnen die unheilige Allianz aus herrschaftsmonopolistischer Nobilität und gruppenegoistischer Plebs seit bereits drei Jahrzehnten, seit dem ersten Gleichstellungsantrag des Gaius Gracchus, beharrlich verweigert. Sei's, weil politische Vernunft sie zu der Einsicht führt, dass die Socii ohne die geforderte Konzession nicht dauerhaft und zuverlässig bei der Stange der römischen Herrschaft zu halten sind, sei's, weil sie schlicht und einfach militärisch zu schwach sind, um ihren kompromisslosen Standpunkt durchhalten zu können – jedenfalls geben die Römer im Kernpunkt der Auseinandersetzung, in der Bürgerrechtsfrage, nach, und so endet der Bundesgenossenkrieg mit der bürgerrechtlichen Gleichstellung aller latinisch-italischen Bundesgenossen südlich der Poebene, sprich, mit der Einbindung der zu Foederati erklärten Socii in den Gesellschaftsvertrag der römischen civitas.

Dem militärisch fundierten Pakt zwischen tribunizischem Konsul, exekutivem Staatsapparat, und popularer Bewegung, plebejischer Masse, hat die Nobilität nichts entgegenzusetzen, zumal er sie zwar politisch, in ihrer Führungsrolle, vorerst aber nicht ökonomisch, in ihrem Besitzstand, bedroht. Entscheidend für den vollständigen Sieg der neuen, plebiszitär imperativen Herrschaft indes ist, dass ein Teil der Nobilität, die Ritterschaft, offen zu ihr überläuft und ihr das für ein erfolgreiches Regiment erforderliche Maß an ziviler Herrschaftstechnik und ökonomisch-bürokratischem Know-how zuführt.

Damit aber steht nun in der Tat der plebiszitär-tribunizischen Volksbewegung das volle Potential an Menschen, aus dem sie schöpfen, die ganze kritische Bürgermasse, die sie mobilisieren kann, zu Gebote und lässt sie endgültig aus einem fraktionell-tentativen Ausbruchsversuch zu einem totalitär-normativen Aufbruchsunternehmen, aus einer parteiischen, partikularen Motion zu einer veritablen Haupt- und Staatsaktion werden. Gestützt auf eine Plebs, deren militärische Funktionalisierung ebenso sehr ihren Mangel an institutioneller Macht beseitigt, indem sie ihr Einfluss auf die konsularisch-prätorische Exekutive verschafft, wie ihre als Wankelmütigkeit und Disziplinlosigkeit perennierende dispositionelle Schwäche, wenn schon nicht behebt, so jedenfalls doch unter Kontrolle zu bringen erlaubt, und die darüber hinaus dank Ausdehnung des Bürgerrechts die Schranken hauptstädtischer Partikularität durchbricht und die Universalität eines die ganze Föderation, die ganze republikanische Assoziation durchherrschenden sozialen Grundtypus, einer allgegenwärtigen Klassenbefindlichkeit hervorkehrt, verwandelt sich die Popularenpartei in eine Repräsentanz des römisch-latinischen Populus, deren Herrschaft nicht mehr als fraktionelle Vergewaltigung der im Rahmen der politisch gespaltenen Hauptstadt durchaus noch ins Gewicht fallenden Optimatenpartei und ihrer bürgerlichen Anhängerschaft erscheint und deshalb, um sich behaupten zu können, nolens volens die Züge eines Schreckensregiments à la Cinna hervorkehrt, sondern sich als kategorische Manifestation, um nicht zu sagen: diktatorische Verfügung, des gegen die Reaktion einer schmalen Schicht von Reichen und Mächtigen geeinten Willens der durch ihr quantitatives Übergewicht erdrückenden Volksmenge zu verstehen gibt und deshalb mit der Legitimität des sich gegen Privatinteresse und persönlichen Egoismus zur Geltung bringenden Gemeinwesens auftritt.

Gegenüber diesem neuen, durch die Ausweitung des Bürgerrechts errungenen, quantitativen Übergewicht und dem daraus resultierenden qualitativen Legitimitätsanspruch der Volksbewegung und ihrer popularen Repräsentanz hat die Optimatenpartei mitsamt der von ihr vertretenen senatorisch-patrizischen Oberschicht keine Chance mehr, sich politisch zu behaupten, geschweige denn, an der Macht zu bleiben. Mag sich ein den Optimaten die Stange haltender Konsul und Feldherr wie Lucius Cornelius Sulla der fälligen Neugestaltung der politisch-militärischen Machtverhältnisse und Neubestimmung der ökonomisch-sozialen Verfügungsgewalt, mithin der unabwendbaren Abschaffung der senatorisch-patrizisch geführten Republik, noch so starrsinnig widersetzen und mag er mittels Proskriptionslisten noch so blutig bemüht sein, die Hydra der popularen Bewegung zu enthaupten und durch das Opfer vieler Köpfe den in Wahrheit drohenden Basilisken der plebiszitär-cäsaristischen Diktatur zu bannen – allein die Tatsache, dass er sich, um Widerstand leisten zu können, der neuen, wesentlich popularen Errungenschaft eines vom konsularisch-prätorischen Feldherrn selbst aus der Masse mittelloser Bürger ausgelesenen, angeworbenen und in Sold genommenen und seinem Brotgeber quasi persönlich verpflichteten und existenziell verbundenen Volksheeres bedienen, dass er mithin, um dem Gegner Paroli bieten zu können, das qua Heeresreform eingeführte gegnerische Erfolgsrezept bemühen muss, führt seinen Anspruch, konservativer Fels in der revolutionären Brandung, ein der Flut der Volksbewegung trotzender Erhalter des Status quo zu sein, ad absurdum und verurteilt sein Vorgehen dazu, sich als ohnmächtige, weil von der Haupt- und Staatsaktion, die sie bekämpft, bereits durchdrungene und im Kern zersetzte Reaktion zu erweisen, kurz, eine in den Todeszuckungen des traditionellen Systems sich erschöpfende Episode zu bleiben.

In der Tat bildet nämlich das, was ein Sulla ebenso missbräuchlich wie vergeblich für die Zwecke einer Aufrechterhaltung der traditionellen Herrschaft der Nobilität, sprich, für den Machterhalt der Optimaten, nutzbar zu machen sucht, die auf das besoldete Massenheer sich stützende exekutive Generalvollmacht und quasidiktatorische Verfügungsgewalt des als Feldherr operierenden Konsuls, das Geheimnis des mittlerweile absehbaren Erfolgs der Popularenpartei und den Dreh- und Angelpunkt der gleichermaßen absehbaren Verwandlung der plebiszitär-tribunizischen Volksbewegung in eine reguläre Staatsaktion, ein totalitär- imperatorisches Regierungsgeschäft. In dem Maße, wie mittels Massenheer die Plebs direkte Verbindung zur staatlichen Exekutive aufnimmt und richtungsweisenden Einfluss auf sie gewinnt, tritt letztere an die Stelle der bisherigen tribunizischen Führung und überführt damit die nur erst im konstitutionellen Rahmen nach staatlicher Macht strebende Volksbewegung in einen nunmehr auf institutioneller Basis die Staatsmacht übenden Gewalthaber. Indem kraft seines neuen Amtes als Führer des Massenheers der mit vollem imperium, mit Handlungsmacht, ausgestattete Konsul den von Haus aus nur mit Veto, mit Einspruchsrecht, versehenen Tribunen in der Rolle des popularen Vorkämpfers ersetzt, kann dieser Volksführer neuen Zuschnitts in effectu seiner regulär-exekutiven Amtswaltung jene im Interesse der Plebs revidierte, sprich, im wohlfahrtsstaatlichen Sinne reformierte Staatsfunktion erfüllen, die der Volksführer tribunizischer Provenienz bloß in effigie seiner plebiszitär-initiativen Interventionen auszuüben imstande war, und löst sich die von unten und gegen den erklärten Willen der gesamten Oberschicht auf rein konstitutioneller Basis angestrebte Neuetablierung der Staatsmacht in eine plötzlich von innen und quasi aus dem objektiven Gegenwillen der Oberschicht selbst heraus erfolgende und ganz und gar im institutionellen Rahmen sich haltende Umfunktionierung eben dieser Staatsmacht auf. Weil die Logik der Erhaltung des imperialen Staatswesens, zu dem sich die Republik gemausert hat, eine qua Heeresreform vom Staat selbst in persona seiner konsularischen Exekutive durchgesetzte Redintegration der Plebs in den staatlichen Funktionszusammenhang, mithin die Verwandlung derer, die bislang als die entwurzelten und deklassierten Opfer der zivilen Gesellschaft firmierten, in ein tragendes Element und eine dementsprechend bestimmende Kraft eben dieser zivilen Gesellschaft erheischt, hat die tribunizische Vertretung der Plebs, die zuvor deren Interessen zur Geltung zu bringen und ihr als Gruppe die Wiederaufnahme in das zivile Corpus zu verschaffen suchte, in der Tat ihre Schuldigkeit getan und räumt ihren Platz jener konsularisch-imperatorischen Repräsentanz der Plebs, die institutionell-effektiv ist, was das Tribunat nur erst konstitutionell-initiativ zu simulieren suchte: eine Staatsmacht, die ihrer Vermittlungs- und Ausgleichsaufgabe gerecht wird und den Teilhabeanspruch der Plebs mit dem Bereicherungsstreben der Nobilität in Einklang zu bringen unternimmt.

