Einleitung: Kunst und Religion

Der Gegensatz zwischen schön und nützlich, Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand ist ein spezifisch bürgerliches Verhältnis. Traditionell, in vorbürgerlicher Zeit, ist das Schöne integrierender Bestandteil eines als religiös bestimmten Kontextes, der sich als ebenso nützlich und praktisch behauptet wie das gesellschaftliche Alltagsleben und dessen Objekte nicht weniger Gebrauchsgegenstände sind als die des letzteren. Der Unterschied ist hier nur, dass die religiösen Gebrauchsgegenstände einen radikalen Subjektwechsel implizieren, der den Tatbestand des Fetischismus erfüllt und nämlich Resultat einer Verleugnung des menschlichen Ursprungs jener Gegenstände und ihrer Übereignung an eine als toto coelo anderes Subjekt begriffene nichtmenschliche Macht ist. In Erscheinung tritt diese religionsstiftende Macht da, wo die gesellschaftliche Reproduktion aufgrund ihrer Produktivität von der subsistenziellen Versorgung in die Schöpfung von Reichtum überwechselt.

Zu den zentralen Entdeckungen und Entwicklungen des bürgerlichen Zeitalters, der bis in unsere Gegenwart, die Moderne, andauernden historischen Neuzeit, zählt die Ästhetik – Ästhetik nicht bloß als Erkenntnisdisziplin, als theoretische Lehre vom Schönen, sondern auch und vor allem als Lebensform, als im Schönen sein Objekt findendes praktisches Verhalten.

Nicht dass das praktische Verhalten zum Schönen ein Privileg des bürgerlichen Zeitalters wäre! Wenn überhaupt, dann lässt sich das aus Gründen, über die noch zu sprechen sein wird, höchstens für die theoretische Lehre vom Schönen, Ästhetik als Erkenntnisdisziplin, geltend machen. Als praktisches Verhalten zum Schönen ist Ästhetik so alt wie die Menschheit selbst. Der Grund hierfür ist einfach genug: Er besteht in der Tatsache, dass das Schöne von Natur aus Menschenwerk, Kunst ist, dass es je schon erklärter Zweck oder unwillkürliches Ergebnis, spontanes Moment oder fester Bestandteil menschlicher Naturbearbeitung ist. Was für die körperlich-sinnliche Befriedigung des Menschen ganz allgemein gilt, dass er selbst seine Befriedigungsmittel erst schaffen, durch Arbeit hervorbringen muss, um sie genießen zu können, dass er sich der Natur einbilden muss, um sie sich einverleiben zu können, das hat auch im besonderen Fall des Sinnes fürs Schöne Geltung: Unbeschadet der späten und spezifisch bürgerlichen Entdeckung des Naturschönen wird das körperlich-sinnliche Wohlgefallen des Menschen, das Kant mit dem Begriff ästhetisch assoziiert, ausschließlich durch Dinge erregt, die er oder seinesgleichen zuvor ins Leben gerufen und zur Erscheinung gebracht haben.

Was das von Haus der Menschwerdung durch Arbeit aus wesentlich als nicht natürlich, sondern künstlich, als Kunstwerk, bestimmte Schöne von anderen Arbeitsprodukten, den Erzeugnissen anderer menschlicher Kunstfertigkeit, unterscheidet, scheint dabei – nach den unzähligen Ästhetiken zu urteilen, die in den letzten Jahrhunderten geschrieben wurden! – ebenso schwer zu ermitteln, wie es Mühe bereitet, die spezifische Differenz zwischen dem Sinn fürs Schöne und seiner Befriedigungsform und den anderen Modalitäten der Sinnlichkeit und ihren Befriedigungsweisen anzugeben.

So leicht uns indes die in solcher Problematisierung implizierte topisch-strukturelle Einteilung teils objektiv in Schönes und Nützliches, Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand, Kunst und Leben, teils subjektiv in Sinn und Sinnlichkeit, Wohlgefallen und Genuss, Ästhetik und Hedonik von den Lippen gehen will und so rasch wir bereit sein mögen, uns auf die damit gemachte quasi ontologische Voraussetzung zweier, durch die Eigenschaft ,,schön" unterschiedener Objektklassen und zweier, diesen Objektklassen jeweils zugeordneter Erfahrungsweisen einzulassen, wir vergessen dabei, dass jene Voraussetzung oder Sichtweise keineswegs zeitlose Geltung beanspruchen kann, sondern vielmehr – wie die erwähnten Ästhetiken bezeugen! – historisch eng begrenzt und nämlich im Wesentlichen auf das neuzeitlich-bürgerliche Zeitalter beschränkt ist und deshalb ihrerseits hinterfragt und auf den Prüfstand ihrer historischen Entstehungsbedingungen gestellt zu werden verlangt – ein Erfordernis, dem wir im Zuge unserer Überlegungen zu gegebener Zeit werden nachkommen müssen.