Der das Tribunat überflüssig machende militärisch fundierte unmittelbare Pakt zwischen exekutivem Staatsapparat und plebejischer Masse gewinnt, ganz abgesehen von seiner imperialstrategischen Notwendigkeit, noch dadurch zusätzlich an Überzeugungskraft, dass er allen Beteiligten zustatten kommt und Vorteil bringt. Der Plebs und dem aus ihr rekrutierten Massenheer sichert er ökonomische Grundversorgung und soziale Fürsorge, Brot und Spiele. Der konsularischen Exekutive verschafft er militärische Macht und, auf ihr fußend, einen bis dahin unbekannten, das System der republikanischen Funktionsteilung sprengenden Handlungsspielraum gegenüber den anderen traditionellen staatlichen Institutionen. Aber auch der Nobilität, die auf den ersten Blick ja sein Opfer scheint, weil sie letztlich die Zeche der mit ihm akzeptierten Umverteilungsansprüche und eingegangenen wohlfahrtsstaatlichen Verpflichtungen bezahlen muss – auch und sogar der Nobilität bringt er, genauer besehen, Gewinn. Nicht nur ist nämlich die auf seiner Grundlage und in seinem Rahmen ins Werk gesetzte militärische Massenmobilisierung, sprich, die Rekrutierung professioneller Söldnerheere unter konsularisch-imperatorischer Führung, conditio sine qua non der weiteren Expansion des Reiches und der Sicherung und Integration des Eroberten, mithin die außenpolitische Bedingung dafür, dass die Nobilität ihre auf solcher Expansion und großflächigen Okkupation beruhende externe Ausplünderungspolitik fortsetzen kann. Die Massenmobilisierung erweist sich auch und mehr noch angesichts des Widerstands, der sich gegen die interne Ausbeutungspraxis der Nobilität bei deren Hauptopfern, den Sklaven, formiert, als eine innenpolitisch unabdingbare Maßnahme. Wie der Aufstand des Spartakus deutlich macht, droht dem auf der Basis agrikultureller und manufaktureller Sklavenarbeit errichteten inneritalischen Ausbeutungssystem der römischen Nobilität Gefahr durch eben diese, gegen ihre rücksichtslose Nutzbarmachung aufbegehrende Basis; und will die Nobilität die revoltierenden Sklavenmassen niederzwingen und sie sich als ausbeutbares Potential erhalten, so muss sie eigentlich an dem neuentstandenen, schlagkräftigen Machtinstrument und Ordnungsfaktor des konsularisch organisierten und imperatorisch geführten plebejischen Massenheeres ebenso interessiert sein, wie sich umgekehrt das plebejische Massenheer um der Teilhabe an den Früchten des Ausbeutungssystems der Nobilität willen, die ja der maßgebende Grund für sein Entstehen ist, bereit zeigt, die Niederschlagung des Aufstandes ins Werk zu setzen und mit aller ihr zu Gebote stehenden Gewalt für die Kontinuität der als Grundlage des agrikulturellen beziehungsweise manufakturellen Ausbeutungssystems der Nobilität firmierenden Sklavenarbeit zu sorgen.

Indes, die Einbuße an politischer Macht und ökonomischer Verfügung, die der in officio der konsularisch-prätorischen Exekutive geschlossene plebejisch-imperatorische Pakt ihr beschert, kommt die Nobilität hart an und lässt sie als Ganzes, als durch ihr territoriales oder kapitales Eigentum und durch dessen Bereicherungsanspruch definierte Optimatenpartei, in starrsinniger Opposition gegenüber der durch die Heeresreform initiierten Entwicklung der imperialen Republik zum Imperium sans phrase verharren. Soll die Nobilität an der Entwicklung teilnehmen, soll sie in die neue Machtkonstellation der zwischen Plebs und staatlicher Exekutive qua Massenheer geschmiedeten Interessengemeinschaft Aufnahme finden und eingebunden sein, so muss ihr Widerstand irgendwie und jedenfalls ohne eine ihre ökonomische Grundlage und soziale Stellung, kurz, ihre Existenz als gesellschaftliche Gruppe, gefährdende Gewaltanwendung gebrochen, muss sie zu ihrem Glück, dem Glück einer den Verlust an politischer Macht, an Verfügung über den Staatsapparat, ihr versüßenden Erhaltung ihres kolonialistischen Ausplünderungssystems und ihres sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungsmechanismus, quasi gezwungen werden. Und an der Entwicklung beteiligt, in die neue Machtkonstellation eingebunden werden muss die Nobilität unter allen Umständen, da ohne ihre wie immer zähneknirschende Zustimmung und wie immer erzwungene Mitwirkung dem zum populistisch-imperatorisch reorganisierten Staatsunternehmen bei allem militärisch-strategischen Erfolg, den es haben mag, das schließliche politisch-ökonomische Scheitern sicher ist.

Nicht, dass die Nobilität militärisch dem mittels Massenheer vom Volk getragenen imperatorischen Regiment der konsularischen Exekutive gewachsen wäre und ernsthaft Widerstand leisten könnte. Was sie aber sehr wohl kann, ist, diesem neuen Regiment seinen Sinn und Zweck zu verschlagen, es um die Früchte zu bringen, die es tragen soll und derentwillen es der patrizisch-senatorischen Republik aufgepfropft wird. Schließlich dient das neue Regiment ja primär und in der Tat wesentlich dem Zweck, die römisch-italische Plebs am Ertrag des bestehenden kolonialistischen Extraktions- und sklavenwirtschaftlichen Exploitationssystems der Republik teilhaben zu lassen und sie damit für die ökonomische Bedürftigkeit und das soziale Elend zu entschädigen, in das sie eben dieses System im Zuge seines Entstehens gestürzt hat. Und schließlich ist gleichermaßen Eigentümerin und Urheberin des von der Plebs, wie zuvor als ihr Verderben erfahrenen, so jetzt als ihre Rettung betrachteten Systems niemand anderes als die Nobilität. Und nicht nur Urheberin und Eigentümerin des Systems, von dem sich die Plebs ihre Sanierung und Resozialisierung erhofft, ist die Nobilität – sie ist auch und vor allem seine intelligente Betreiberin und kompetente Verwalterin. Will die Plebs in specie, und die auf ihre Wehrkraft bauende imperatorische Staatsmacht in genere das unter republikanischen Auspizien geschaffene politisch-ökonomische System kolonialistischer Ausplünderung und sklavenwirtschaftlicher Ausbeutung erhalten und seine Früchte im kompensatorisch-wohlfahrtsstaatlichen Sinne nutzbar machen und will sie dies im Rahmen des prinzipiell unversehrten römischen Gesellschaftsvertrages und seiner wie immer existenziell gewendeten bürgerrechtlichen Ordnung, das heißt, ohne alle, die Früchte, die sie sich erhofft, im Zweifelsfall verdorren lassende umstürzlerische Entmachtung und gewaltsame Enteignung tun, so muss sie die Schöpfer und Lenker des Systems irgendwie auf ihre Seite ziehen und zur wenn auch vielleicht widerwilligen, so doch aber hinlänglich eigeninteressierten Kooperation bei ihrem Umverteilungsprogramm bewegen. So sehr das an die Stelle der plebiszitär-tribunizischen Kommissionen tretende militärisch-imperatorische Regiment politisch-strategisch die Oberhand gewinnt und die Macht im Staate erringt, so sehr bleibt es indes aus technokratisch-bürokratischer Räson nicht weniger als aus juridisch-verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, die zwar politisch unterlegene, ökonomisch dennoch aber unverändert die Zügel in der Hand haltende Nobilität zu umwerben und ihr die für ihr Einlenken und Mitspielen erforderlichen Avancen zu machen. Die Optimaten umzustimmen und gar zum gedeihlichen Zusammenwirken mit den neuen popularen Herren zu bewegen, scheint allerdings angesichts der Erbitterung, die wechselseitige Terrorherrschaften zwischen den beiden Parteien erzeugt haben, keine leichte Aufgabe und alles andere als ein erfolgversprechendes Geschäft.

Auch in diesem Punkte aber erweist sich der kraft der popularistischen Neuorientierung, die Hand in Hand mit der militärstrategischen Bevollmächtigung des konsularischen Amtes geht, vollzogene Wechsel der staatlichen Exekutive vom tribunizischen Plebiszit zum imperatorischen Diktat als äußerst hilfreich und in der Tat als Schlüssel zum Gelingen. Der neue, auf der Basis plebejischer Söldnertruppen sein imperium als Generalvollmacht begreifende Führer der Republik findet nämlich, weil er zugleich der alte konsularische Amtswalter, der oberste Offizial des traditionellen Staatsapparates ist und also dem ohnehin den konstitutionellen Rahmen wahrenden Staatsstreich, den er verkörpert, noch zusätzlich die beruhigende Physiognomie institutioneller Kontinuität verleiht, mehr oder minder spontanen Anklang und mehr oder minder offene Zustimmung bei Teilen der Nobilität und ist so imstande, die Widerstandsfront aufzusprengen und zu durchbrechen, als die sich diese, Expropriation und Zwangsarbeit in imperialen Dimensionen praktizierende Interessengemeinschaft auf den ersten Blick präsentiert. Dabei ist die Verwerfungs- und Bruchlinie, die sich durch die Interessengemeinschaft hindurchzieht, Folge ihrer zwieschlächtigen Verfassung, Konsequenz mit anderen Worten der oben verhandelten Tatsache, dass sich die Nobilität, die politisch-ökonomische Führungsschicht der nach den Punischen Kriegen imperialistisch expandierenden und kolonialistisch organisierten Republik, aus zwei, weniger sozial als funktionell unterscheidbaren Gruppen oder besser gesagt Cliquen zusammensetzt, aus Patriziern und Rittern, aus traditionell das politische Leben dominierenden Landbesitzern und habituell das Wirtschaftsleben beherrschenden Kapitaleignern, aus militärisch-bürokratischen Staatsrepräsentanten und unternehmerisch-plutokratischen Geldagenten, analytischer gefasst, aus denen, die durch politische Entscheidungen und militärische Strategien die für die Aneignung fremden Reichtums und die Ausbeutung fremder Reichtumsquellen erforderlichen Bedingungen schaffen, sprich, Territorien erobern und unterwerfen und Menschen rekrutieren und versklaven, sowie denen, die mittels unternehmerischer Ausbeutung, zinsnehmerischer Abschöpfung und kommerziellen Profits dafür sorgen, dass die kolonialisierten Gebiete und die rekrutierten Sklavenheere ihrer Quellfunktion auch gerecht werden und tatsächlich die Gewinne abwerfen, die sich die Interessengemeinschaft aus patrizischen Eroberern und equestrischen Bewirtschaftern von ihnen erwarten.

Dass die eben deshalb als Interessengemeinschaft firmierenden beiden Gruppen oder Cliquen auf einander angewiesen sind und sich als einerseits jene, die durch Expansion die Reichtumsquellen erschließen, und andererseits jene, die durch Ausbeutung der Reichtumsquellen die Expansion finanzieren, gegenseitig bedingen, hindert indes nicht, dass in dem Maße, wie die Zusammenarbeit währt und die erwünschten Resultate imperialer Dimension und kapitalen Kalibers zeitigt, Ressentiment sich breit macht und eine konfliktträchtige Entfremdung eintritt. In dem Maße, wie sich das imperiale Herrschaftsgebiet zum relativ fest gefügten und gut verwalteten System mausert und die in ihm etablierten Ausplünderungs- und Ausbeutungsmechanismen sich zur ebenso verlässlichen wie großangelegten Routine entwickeln, beginnen insbesondere die Ritter, die Juniorpartner in der Interessengemeinschaft, Anstoß an der zwischen den beiden Cliquen bestehenden Arbeits- und Machtteilung zu nehmen: Sie sehen nicht mehr ein, warum sie, die doch bei der Realisierung ihres gemeinsamen Interesses, bei der Beschaffung imperialen Reichtums durch Kolonialismus und Sklavenwirtschaft die Hauptarbeit verrichten und die entscheidende Rolle spielen, immer noch den Mitgliedern der anderen Clique, den senatorischen Patriziern, politisch untergeordnet und als mehr oder minder stillen Teilhabern ökonomisch massiv zinspflichtig sein sollen, obwohl letztere doch, von eventuellen militärischen Aktionen in Krisensituationen und an Krisenpunkten des Imperiums abgesehen, nichts weiter mehr leisten, als in einem zum größten Teil befriedeten und gut geordneten Kolonialreich Verwaltungsposten zu besetzen, die schiere Pfründen sind, beziehungsweise ihren pacht- oder zinsförmigen Anteil an den Profiten einzustreichen, die die Ausbeutung der Ressourcen des Reiches durch den Ritterstand abwirft, und im übrigen in ihren Stadtresidenzen oder auf ihren Landgütern ein höchstens von Sitzungen des Senats und politischem Intrigenspiel unterbrochenes beschauliches Leben im Überfluss zu führen.

Zwar, die Domestiken- und Faktorenrolle, in die sie, die Kaufleute und Finanziers der Republik, sich zu Anfang ihrer gewinnträchtigen Zusammenarbeit mit dem zur Gründung kolonialer Provinzen schreitenden und nach imperialer Herrschaft strebenden Patriziat gedrängt sehen – diese bescheidene Rolle spielen sie mittlerweile nicht mehr; gemäß ihrer zentralen Stellung und Unentbehrlichkeit im etablierten System der Ausplünderung der Kolonien und einer auf Basis von Sklavenarbeit betriebenen agrikulturellen oder manufakturellen Ausbeutung haben sie es mittlerweile zu einem eigenen, dem Patriziat im Prinzip gleichgeordneten Stand gebracht und sind von bestenfalls begönnerten Juniorpartnern zu vollgültigen und in ökonomischer Hinsicht sogar federführenden Teilhabern beim Geschäft imperialer Bereicherung, quasi zum Prokuristen im republikanischen Selbstbedienungsladen der Nobilität, aufgestiegen. Aber je mehr sie an Kompetenz und Befugnis gewinnen und je größer die Vermögen werden, die ihre kommerziellen Aktivitäten ihnen bescheren, je häufiger sie, wenn schon nicht an sozialem Prestige, so doch an realem Einfluss und kapitaler Macht ihren Seniorpartnern sogar den Rang ablaufen, um so schmerzlicher empfinden sie, dass sie in politischer Hinsicht, das heißt, bei der Entscheidung über staatliche Strategien und Maßnahmen nach wie vor hinter ihren Seniorpartnern zurückstehen müssen und ihnen untergeordnet bleiben, und um so stärker macht ihnen zu schaffen, dass sie sich bei ihren ökonomischen Unternehmungen und finanziellen Spekulationen in den Provinzen immer wieder mit dem vom Patriziat beherrschten militärisch-bürokratischen Apparat konfrontiert und teils durch die Vormachtstellung und Privilegien, die dieser Apparat traditionell beansprucht, teils durch die Pfründen- und Schmiergeldmentalität, die sein patrizisches Personal habituell kultiviert, eingeschränkt und beeinträchtigt finden. Was die Kaufleute und Finanziers, die Pächter und Unternehmer des equestrischen Standes gerne hätten und im Interesse einer konsequenten Verfolgung ihrer Profitmaximierungsstrategien am ehesten bräuchten, wäre eine Staatsführung, die nicht wie das senatorische Patriziat die Expropriationsarbeit ihnen überlässt und dabei aber permanent mitreden oder gar das Wort führen und alle Entscheidungen fällen und von ihnen zum Lohn dafür, dass sie die politischen Rahmenbedingungen für das Ausbeutungsgeschäft militärisch schafft und bürokratisch aufrecht erhält, ständig hofiert und geschmiert, mit amtlichen Pfründen und stillen Teilhaberschaften befriedigt sein will, sondern die tatsächlich den Rittern in allen zivilen und bürokratischen Angelegenheiten die Generalvollmacht und unbeschränkte Prokura überträgt, sie quasi ihr kommerziell-finanzielles Unternehmertum in der Eigenschaft von Staatsfunktionären und kolonialen Verwaltungsbeamten ausüben lässt und sich selbst dabei auf die Rolle des militärischen Krisenmanagers und polizeilichen Ordnungshüters beschränkt und die für solche Selbstbescheidung nichts weiter verlangt als die in abstracto – will heißen, auf dem Boden der konkreten Machtausübung durch die ritterliche Bürokratie – absolute politische Gewalt im Staate und eine zur Befriedigung ihrer neuen Klientel, nämlich zum Unterhalt der Plebs und zur Versorgung der Veteranen, ausreichende Beteiligung an den Profiten, die die Ritterschaft aus dem Imperium zieht beziehungsweise schlägt.

Und genau dieser Idealvorstellung von einer den Finanziers und Kaufleuten als quasi Staatsbeamten das politisch-ökonomische Feld überlassenden und die eigene Rolle auf militärisches Krisenmanagement und polizeiliche Ordnungsaufgaben beschränkenden Staatsfunktion scheint nun aber die neue, plebiszitär-imperatorische Staatsfunktion nahe zu kommen. Indem er einerseits den Wasserkopf des senatorisch-patrizischen Regiments auf die Einmannherrschaft des konsularischen Feldherrn und seines Militärapparats zu reduzieren verspricht und andererseits hinsichtlich der finanziellen Forderungen, die er für sich selbst und seine plebejisch-militärische Klientel erhebt, auf eben die Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit hoffen lässt, die den Ansprüchen der sich aufgrund ihrer politischen Macht als stille Teilhaber ins equestrische Geschäft drängenden und in ihren kolonialen Ämtern auf Zeit von unersättlicher Habgier und mafiosem Pfründendenken erfüllten Mitgliedern des senatorisch-patrizischen Staatsapparats so gänzlich abgeht, lockt der neue Staat die Ritterschaft mit ungeheuren, aus der politisch-ökonomischen Generalvollmacht, die er ihr in Aussicht stellt, der finanziell-kommerziellen Prokura, die er für sie bereithält, quasi zwangsläufig folgenden Bereicherungschancen und lässt ihre Hinwendung und Desertion zu ihm und ihr Ausscheren aus der als Interessengemeinschaft charakterisierten Front der Nobilität unvermeidlich und zu einer bloßen Frage der Zeit und Gelegenheit werden.