Erst einmal aber wollen wir uns der Tatsache stellen, dass, sobald wir hinter die wenigen bürgerlichen Jahrhunderte, die der Welt bislang beschieden waren, zurückgehen und uns in den Weiten der menschlichen Geschichte umschauen, jene Unterscheidung zwischen schön und nützlich beziehungsweise zwischen ästhetischer Haltung und sinnlichem Verhalten jeden Sinn verliert, weil es dort, in den früheren Zeitaltern der Menschheit, gar nichts spezifisch oder explizit Schönes gibt und dementsprechend auch eine spezifisch oder explizit ästhetische Einstellung überhaupt nicht vorkommt. Besser gesagt, gibt es natürlich schöne, von den Gebrauchsgegenständen des Lebens unterschiedene Dinge und gibt es ein diesen Dingen geltendes Verhalten, das sich vom Utilitarismus des Alltags abhebt, aber diese schönen Dinge sind eingebunden in und präokkupiert durch einen praktischen Zusammenhang, der nicht weniger Gebrauchscharakter beweist und Nützlichkeit beansprucht als die alltägliche Objektivität, und die ästhetische Haltung ist dem gemäß hier – wie man will – verschwindendes Moment oder integrierender Bestandteil eines gesellschaftlichen Beginnens, das für nicht weniger praktisch und lebenserhaltend gilt als jedes nur denkbare utilitaristisch-sinnliche Verhalten.

Weit entfernt davon also, dass in vorbürgerlichen Zeiten der von den bürgerlichen Ästhetiken durchweg konstruierte topisch-strukturelle, quasi ontologische Gegensatz objektiv zwischen schön und nützlich, Kunstwerk und Gebrauchsding, und subjektiv zwischen ästhetisch und sinnlich, Wohlgefallen und Lust, Geltung beanspruchen könnte, herrscht dort vielmehr ausschließlich der dynamisch-funktionelle, quasi teleologische Unterschied zweier gleichermaßen als praktisch und nützlich, zielgerichtet und zweckbestimmt erscheinender Seins- und Sichtweisen, von denen die eine das, was wir als schöne Gegenständlichkeit beziehungsweise als ästhetische Haltung klassifizieren, zwar in der Tat einschließt und beweist, aber eben nur in der Tat, nur in actu ihrer praktischen Zwecksetzung, nur als Aspekt also eines Handlungszusammenhanges, eines intentionalen Prozesses, der, wie gesagt, auf seine Weise nicht weniger zielgerichtet und zweckbestimmt ist, nicht weniger darauf aus ist, etwas Lebensdienliches zu erreichen, etwas im Dasein auszurichten, kurz, einen Nutzen zu erzielen, als jede alltägliche Verrichtung oder Haltung, jedes andere produktive oder konsumtive menschliche Tun. Das objektiv Schöne und die ästhetische Sicht sind hier, in vorbürgerlichen Zeiten, nichts als ein unwillkürlicher Nebeneffekt oder spontaner Reflex jener zum Alltagsgeschäft ebenso reell alternativen, wie ihm funktionell parallelen Praxis, und es ist erst die bürgerliche Perspektive, die aus Gründen, denen wir werden nachgehen müssen, dieser Begleiterscheinung oder Nebenwirkung die Stellung und den Charakter einer eigenständigen Wirklichkeit und spezifischen Verhaltensmodalität zubilligt.

Was wir mit der besonderen, zum subsistenziellen Alltag der vorbürgerlichen Gesellschaften alternativen Objektivität und Praxis meinen, als deren Moment oder Aspekt das Schöne erscheint und die Ästhetik figuriert, dürfte nicht schwer zu erraten sein: Gemeint sind die religiös-kultischen Verrichtungen und Orientierungen, die in jenen Gesellschaften einen derart breiten Raum einnehmen und eine solch ständige Präsenz beweisen, dass sie dem gesellschaftlichen Leben in der Tat eine an Schizophrenie gemahnende Zwieschlächtigkeit, den Doppelcharakter zweier ebenso systematisch geschiedener wie biographisch untrennbarer Lebensweisen verleihen.