Nicht, dass die Ritterschaft nicht auch schon mit der durch die plebiszitär-tribunizische Volksbewegung hervorgetriebenen neuen Staatsfunktion kokettiert und diese ihrerseits die Ritterschaft umwirbt, bevor an die Stelle des tribunizisch-dekretorischen Volksführers der konsularisch-imperatorische Heerführer tritt und so aus der konstitutionell sanktionierten bloßen Simulation einer alternativen Staatsgewalt die institutionelle Emulation der letzteren durch die traditionelle Exekutive wird. Schließlich besteht der aus Ressentiment und Entfremdung, kurz, aus Interessendivergenz gewirkte Riss, der die politisch als Optimatenpartei organisierte Nobilität durchzieht, bereits mindestens ebenso lange, wie die Bemühungen der als Popularen formierten Volksbewegung währen, den Staatsapparat aus einem Selbstbedienungsladen der Nobilität in einen Wohlfahrtsfonds zur Befriedigung subsistenzieller und sozialer Bedürfnisse der Plebs umzumünzen. Tatsächlich beweist schon in den Anfängen des tribunizischen Strebens nach einem Staatsstreich auf Verfassungsbasis der jüngere Gracchus allen erforderlichen Durchblick, was die brüchige Allianz zwischen Patriziat und Ritterschaft und die Chance betrifft, letztere für eine Neuordnung der politischen Machtverhältnisse zu gewinnen: Indem er durch Plebiszite der Ritterschaft das Steuerpachtmonopol über die Provinz Kleinasien verschafft und die Besetzung der als Kontrollinstanz für allzu korrupte patrizische Kolonialbeamte fungierenden Geschworenengerichte zuspricht, gibt er deutlich zu erkennen, wo er die als fünfte Kolonne im Kampf gegen das senatorisch-patrizische System rekrutierbaren Bundesgenossen wittert und welchen equestrischen Nerv er zum Klingen bringen muss, um die Steuerpächter, Finanziers, Unternehmer und Großkaufleute der Republik einen im konstitutioneller Kontinuität vollzogenen Umsturz geneigt zu stimmen. Aber auch wenn die Ritterschaft bereitwillig die plebiszitären Geschenke annimmt, die ihr das Tribunat macht, politisch auf die Seite der Volksbewegung ziehen lässt sie sich deshalb noch lange nicht. Allzu unsicher und wankelmütig erscheint ihr die Plebs, allzu unausgegoren und maßlos kommen ihr deren ökonomische und soziale Ansprüche vor, allzu wenig Vertrauen setzt sie in die personelle Standfestigkeit und institutionelle Kontinuität ihrer tribunizischen Führung, kurz, allzu sehr bedroht vom Schicksal revolutionären Ausufern oder haltloser Anarchie sieht sie das einen alternativen Staat bloß erst simulierende plebiszitär-tribunizische Regiment, als dass sie ernstlich auf dessen Karte zu setzen bereit wäre, statt an ihrem mittlerweile ungeliebten und lästigen, aber doch immerhin gewohnten und bei allen Beschwerlichkeiten, die mit ihm verknüpft sind, ihr jedenfalls nicht das Geschäft verderbenden Interessenverbund mit dem Patriziat festzuhalten.

Und hier bedeutet nun aber die Ersetzung der plebiszitär begründeten tribunizischen Führung durch das militärisch fundierte konsularische imperium und der darin implizierte zündende Kurzschluss zwischen Volksbewegung und staatlicher Exekutive eine entscheidende Veränderung der Situation. Indem sich vermittels Heeresreform an die Spitze der popularen Partei die traditionelle staatliche Exekutive, die konsularische Gewalt, höchstpersönlich setzt, verleiht letztere der ersteren Kreditwürdigkeit und wird zum quasi offiziellen Garanten dafür, dass die Volksbewegung ihr Reformprogramm tatsächlich auf die Forderung nach Teilhabe an den Früchten des auf kolonialistisch-sklavenwirtschaftlicher Basis betriebenen Bereicherungssystems der Nobilität beschränkt und eben deshalb an der Aufrechterhaltung des Systems kein geringeres Interesse hat als die Nobilität selbst und dass sie zudem in Gestalt der aus ihrer Klientel, der Plebs, ausgelesenen Söldnertruppen für ihre Teilhabe eine Leistung erbringt, die sich als wesentlicher Beitrag gleichermaßen zur externen Unterwerfung und Beherrschung des als politisch-militärischer Entfaltungsraum für das ökonomische Bereicherungssystem dienenden Imperiums und zur internen Disziplinierung und Kontrolle der durch das Bereicherungssystem produzierten mittel- und bindungslosen Unterschicht, sprich, der Plebs selbst, erweist. Angesichts dieses Zugleich von Chancen eröffnender Veränderung und Sicherheit gewährleistender Kontinuität, dieses Amalgams aus neuer, tribunizischer, das Patriziat entmachtender Staatsfunktion und alter, konsularischer, die traditionelle Ordnung verkörpernder Staatsgewalt gibt der Ritterstand seine letzten Widerstände und seine innerste Reserve gegen die Volksbewegung auf, ergreift die Gelegenheit, sich von der beschwerlichen politischen Vormundschaft des Patriziats zu emanzipieren und am Ende vom privatunternehmerischen Agenten, vom bloß ökonomischen Sachwalter der als Seniorpartnerin firmierenden senatorischen Führung des Imperiums, zum staatskapitalistischen Verweser, zum umfassend bürokratischen Intendanten eines als Vollmachtgeber figurierenden imperatorischen Führers aufzusteigen, und läuft in wachsender Zahl und mit zunehmender Unverhohlenheit zur Popularenpartei über. Damit aber erweitert sie den latenten Riss, der den Interessenverbund aus Patriziat und equestrischem Stand durchzieht, zur offenen Kluft und sprengt die Widerstandsfront, als die sich die Nobilität der plebiszitär-tribunizischen Bewegung bis dahin noch optisch präsentiert und im Notfall faktisch beweist.

Und nicht nur negativ und zum Nachteil des senatorisch-patrizischen Widerstands gegen die konsularisch-imperatorische Machtergreifung wirkt sich aus, dass die Ritter in hellen Scharen ins Lager der Popularen desertieren – der Frontenwechsel hat mehr noch diesen positiven und der militärischen Machtergreifung allererst ihre zivile Perspektive verleihenden Effekt, dass sich so zugleich der ganze ökonomische Sachverstand und die gesamte bürokratische Kompetenz der von der Nobilität beherrschten Republik der neuen, mit militärischer Unwiderstehlichkeit sich in Szene setzenden Staatsfunktion verschreibt und zur Verfügung stellt. In der Tat ist es der Zulauf der Ritter, durch den die in die Uniform des konsularischen Söldnerheeres gepresste und auf diese Weise ebenso sehr disziplinierte wie schlagkräftig gemachte, ebenso sehr instrumentalisierte wie institutionalisierte Volksbewegung jenes Maß an ziviler Herrschaftstechnik und ökonomisch-bürokratischem Know-how zugeführt bekommt, das sie über den ihr unter der neuen imperatorischen Führung nunmehr eigenen Charakter eines militärherrschaftlichen Gewaltmechanismus und abstrakten Unterwerfungsapparats hinaus zur erwaltungVerwaltung des Imperiums und Begründung eines neuen Staatswesens jenseits der durch das Zusammenspiel aus patrizischer Macht, oligarchischem Einfluß und plebiszitärer Intervention gewirkten Republik tauglich macht. Und in der Tat ist es der mit der massenhaften Desertion der Ritter besiegelte Verlust des Juniorpartners und die damit Hand in Hand gehende Einbuße an ökonomischem Verstand und bürokratischer Kompetenz, was den Widerstand des senatorischen Patriziats gegen die neue Form eines aufs Söldnerheer gestützten konsularisch-imperatorischen Regiments endgültig bricht und die bis dahin herrschende Schicht zwingt, ihre politische Macht und militärische Verfügung an das imperatorische Regiment abzutreten, um sich immerhin und zumindest fürs erste ihre ökonomische Stellung und ihren darauf fußenden sozialen Vorrang zu erhalten. Von ihren wirkmächtigen Kompagnons, den dienenden Geistern und tüchtigen Schaffnern des kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems, im Stich gelassen, gibt sich das senatorische Patriziat und seine politische Repräsentanz, die Optimatenpartei, der militärisch ohnehin bereits eindeutig überlegenen Popularenführung neuer Provenienz, der als Söldnerführer sich reetablierenden traditionellen Exekutive, geschlagen und räumt ihr nun auch politisch-bürokratisch das Feld: Indem sie ihr und der zu ihr desertierten Ritterschaft die Erhaltung und Verwaltung, die Pflege und Bewirtschaftung des Imperiums überlässt und dafür nichts weiter mehr verlangt als die Sicherung ihres Eigentums und die Garantie ihres gewohnten Anteils an den Früchten der imperialen Ausbeutung, besiegelt sie den Untergang der Republik und überlässt das Imperium der ihm nunmehr gemäßen, weil die Bereicherung der römischen Nobilität durch das kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungssystem mit der Versorgung der für die Aufrechterhaltung des Systems unentbehrlichen Plebs kraft Staatsmacht verknüpfenden imperatorischen Herrschaft.

Der Imperator erringt mit Hilfe der Volksbewegung die politische Macht über den Ausbeutungsapparat der Nobilität, von dem er aber zugleich zwecks Befriedigung seiner plebejischen Klientel ökonomisch abhängig bleibt. Dieser Zwieschlächtigkeit seiner Stellung sucht Augustus dadurch Rechnung zu tragen, dass er sich ideologisch als primus inter pares des Patriziats geriert und seine Verpflichtungen gegenüber dem Volk zu einer den traditionellen Rahmen patrizischer Herrschaft nicht sprengenden bloßen privaten Zusatzfunktion deklariert. Dass er diesen das imperatorische Amt auf die Sondervollmacht eines Prinzipats reduzierenden Balanceakt zwischen Plebs und Nobilität aufrecht erhalten kann, verdankt Augustus dem praktischen Erfolg seines Regiments.

Dabei zeigt sich die politische Konstitution dieser Herrschaft, eben ihr imperatorischer Charakter, nicht weniger durch den Modus ihrer Geltung gerechtfertigt als durch das Faktum ihrer Genese vorherbestimmt. Als aus der Tradition der tribunizischen Volksvertretung hervorgegangene ist diese Herrschaft Einmannherrschaft, der ebenso unartikulierte wie mächtige Wille der vielen, der gegenüber den ebenso dominierenden wie etablierten Interessen der Wenigen sich nur dann zum Tragen bringen und Gehör verschaffen kann, wenn er mit einer einzigen, in einer einzigen Person konzentrierten, mittels einer einzigen maskenhaften Physiognomie individualisierten Stimme spricht. Sie ist mit anderen Worten Konsequenz aus der durch die Geschichte des tribunizischen Amtes sattsam belegten Erfahrung, dass dieses Amt nur dann Maßgeblichkeit gewinnt, wenn einer unter den mehreren Amtsträgern sich als initiativer Volksführer in Szene setzt und Dominanz über seine Kollegen erringt und damit das der Einflussnahme und Sabotage der Nobilität Tür und Tor öffnende Kollegialitätsprinzip außer Kraft setzt. Gewicht und Durchsetzungskraft aber, kurz, Geltung, gewinnt die imperatorische Herrschaft einzig und allein durch ihr imperium, nur dadurch also, dass der tribunizische Volksführer sich in den konsularischen Heerführer verwandelt und aus den plebejischen Massen eine staatstragende militärische Macht, ein völkisches Söldnerheer rekrutiert. Der Heeresreform, die ebenso sehr als historischer, kontingenten Ereignissen geschuldeter Zufall wie als systematische, strukturellen Erfordernissen gemäße Notwendigkeit erscheint, und der mit ihr verfolgten und auch erreichten Neubegründung beziehungsweise Neubefestigung der Staatsfunktion verdankt die der senatorisch-patrizischen Republik den Garaus machende Einmannherrschaft des Imperators ihre Legitimation So gewiss die Herrschaft kraft feldherrschaftlichem imperium ihre Motivation, ihren genetischen Grund, in den Ansprüchen der plebejischen Bürger auf ökonomische Subsistenz und soziale Integration hat, so gewiss gewinnt sie ihre Legitimation, ihre systematische Geltung aus den staatserhaltenden Aktivitäten und systemaffirmierenden Leistungen, zu denen sie die plebejischen Bürger animiert und organisiert.

Und diese aus motivationaler Genese und Legitimationsgrund amalgamierte zwieschlächtige politische Konstitution der imperialen Einmannherrschaft, wie sie sich in der Koinzidenz von tribunizischem Volksführer und konsularischem Heerführer, von populistischer Initiative und staatlicher Exekutive, von Plebiszit und imperium Ausdruck verschafft – sie findet nun ihr genaues Spiegelbild und vielmehr reales Komplement in der ökonomischen Intention, deren Umsetzung der Träger des Heeresbefehls, der Imperator, dient. Zwar ist er erst einmal und vor allem an der Macht, um die auf ein existenzielles Bürgerrecht gegründeten Versorgungs- und Unterhaltungsansprüche seiner doppelten Klientel, des besoldeten Massenheeres, auf das er seine Herrschaft stützt, und der Plebs, aus der seine Truppen rekrutiert, zur Geltung zu bringen und zu befriedigen, aber da diese Versorgungs- und Unterhaltungsansprüche der plebejischen Masse wesentlich, wie gesehen, gleichbedeutend mit der Forderung nach Teilhabe an den Früchten des von der patrizisch-equestrischen Oberschicht, der Nobilität, etablierten kolonialistischen Ausplünderungs- und sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems sind, besteht seine Aufgabe ebenso wohl und zugleich darin, für die Entfaltung, Pflege und Sicherung jenes Ausplünderungs- und Ausbeutungssystems der Nobilität zu sorgen. Weil das bestehende politisch-ökonomische System, das die mittleren und unteren Schichten der römischen Bürgerschaft zugrunde richtet und zur Plebs deklassiert und nivelliert, im paradoxen Umschlag auch das Heilmittel ist, auf das die Plebs ihre subsistenziellen Ansprüche gründet und ihre sozialen Hoffnungen setzt, ist in entsprechender Paradoxie das gegen die politische Macht und konstitutive Gewalt der Eigner und Betreiber des Systems gerichtete Vorgehen der neuen imperatorischen Exekutive gepaart mit einer dem System selbst bewiesenen äußersten Fürsorglichkeit und einem dem Verlangen seiner Eigner und Betreiber nach ökonomischer Vollmacht und unternehmerisch freier Hand bezeigten rückhaltlosen Entgegenkommen. Wie im funktionellen Prinzip der kraft seines imperiums über das plebejische Söldnerheer zum Alleinherrscher, zum Imperator, avancierte konsularische Tribun oder tribunizische Konsul sich wesentlich dadurch für das neue Amt empfiehlt, dass er sich als fähig erweist, die von der Nobilität geschaffene Ökonomie kolonialistischer Ausplünderung und sklavenwirtschaftlicher Ausbeutung gegen alle äußeren Gefahren und inneren Unruhen, gegen Widerstand von innen und von außen, gegen Raubzüge und Sklavenaufstände zu schützen und aufrechtzuerhalten, so erweist er sich auch in struktureller Permanenz als Schutzherr, Nothelfer und Garant dieser Ökonomie, eben weil er sie braucht, um die subsistenziellen und sozialen Ansprüche seiner Klientel zu befriedigen und mit Hilfe der letzteren seine politisch-militärische Macht über erstere zu behaupten.

Es zeugt von Einsicht in diese Mischung aus politischer Dominanz und ökonomischer Abhängigkeit, aus militärischer Befehlsgewalt und systematischer Angewiesenheit, mit der die neue imperatorische Führung dem von der Nobilität geschaffenen und als quasi öffentlich-rechtliche Anstalt, als staatlicher Selbstbedienungsladen betriebenen Bereicherungsapparat gegenübersteht, dass der eigentliche institutionelle Begründer der neuen Herrschaft, Augustus, der das von ihrem eher akzidentiellen Stifter, Cäsar, fast wider Willen initiierte imperatorische Prinzip endgültig etabliert, weit entfernt davon, es an die große Glocke eines absoluten Bruchs mit dem alten Staatswesen und eines radikalen Neuanfangs zu hängen, vielmehr alles daransetzt, es wenn schon nicht politisch-praktisch, so jedenfalls doch ideologisch-publizistisch in den traditionellen Machtverhältnissen verankert erscheinen und quasi aus ihnen hervorgehen zu lassen. Mag der neue imperiale Herr der alten patrizischen Führungsschicht militärisch noch so überlegen sein und mag er ihr durch die Abwerbung ihres equestrischen Juniorpartners und Prokuristen ökonomisch noch so sehr den Schneid abgekauft und noch so deutlich gemacht haben, dass sie ihren privaten Besitzstand und ihre sozialen Privilegien nur retten kann, wenn sie in ihre politische Entmachtung einwilligt und sich inskünftig mit einem Rentiersdasein, mit dem Dasein des Privatiers begnügt, der die materiellen Früchte und sozialen Vergünstigungen genießt, die der Lohn für längst vergangene Verdienste sind – an der Erhaltung des politisch-ökonomischen Systems, in dem ihr privater Besitzstand gründet, ist er, der neue Herr, nicht weniger interessiert, als sie, die alte Führungsschicht, und eben deshalb ist er geneigt, allen Anschein großer politischer Umbrüche und sozialer Umwälzungen zu vermeiden und den Entmachteten statt dessen den Eindruck einer im Grunde alles beim alten belassenden und den Machtwechsel auf eine Modifikation des Status quo reduzierenden einfachen Erweiterung der Zuständigkeiten und Befugnisse des im übrigen in seinem patrizisch-senatorischen Kontext verhaltenen traditionellen konsularischen Amtes zu vermitteln.

Statt sich mithin als der Imperator aus der Retorte der plebejischen Streitmacht, als vom Volk auf den Schild gehobener tribunizischer Diktator aufzuspielen, geriert er sich als der Princeps aus den Reihen der patrizischen Herrschaft, als der vom senatorischen Kollegium mit Sondervollmacht ausgestattete konsularische Primus. Seine Sondervollmacht betrifft eben jene auf den subsistenziellen Unterhalt und die soziale Unterhaltung der Plebs im allgemeinen und die Veteranenversorgung im besonderen abgestellte neue Staatsfunktion, deren kraft des plebejischen Massenheeres und seiner Systemerhalterrolle unabweisbar werdende Wahrnehmung und Erfüllung den alten, von der Nobilität beherrschten Staatsapparat sprengt, indem sie den auf der Basis seines imperiums über das plebejische Massenheer agierenden konsularischen Feldherrn der Kontrolle durch das senatorische Patriziat praktisch entzieht und zum letztinstanzlichen Repräsentanten der durch ihre Systemerhalterrolle zum Populus Romanus geadelten Plebs und ihrer Ansprüche an das von der Nobilität geschaffene und nach wie vor in deren Händen befindliche beziehungsweise von ihr betriebene politisch-ökonomische System werden lässt. Weit entfernt aber, sich zu der ebenso diktatorischen Haltung wie konfrontativen Stellung offen zu bekennen, zu der ihn die Wahrnehmung der neuen Staatsfunktion gegenüber der Nobilität und ihrem harten Kern, der patrizisch-senatorischen Führungsschicht, praktisch-politisch nötigt, sucht er seine diktatorische Macht über die letztere, seine Einmannherrschaft, vielmehr ideologisch-publizistisch dadurch zu verbrämen oder überhaupt zu kaschieren, dass er sich persönlich als Angehöriger des Patriziats und dessen politischer Körperschaft, des Senats, begreift und die neue Staatsfunktion, die er als Alleinherrscher wahrnimmt, zu einer ihm als dem Primus inter pares von seinesgleichen verliehenen Sondervollmacht, das imperatorische Amt zu einer im als patrizischer Person und Mitglied des Senats zusätzlich übertragenen öffentlichen Aufgabe erklärt.