Was ist das Besondere an jenen religiösen Verrichtungen und Orientierungen, worin besteht ihre spezifische Differenz zu den Handlungen und Gewohnheiten des subsistenziellen Alltags? Nicht in ihrer Produktion, dem Modus ihrer Durchführung, wohl aber in ihrer Reflexion, dem Actus ihrer Zuordnung!

Nicht anders als die Dinge und Prozesse des Alltagslebens entspringen auch die der religiösen Sphäre zugehörigen Objekte und Prozessionen menschlicher Arbeit, gesellschaftlicher Hervorbringung. Auch die religiösen Objekte setzen die planerische und erzeugerische Tätigkeit von Unternehmern, Baumeistern, Zimmerleuten, Steinmetzen, Webern, Schmieden, Ackerbauern, Kunsthandwerkern, kurz, von Organisatoren und Werkleuten aller nur denkbaren Art voraus. Auch die kultischen Prozesse erfordern zu ihrer Durchführung individuelles Engagement und kollektives Agieren, Erhaltungsmaßnahmen und Pflegehandlungen, sprachliche Verständigung und körperlichen Einsatz, kommunales Zusammenwirken und konsumtives Verhalten. Der Unterschied ist nur der, dass die als religiös klassifizierten Gegenstände und als kultisch eingestuften Prozesse nicht zum Nutz und Frommen der Menschen selbst produziert und absolviert werden, nicht also für diejenigen da sind, die sie mit ihrer Hände Arbeit hervorbringen und aus eigener Kraft ins Werk setzen, sondern differente, nichtmenschliche Wesen, fremde, die Kontinuität des Daseins, den menschlichen Alltag transzendierende Subjekte zu Adressaten und Nutznießern haben.

Anders als bei den Gegenständen des Gebrauchs und den Aktivitäten des Alltags findet bei den religiösen Objekten und kultischen Handlungen im Augenblick ihrer Hervorbringung beziehungsweise ihres Vollzugs ein Subjektwechsel statt: Nicht die die Objekte erzeugenden und die Handlungen vollziehenden Menschen stellen sich als deren reflexive Eigentümer beziehungsweise konsumtive Nutznießer heraus, sondern exotische, andere Wesen – Ahnen, Geister, Götter, kosmische Kräfte, mythologische Gestalten. Wenn Menschen als Adressaten oder Nutznießer jener Objekte oder Prozesse eine Rolle spielen, dann nur als Repräsentanten jener anderen Subjekte, als ihre Bevollmächtigten, Stellvertreter, Verkörperungen.

Dabei beschränken sich in ihrer Eigenschaft als wahre Adressaten oder Referenten, als wirkliche Nutznießer oder Absolventen der religiösen Objekte oder Prozesse jene anderen, nichtmenschlichen Wesen nicht etwa darauf, die Objekte und Prozesse als solche, sprich, als die von Menschen gemachten und zelebrierten, die sie sind, mit Beschlag zu belegen und sich anzueignen. Das heißt, die anderen Wesen, auf die sich die religiös bestimmten Produkte definitionsgemäß beziehen, begnügen sich nicht mit einem einfachen, formellen Subjektwechsel, geben sich keineswegs damit zufrieden, ein und dieselbe Sache bloß den Besitzer wechseln zu lassen, eben das entgegen und als ihr Eigen in Anspruch zu nehmen, was ihnen menschliches Ingenium und menschliche Arbeit vorsetzen und zuwenden.

Vielmehr ist der Subjektwechsel in dem Sinne reell, dass er eine stricto sensu resultative und nämlich nicht weniger rückwirkende als abschließende Übereignung der religiösen Objekte und Prozesse impliziert, dass er mit anderen Worten einen Wechsel nicht nur ihres Adressaten, sondern ebenso sehr auch ihres Produzenten, nicht nur ihres Eigners, sondern ebenso sehr auch ihres Autors bedeutet. Indem jene nichtmenschlichen Wesen die religiösen Objekte und Prozesse mit Beschlag belegen und für ihr Eigen erklären, nehmen sie den Menschen nicht einfach nur die Produkte ihrer Arbeit beziehungsweise Leistungen ihrer Tätigkeit weg, sondern sprechen sie ihnen auch und zugleich als menschliche Produkte und Leistungen ab, um sie statt dessen in der systematisch neuen Gestalt einer nicht minder von ihnen, den nichtmenschlichen Wesen, als für sie gemachten Wirklichkeit sui generis oder, besser gesagt, gratia dei erscheinen zu lassen.