Und diese ideologische Verharmlosung der neuartig imperatorischen Funktion zu einer der altehrwürdig patrizischen Existenz bloß aufgebürdeten Zusatzbestimmung, einem ihr von der alten Führung quasi im Selbstentmächtigungsverfahren erteilten Sonderauftrag – sie findet nun ihren durchaus praktisch-bürokratischen Niederschlag in der etatistischen Verfassung, die das neue imperatorische Staatswesen sich gibt, in dem Haushalt, mit dem es wirtschaftet. Unterschieden wird nämlich im Blick auf das Staatsvermögen, die Mittel, die dem imperatorischen Regime zur Verfügung stehen, zwischen drei Etats oder Staatsschätzen: dem Patrimonium, dem Aerarium und dem Fiskus. Stellt ersteres das Vermögen dar, das dem Imperator als Patrizier, als einem Pater familias in der mit territorialherrschaftlichem Reichtum gesegneten und durch Pietas ausgezeichneten Oberschicht des Gemeinwesens kurz, ihm als angesehenem Privatmann, eignet, so bleibt das zweite, das traditionell von der patrizisch-senatorischen Führungsschicht körperschaftlich akkumulierte und verwaltete Ärarium, offiziell das Vermögen des Staatswesens als solchen, der Schatz in öffentlicher Hand. Seiner formellen Aufrechterhaltung ungeachtet, wird tatsächlich aber und materiell das Ärarium in seiner Funktion als Staatskasse, als Mittelfundus für die öffentlichen Aufgaben und Ausgaben, verdrängt durch den qua Fiskus neugeschaffenen dritten Schatz, der dem Imperator in seiner Eigenschaft als Imperator zusteht und über den also der Primus anders als seine körperschaftlichen Pares, der Princeps im Unterschied zu seinen patrizischen Konsorten kraft der ihm übertragenen militärisch-politischen Sondervollmacht verfügt. Weil die neue, als imperiale Alleinherrschaft etablierte Staatsfunktion, die der Imperator ausübt, sein par excellence öffentliches Amt, ideologisch zu seiner Privatsache, seiner persönlichen Obliegenheit heruntergespielt wird, die er im Rahmen seiner patrizischen Existenz und zusätzlich zu deren traditionellen Verpflichtungen und Verrichtungen, quasi privatissime und im Nebenhinein, wahrnimmt, erscheinen auch die Mittel, die ihm dafür aus dem Steueraufkommen des Imperiums zur Verfügung stehen, die Beuteanteile aus dem kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausplünderungssystem, auf die er zum Betrieb seines privatisierten Staatsunternehmens, zur Besorgung seines ideologisch allen Anscheins einer diktatorischen Staatsfunktion entkleideten und zur ehrenamtlichen Sondermission euphemisierten Regierungsgeschäfts Anspruch hat, als imperatorische Privatschatulle, die zur senatorischen Staatskasse, dem Ärar, bloß als Sonderposten und Zusatzhaushalt, quasi als eine Art von Reptilienfonds, hinzukommen, obwohl sie doch in Wahrheit, will heißen, in der einfachen Konsequenz der mit dem imperatorischen Amt einhergehenden militärischen und bürokratischen Aufwendungen sowie der von ihm verlangten sozialpolitischen und wohlfahrtsstaatlichen Umverteilungsmaßnahmen gar nicht umhin können, diesen traditionellen Staatsschatz systematisch zu ersetzen oder jedenfalls zur praktischen Bedeutungslosigkeit zu verurteilen.

Und um die Suggestion komplett zu machen, dass es sich bei der Etablierung der Republik als Imperium, bei der Instauration des Imperators, um eine simple Funktions- und Kompetenzerweiterung, um die der privaten Initiative und persönlichen Tüchtigkeit der konsularischen Exekutive geschuldete Sonderbevollmächtigung und Sonderausstattung eines originär patrizischen Amtes, handelt, um also jeden Anschein eines damit vollzogenen System- oder Paradigmenwechsels zu zerstreuen, tut Augustus ein übriges und organisiert auch die Mittelbeschaffung, die Einteilung und Ausbeutung der für die jeweiligen Kassen, für Ärar und Fiskus, senatorischen Staatsschatz und imperatorische Privatschatulle, zur Verfügung stehenden Steuerregionen und Kolonialgebiete nach dem gleichen Schema einer Kombination aus Grundstruktur und Zusatzfunktion, aus traditionellem Normalverhältnis und exzeptionellem Ausnahmezustand, indem er zwischen senatorischen und imperatorischen Provinzen unterscheidet und die im Inneren des Reiches gelegenen und entsprechend geschützten und befriedeten altgedienten Kolonialgebiete unter der Verwaltung des Senats belässt, die äußeren, neu hinzugekommenen und durch ihre Grenzlage exponierten und bedrohten Gebiete hingegen seiner persönlichen Herrschaft und Steuerhoheit unterstellt. So sehr diese Aufteilung des Reiches militärstrategisch-verwaltungstechnisch den Imperator als den mit imperium versehenen Heerführer reaffirmiert, der seine politische Herrschaft zu dem einen und einzigen Zweck antritt, dem ökonomischen Plünderungs- und Ausbeutungssystem der Nobilität als militärischer Nothelfer zur Seite zu stehen und es gegen Angriffe und Auflösungstendenzen zu verteidigen, und so sehr sie in finanzpolitisch-fiskalischer Hinsicht eine Formalie bleibt beziehungsweise in zunehmendem Maße wird, weil auch die vom Senat eingesetzte Verwaltung dem Imperator rechenschaftspflichtig und gar nicht in der Lage ist, sich seinen Forderungen und Verfügungen zu widersetzen, ideologisch-publizistisch dient sie zugleich dem Zweck, das imperatorische Amt als eine den Rahmen der patrizisch-senatorischen Verfassung durchaus nicht überschreitenden und vielmehr deren öffentliche Geltung nur um ein Moment von privater Initiative und Tatkraft ergänzenden Einrichtung erscheinen zu lassen und also den Eindruck zu erwecken, als sei der Imperator nichts weiter als ein aus den Reihen des Patriziats hervorgegangener und in der Tat von diesem selbst auf den Schild gehobener Primus mit dem Auftrag, auf der Basis von Ausnahmekompetenzen und Sondermitteln quasi privatim die militärischen Gefahren zu bannen und sozialen Probleme zu lösen, deren das traditionelle Staatswesen, die von der Nobilität verwaltete Res publica, wegen allzu großer Verquickung von öffentlichem Amt und privatem Geschäft nicht mehr Herr zu werden vermag.

Mit dieser ideologischen Methode, das in Gestalt des Imperators aufgebotene Korrektiv für die das römische Gemeinwesen gefährdenden privativen, den Staatsapparat zum Selbstbedienungsladen degradierenden Unternehmungen der Nobilität als eine den Reihen der Nobilität selbst entspringende. rein private Initiative erscheinen zu lassen und so die Suggestion eines in der Tradition der senatorisch-patrizischen Verfassung sich haltenden und sie nur notstandshalber modifizierenden originär konsularischen Regiments zu erzeugen, schafft es Augustus nicht nur, den Patriziern ihre mit dem Abfall der Ritterschaft besiegelte politische Entmachtung zu versüßen und als ein angesichts der Kontinuität ihrer ökonomischen Stellung, die ihnen fürs erste zumindest garantiert ist, annehmbares Faktum vorzustellen, kurz, das Patriziat zum einverständigen Stillhalten, wo nicht gar zur aktiven Kooperation zu veranlassen – es gelingt dem als Princeps getarnten Imperator damit auch und vor allem, Distanz zu seiner eigenen Klientel, der Plebs, zu wahren und sich dieser gegenüber in der Stellung einer von allem bloßen Funktionärstum und aller Weisungsgebundenheit weit entfernten Souveränität zu behaupten. Indem er – nach ideologisch-publizistischer Lesart zumindest – in erster Linie Patrizier und in dieser Eigenschaft dann zweitens und quasi im Sinne einer Zusatzbestimmung oder Funktionserweiterung der mit der Verteidigung des Reiches und mit der subsistenziellen Befriedigung beziehungsweise sozialen Integration der Massen als mit seiner Sonderaufgabe, seiner Privatmission betraute Princeps ist, vermeidet es der Imperator, sich seiner tatsächlichen Auftraggeberin und Ermächtigerin, der ihm das Söldnerheer zur Verfügung stellenden Plebs, mit Haut und Haar auszuliefern, sich zur tatsächlichen Grundlage seiner Macht, der auf Teilhabe an den Früchten des kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems dringenden Volksbewegung, rückhaltlos zu bekennen, und lässt er die konsularisch-tribunizische Führerrolle, die andernfalls nichts weiter als eine von der Volksbewegung dank der militärischen Gunst der Stunde ins Leben gerufene abhängige Funktion, ein zur Durchsetzung ihrer ökonomischen und sozialen Forderungen kreiertes dienendes Instrument wäre, vielmehr in der Eigenständigkeit und Freiwilligkeit einer aus der sozialen Substanz der ständischen Persönlichkeit heraus übernommenen Amtsgewalt, einer kraft patrizischen Verantwortungsgefühls eingegangenen Selbstverpflichtung erscheinen.

Nicht, dass diese patrizisch-ständische Selbstmotivation, auf die der augusteische Imperator ideologisch pocht, und die entsprechende Reserve, mit der er dem Anspruch der Volksbewegung, ihn als ihre Kreatur, ihre Marionette zu vereinnahmen und zu begründen, begegnen kann, im Prinzip viel veränderten und seinen politischen Entscheidungsrahmen beziehungsweise seine strategischen Wahlmöglichkeiten sonderlich erweiterten! An seiner fundamentalen Aufgabe, mit Hilfe der internen Leidtragenden des kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems letzteres militärisch zu stärken und zu sichern, ändert sich dadurch ebenso wenig, wie er unfehlbar gehalten bleibt, erstere für ihre staatserhaltende Tätigkeit zu belohnen und also dafür zu sorgen, dass die Früchte des mit ihrer Hilfe untermauerten und aufrechterhaltenen Systems auch ihnen zugute kommen und ihre ökonomische Not und soziale Trübsal lindern beziehungsweise in ein auskömmliches Leben und in gesellige Veranstaltungen, ins tägliche Brot und in periodische Unterhaltung, verkehren. Zu eng sind die beiden entscheidenden Obliegenheiten des Imperators, sein Amt als politisch-militärischer Systemerhalter und seine Aufgabe als ökonomisch-sozialer Umverteiler, miteinander verzahnt, zu sehr sind sie durch die Tatsache, dass der Adressat der Umverteilung gleichzeitig auch das Instrument zur Systemerhaltung, dass das durch die imperatorische Aktion begünstigte Corpus gleichzeitig auch das sie ausführende Organ ist, in ein unauflösbares Wechselwirkungsverhältnis gebannt, als dass dem in diesen beiden Obliegenheiten sich umtreibenden Amtswalter im programmatischen Grundsatz oder in der strategischen Generallinie nennenswerte Handlungsfreiheit bliebe. In der praktischen Gestaltung der feststehenden politischen Vorgaben und in der technischen Ausführung des definierten strategischen Programms allerdings verschafft ihm die Distanz, die er durch Insistieren auf der patrizischen Fundiertheit und personalen Verfasstheit des imperatorischen Amtes gegenüber den eigentlichen Betreibern und tatsächlichen Stiftern der imperatorischen Staatsfunktion, sprich, gegenüber den plebejischen Massen, wahrt, doch immerhin einigen Bewegungsspielraum. Wie der konkrete und alltägliche Umgang aussieht, den er mit den equestrischen und patrizischen Vertretern des kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Systems pflegt, auf welchen Wegen und mit welchen Methoden er die für die Verwaltung des Imperiums und die Einlösung seiner imperatorischen Verpflichtungen gegenüber Söldnerheer und Volksmasse erforderlichen Finanzmittel beschafft und welchen Verwendungszwecken und in welcher Höhe er diese Finanzmittel im einzelnen zuführt, bleibt dank der Souveränität, die er sich durch seine ideologische Selbststilisierung als Princeps, als Primus inter pares des Patriziats und sonderbevollmächtigter Wohltäter der als populus ins römische Gemeinwesen redintegrierten Plebs, sichert, seinem Gutdünken beziehungsweise seinem besseren Wissen überlassen.

Und begünstigt durch die einschüchternde Neuartigkeit und unverbrauchte Autorität des imperatorischen Amtes, durch den gewaltigen Reichtum, den die den imperatorischen Söldnerheeren geschuldete Woge von Neueroberungen und Annexionen in Kleinasien, Syrien, Ägypten, Gallien, Britannien nach Rom spült, durch das Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung, das ein gutes Jahrhundert äußere Bedrohung und soziale Unruhe, Krieg und Bürgerkrieg bei der römisch-italischen Bevölkerung hat entstehen lassen, und nicht zuletzt durch die politische Kontinuität, die seine lange Regierungszeit gewährleistet, schafft es Augustus in der Tat, einer gut vierzig Jahre währenden und noch über seinen Tod hinaus anhaltenden Ära quasi seinen persönlichen Stempel aufzudrücken und durch die Verwandlung Roms in ein ökonomisches Eldorado, ins Finanz- und Handelszentrum des mittlerweile gigantischen Reichsgebiets, durch die regelmäßige Versorgung der Armenbevölkerung der Stadt mit Lebensmitteln und geselligen Veranstaltungen, durch die Umgestaltung der Stadt in ein ästhetisches Großprojekt, ein Zentrum der Künste und der architektonischen Erneuerung, schließlich durch Reformen in Verwaltung und Rechtswesen und die Erzwingung eines als Pax Romana gefeierten allgemeinen Landfriedens auf italischem Boden den gleichen Eindruck eines Goldenen Zeitalters zu erzeugen, den viereinhalb Jahrhunderte zuvor die Perikleische Herrschaft in Athen vermittelte. Die Parallele kommt nicht von ungefähr, ist keine bloß der Rede vom Goldenen Zeitalter entsprungene zufällige Assoziation. Wie die Perikleische Ära verdankt sich auch die Augusteische einem ebenso nachdrücklichen wie plötzlichen Systemwechsel und dem materiellen Überfluss, der aus ihm resultiert, beziehungsweise den neuen Bereicherungs- und Umverteilungschancen, die dieser Überfluss eröffnet. Besteht im Athen der Perikleischen Zeit der Systemwechsel darin, dass sich die Handelsrepublik mit der Militärkraft der ökonomischen und sozialen Leidtragenden ihrer kommerziellen Karriere in eine Hegemonialmacht verwandelt, die unter dem Deckmantel von Bündniszahlungen ihresgleichen, nämlich das Netz der ägäischen Handelsstädte, zu schröpfen und auszuplündern beginnt, um mit den auf diese Weise gewonnenen Finanzmitteln jene Leidtragenden der kommerziellen Karriere der Stadt zu entschädigen oder zu besänftigen beziehungsweise die Stadt selbst in eine Stätte des Schönerwohnens und der geselligen Unterhaltung umzugestalten und damit der Sozialkonflikte im eigenen Haus Herr zu werden, so läuft im Rom der Augusteischen Ära der Systemwechsel auf eine Überführung der senatorischen Republik in eine imperatorische Diktatur hinaus, die mittels der Militärkraft der als bürgerschaftlicher Bodensatz, als Plebs, sich sammelnden Leidtragenden des von der Republik geschaffenen kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems letzteres zu quantitativ und qualitativ neuen Dimensionen entfaltet, um mit den dadurch erbeuteten zusätzlichen Finanzmitteln jene Leidtragenden der kolonialherrschaftlichen Karriere der Stadt ihrer ökonomischen Not und ihrem sozialen Elend zu entreißen beziehungsweise die Stadt selbst in ein Luxusdomizil und Vergnügungsetablissement zu verwandeln und so das als Sozialfrieden erscheinende versöhnliche Klima zu schaffen, das entsteht, wenn keine der am Beutezug des Gemeinwesens beteiligten Gruppen leer ausgeht.

Und wie sich die beiden als Systemwechsel erkennbaren Vorgehensweisen der Perikleischen und der Augusteischen Ära in ihrer Grundkonstellation und ihrer zentralen Perspektive ähneln, so stimmen beide auch darin überein, dass sie sich letztlich als unhaltbar erweisen, dass sie unabwendbar zum Scheitern verurteilt sind. Die Gründe für das Scheitern allerdings sind in beiden Fällen ganz verschieden, und entsprechend unterschiedlich sind auch die Verlaufsformen, in denen das Scheitern Wirklichkeit wird. Das Scheitern des Perikleischen Goldenden Zeitalters hat externe oder, wenn man so will, objektive Ursachen und vollzieht sich relativ rasch: Diejenigen, zu deren Lasten der auf ein Sanierungsprogramm für die Stadt Athen hinauslaufende Systemwechsel geht, die anderen ägäischen Handelsstädte, die sogenannten Bundesgenossen, nehmen die ihnen oktroyierte Rolle der Milchkuh, der das athenische Sanierungsprogramm finanzierenden tributpflichtigen Untergebenen, nicht hin und bereiten im Peloponnesischen Krieg im Verein mit der als vexierbildliches Gegenstück zur Handelsrepublik Athen sich behauptenden Territorialmacht Sparta der Hegemonialmacht Athen und dem mit ihr Gestalt gewordenen Perikleischen Experiment einer volksherrschaftlichen Ausbeutung der Handelsfunktion ein Ende. Diese Gefahr eines vom Objekt des Systemwechsels her, das heißt, von Seiten derer, die unterworfen und ausgebeutet werden, die das ganze System tragen müssen, drohenden Widerstands und Aufbegehrens – diese Gefahr läuft das Augusteische Goldene Zeitalter nicht. Schließlich sind hier die objektiven Träger des Systems, sind die von der neuen imperatorischen Herrschaft Ausgebeuteten ein und dieselben, auf deren Ausbeutung auch schon das alte, durch die Republik eingerichtete kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche System aufbaute; anders als die ägäischen Handelsstädte die Umrüstung Athens zur Hegemonialmacht erfahren deshalb die objektiven Opfer der römischen Expansion, die Kolonien und tributpflichtigen Gebiete, den römischen Systemwechsel von der senatorischen Republik zur imperatorischen Diktatur nicht als den Eintritt einer Situation neuartiger Belastung und ungewohnter Knechtschaft, sondern als einfachen Ausweis von Kontinuität, als schiere Bekräftigung gewohnter Verhältnisse, und haben ebenso viel Grund und Motivation und ebenso wenig Macht und Gelegenheit wie vorher, sich gegen diese im Wechsel implizierte Aufrechterhaltung des Status quo zur Wehr zu setzen.