Dieser also nicht auf die Inbesitznahme und Nutznießung der religiösen Objekte und Prozesse beschränkte, sondern vielmehr ebenso sehr auf ihre Einsetzung und Hervorbringung bezügliche Subjektwechsel ist der religiösen Sphäre so durchgängig eigentümlich, dass er geradezu Synonymität mit dem Attribut religiös beanspruchen kann. Er verleiht der ganzen Sphäre einen grundlegend fetischistischen Charakter, wenn anders mit dem Begriff Fetisch Dinge oder Vorgänge bezeichnet werden, deren menschlicher Ursprung oder Bezug der Verdrängung beziehungsweise Verleugnung zugunsten einer supponierten nichtmenschlichen Herkunft und Bewandtnis unterliegen. Dabei muss uns die Tatsache, dass der Fetisch-Begriff erst im sechzehnten Jahrhundert im Blick auf bestimmte, als Götzendienst apostrophierte und um heidnische Kultobjekte oder Amulette zentrierte religiöse Praktiken geprägt und Usus wurde, in dieser seiner allgemeineren, auf die Religionsübung als ganze gemünzten Verwendung nicht irremachen.

Mögen auch die christlichen Missionare der festen Überzeugung sein, dass ihr Gottesglaube mit seinem in der Heiligen Schrift gründenden Dogma und seinem die Erfüllung der Heiligen Schrift durch den Christus zelebrierenden Kultus etwas toto coelo anderes sei als der Götzendienst der sogenannten ,,Wilden" mit seinem irdische Machwerke für heilig erklärenden Aberglauben und seinen die übernatürlichen Kräfte dieser Machwerke beschwörenden magischen Praktiken, und mögen sie deshalb die heiligen Objekte jener ,,Wilden" als Fetische, eben als in Wahrheit bloß menschliche Produkte denunzieren, sub specie der oben gegebenen allgemeinen Definition von Fetischismus als von einer durch Verdrängung oder Verleugnung des realen Produktionsprozesses zustande kommenden Hypostasierung menschlicher Artefakte zu göttlichen Schöpfungen tendiert die behauptete Differenz zwischen den Fetischen der Wilden und der christlichen Heiligen Schrift regelrecht zu verschwinden. Auch die Heilige Schrift erfüllt schließlich haargenau diesen mit dem Fetischbegriff verknüpften Tatbestand: Sie ist ein Artefakt, ein von Menschengeist und Menschenhand geschaffenes Werk, das doch von diesem seinem irdisch-menschlichen Ursprung partout nichts wissen will und sich vielmehr als das Werk Gottes, als göttliche Offenbarung, eben als ein heiliges Objekt geriert.

Dass anders als bei anderen fetischistischen Objekten, einschließlich anderer heiliger Schriften, im Falle der heiligen Bücher der Christenheit wie auch der anderen monotheistischen Religionen, des Judentums und des Islam, der Vorgang der göttlichen Hervorbringung explizit durch menschliche Medien und Zwischenträger, durch einen Moses, durch die Evangelisten, durch Mohammed vermittelt ist, macht keinen wesentlichen Unterschied, da ja diese Zwischenträger in actu ihrer medialen Funktion alle Eigenständigkeit verlieren, alle Eigeninitiative ablegen und sich rein nur als Werkzeuge Gottes, als Ausführungsorgane des göttlichen Willens und Ratschlusses verhalten. Als erwähnenswerte Differenz zwischen den von den christlichen Missionaren zu Fetischen erklärten heiligen Objekten und den als göttliche Offenbarungen angesehenen heiligen Schriften bleibt am Ende nur dieser die Reflektiertheit oder den Artikulationsgrad des spirituellen Gehalts, der sich in der materiellen Gestalt kundtut, betreffende Unterschied, dass die ersteren stumme Symbole, dingliche Erscheinungen des Göttlichen, die letzteren hingegen redende Zeichen, geistige Ausdrucksmittel Gottes sind.