Tatsächlich scheint hier die Rede von einem Systemwechsel auch gar nicht recht am Platze und erschiene angemessener, von einem bloßen Subjektwechsel zu sprechen: Nicht die Art und Weise der Mittelbeschaffung ändert sich – das tradierte kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungssystem der römischen Nobilität bleibt ja unverändert in Kraft, so sehr es auch kraft der gewandelten Staatsfunktion quantitativ und qualitativ neue Dimensionen erreicht; was vielmehr nur wechselt, ist das Subjekt, das die Mittelbeschaffung betreibt und als ihr Nutznießer firmiert, ist der reale Akteur und soziale Adressat, der das kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungssystem in Gang hält und dem es dient. Dank des geschilderten Paktes zwischen Volksbewegung und staatlicher Exekutive, zwischen der plebejischen Masse, die als staatstragende und systemerhaltene Macht, als militärisches Potential, gebraucht wird, und der konsularischen Gewalt, die es mittels dieses von ihr aktualisierten militärischen Potentials zu imperatorischer Vollmacht bringt, avanciert die nunmehr als Populus figurierende Plebs zum neuen A und O oder Subjekt-Objekt des römischen Staatswesens und löst die Nobilität, die Initiatorin und Konstrukteurin des Reichtumsbeschaffungssystems, dessen Garantie jetzt die Plebs, übernimmt, in der Rolle der gleichermaßen die ökonomische Verfügung habenden und die politische Macht übenden Souveräns und Staatssubjekts ab.

Aber vielmehr wird nach der ideologischen Interpretation, die Augustus dem Staatsamt gibt, das er im Namen des neuen alleinigen Souveräns, des römischen Populus, bekleidet, die Ablösung, der Subjektwechsel, nur im Prinzip oder in abstracto, sprich, in der Tatsache und Person des Imperators selbst, nicht hingegen im Effekt und in concreto, nämlich in der Zuordnung und Funktion des imperatorischen Amtes, vollzogen – und genau hierin liegt, wie das Geheimnis des Erfolgs der augusteischen Regierungszeit, ihres Avancements zur Goldenen Ära, so auch das latente Problem, der Keim für das schließliche Scheitern des augusteischen Staatsmodells. Indem Augustus zwar mittels plebejischem Massenheer die imperatorisch-tribunizische Macht über das senatorisch-patrizische Ausbeutungssystem erringt, dann aber vermeidet, aus dem darin implizierte Wechsel des politisch handelnden Subjekts die praktische Konsequenz zu ziehen, und, statt sich fortan als mit imperium ausgestatteter Volksführer, als Vollzugsorgan und Funktionär des neuen Souveräns, des römischen Populus, einzubekennen, vielmehr ideologisch die Seite wechselt und sich als Repräsentant des seantorisch-patrizischen Systems, als Sonderbevollmächtigter der alten, in ihm sich fortzusetzen behauptenden republikanischen Staatsmacht geriert, gelingt es ihm, die Mobilisierung neuer Kräfte zur Entfaltung und Erhaltung des Systems mit der von letzterem selbst ausgehenden Forderung nach größtmöglicher Kontinuität und geringstmöglicher Störung der systemspezifischen Funktionsmechanismen und systemeigenen Wirkprozesse durch die ins Spiel gebrachten neuen Kräfte zu verknüpfen und damit in der Tat die bestmöglichen Voraussetzungen für eine gedeihliche Kombination aus neuer Kraft und alter Struktur, für ein fruchtbares Zusammenwirken zwischen plebejisch anderem Subjekt und identisch patrizischem System, kurz, die Basis für jene Zeit relativen politischen Friedens und ökonomischen Überflusses zu schaffen, die aus späterer Sicht die augusteische Herrschaft im Glanz einer Goldenen Ära erstrahlen lässt. Während einerseits der Imperator Augustus das plebejische Potential zur militärischen Ertüchtigung des Imperiums nutzt und durch die Gründung seiner Macht auf besoldete Massenheere den Wechsel des Staatssubjekts, den Übergang vom senatorischen zum völkischen Souverän, praktisch vollzieht, vermeidet er andererseits aber das Schicksal des Zauberlehrlings, zum Spielball und zur Marionette der von ihm beschworenen Kräfte zu werden, dadurch, dass er in actu der Machtergreifung ideologisch gegensteuert, sich als Volksführer dementiert und sich statt dessen zum Princeps, zum sonderbevollmächtigten Repräsentanten des Patriziats, erklärt: Kraft dieses deklarativen politischen Salto und ostentativen ideologischen Frontwechsels vom Populus zurück zum Senatus verweist er den von ihm auf den Plan gerufenen und ins Feld geführten neuen plebejischen Souverän ins Inkognito einer bloß als Objekt herrscherlicher Zuwendung und Fürsorge manifest werdenden latenten Macht oder, besser gesagt, bannt ihn in die Anonymität einer ihrer selbst nicht bewussten und erst in der Reflexion des Imperators einen Selbstbezug und Subjektcharakter gewinnenden inerten Substanz und verwandelt sich, den Princeps, aus einem Funktionär des Volkswillens und tribunizischen Parteiführer in den Gestalt gewordenen allgemeinen Willen, den Staatsmann par excellence, aus einem unter dem Diktat seiner plebejischen Klientel agierenden popularistischen Machthaber in den aus den freien Stücken seiner patrizischen Herkunft handelnden Wohltäter der Massen.

Dabei ist die formale Bedingung der Möglichkeit für diesen ideologischen Salto, dieses den Subjekt- und Souveränitätswechsel von der senatorischen Nobilität zum konsularischen Populus unterlaufende Bäumchen-wechsel-dich, das der vom Söldnerführer zum Princeps mutierende Imperator veranstaltet, das Auseinanderfallen der personell-intentionalen und der funktionell-instrumentalen Seite des neuen Subjekts, der Umstand also, dass der neue Souverän nicht in seiner natürlichen Gestalt als soziale Klasse, sondern in der artifiziellen Fassung als militärisch organisierter Verband aktiv wird, kurz, die Tatsache, dass der konsularisch-tribunizische Feldherr die imperatorische Macht ja nicht unmittelbar kraft der Plebs als solcher, sondern mittels des aus ihr rekrutierten Söldnerheers erringt. Die institutionelle Trennung zwischen Organ und Funktion, Subjekt und Werkzeug ist es, was dem Imperator erlaubt, von der tatsächlichen sozialen Identität und systematischen Zusammengehörigkeit beider abzusehen, über die Funktion scheinbar nach Gutdünken zu verfügen, das Werkzeug quasi nach freiem Ermessen zu handhaben und sich nach vollbrachtem militärischem Werk dem urheberschaftlichen Organ der Funktion und eignerschaftlichen Subjekt des Werkzeugs nicht etwa als in seinem Auftrage tätiger Funktionär, als in seinen Diensten stehender Werkmeister, sondern als aus innerer Berufung handelnder Patron, als ausschließlich von staatsmännischem Geiste und Liebe zum Volk getriebener Autokrat zu präsentieren.

Dennoch bleibt natürlich dieses Bäumchen-wechsel-dich des Imperators, diese seine coram populo inszenierte Wandlung vom konsularischen Tribun zum patrizischen Princeps, vom durch den Volkswillen gekürten Führer der popularen Bewegung zum selbsternannten Gönner des Populus unter den zu Anfang des nachrepublikanischen Imperiums gegebenen Umständen der offenbaren sozialen Identität und systematischen Kontinuität zwischen Volksmasse und Massenheer, Plebs und Legio, ein ideologischer Trick, ein Etikettenschwindel, der nur überhaupt funktionieren kann, solange der Imperator seine ideologisch behauptete Unabhängigkeit und Eigenmacht praktisch Lügen straft und nämlich zuverlässig seine als paternalistische Zuwendungen kaschierten Tributleistungen ans Volk entrichtet, brav unter der Maske des Wohltäters und karitativen Volksfreunds seinen gegenüber Plebs und Heer übernommenen Versorgungs- und Unterhaltungspflichten nachkommt. Solange er diese materiellen und sozialen Verpflichtungen gegenüber Volk und Heer erfüllt und solange die qua Prinzipat inszenierte Form persönlicher Unabhängigkeit und patriarchaler Eigenmacht, in der er das tut, dank der Kontinuität, die sie dem von der Nobilität betriebenen kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystem sichert und dank des politischen Bewegungsspielraums, den sie ihm selbst verschafft, dafür sorgt, dass er diese seine Pflichten ausnehmend erfolgreich und auf eine dem Gemeinwesen besonders zuträgliche Weise erfüllen kann, mag seine Klientel, die plebejische Masse, durchaus bereit sein, den Etikettenschwindel zu tolerieren und ihrem tribunizisch-konsularischen Führer seine ideologische Eskapade, seine patrizische Selbstherrlichkeit und Verleugnung der in Wahrheit von ihm übernommenen popularen Funktionärsrolle zu konzedieren – wie ja auch geschieht und wie der augusteische Prinzipat mit seiner allen imperialen Militäraktionen zum Trotz der Nachwelt als goldene Friedenszeit im Gedächtnis gebliebenen Pax Romana beweist.

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