Der die menschliche Arbeit, Menschengeist und Menschenhand, verdrängende beziehungsweise verleugnende, vorgeblich göttliche Ursprung sakraler Objekte, eben ihr Fetischcharakter, ist nicht nur ein derart durchgängiges Merkmal dieser Objekte, dass er geradezu als Definiens ihrer sakralen Beschaffenheit gelten kann, er ist auch und mehr noch der Schlüssel zum Verständnis gleichermaßen ihrer Funktion in specie und der Bedeutung der religiösen Sphäre, der sie angehören, in genere. Schlüssel zum Verständnis der faktischen Funktion und der sphärischen Bedeutung religiöser Objekte ist, wie an anderer Stelle dargelegt,1ihr behaupteter göttlicher Ursprung im Sinne eines symptomatischen Indikators – des am ehesten dem psychischen Mechanismus einer "Darstellung durch das Gegenteil" entsprechenden Verweises auf den nicht im einfach negativen, sondern im streng limitativen Sinne ganz und gar nicht göttlichen Ursprung der Objekte. Wir müssen mit anderen Worten die Tatsache, dass die göttliche Macht nicht nur als Nutznießer und Konsument, sondern mehr noch als Urheber und Produzent der Objekte reklamiert und beschworen wird, als Reaktion darauf begreifen, dass jene Macht ad hoc ihres Auftretens auf der Bühne des menschlichen Daseins im dringenden Verdacht steht, mit der menschlichen Objektivität im genauen Gegenteil weder etwas zu schaffen zu haben noch überhaupt etwas anfangen zu können – wobei dies Gegenteil einer den menschlichen Objekten von Seiten des göttlichen Subjekts begegnenden Verhältnislosigkeit in dem zugespitzten, durch das Attribut "genau" markierten Sinne gilt, dass die menschlichen Objekte vom göttlichen Subjekt eben nicht bloß negativ, per objektiv bestimmter Verneinung abgelehnt und verworfen, sondern vielmehr limitativ, im revokativ unendlichen Urteil gar nicht zur Kenntnis genommen und für nichts angesehen werden.

Die an anderer Stelle als unbedingte Indifferenz und absolute Negativität apostrophierte Verhältnislosigkeit der göttlichen Macht zu den menschlichen Dingen ist für die Menschen um so schrecklicher und unerträglicher, als es ja diese von Menschengeist und Menschenhand gefertigten Dinge selbst sind, die in dem Augenblick, in dem sie die Funktion bloßer, für nichts als für die Reproduktion des Menschen nötiger Produkte, bloßer, im Stoffwechsel des Menschen mit der Natur immer wieder verschwindender Durchgangsmomente und Fluchtpunkte, kurz, die Bedeutung bloßer Subsistenzmittel ablegen und den Charakter einer ebenso sehr bleibenden wie für sich stehenden menschlichen Objektivität, einer dem Menschen in toto eigenen, ihm voll und ganz zu Gebote stehenden, ihm permanente Geborgenheit und Befriedigung sichernden Realität ausbilden, kurz, die Signatur des Reichtums annehmen – die also in eben dem Augenblick die göttliche Macht auf den Plan rufen, um sich in überraschender Kehrtwendung, in einem resultativen Coup ihr zuzuwenden und sie als wirklichen Adressaten und wahren Eigner an die Stelle der menschlichen Erzeuger treten zu lassen. Was die Menschen hervorgebracht haben, kehrt sich just in dem Augenblick, in dem es das Ansehen einer Wirklichkeit gewinnt, die nicht mehr nur dazu dient, ihnen die für ihren Kampf mit einer fremden, feindlichen Natur nötige Durchhaltekraft zu verleihen beziehungsweise Regenerationsmöglichkeit zu sichern, sondern die ihnen als eine originäre, ihnen ebenso sehr entgegenkommende und zusagende wie entspringende und entsprechende zweite Natur beides, Autarkie und Autonomie, Eigenständigkeit und Sichselbstgleichheit, Kontinuität und Konsistenz zu gewähren verspricht – diese ihre Hervorbringung also wendet sich im Augenblick ihrer Verwandlung aus Lebensmittel in Überfluss aus freien Stücken von ihren menschlichen Erzeugern ab, um sich einem als nichtmenschliche Macht auftretenden anderen Subjekt zu übereignen.

Der Subjekt- und Besitzerwechsel, den das zum Reichtum entfaltete Produkt menschlicher Arbeit sua sponte vollzieht, ist für die Produzenten diskriminierend und kränkend genug. Wenn nun aber das vom Produkt als wahrer Adressat und wirklicher Eigner auf den Plan gerufene andere Subjekt, die göttliche Macht, auf diese seine Evokation mit der besagten unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität reagiert, wenn es mit anderen Worten im erläuterten limitativen Sinn und unendlichen Urteil nicht reagiert, wenn es, was sich ihm zueignet, vielmehr ignoriert und wie Luft behandelt, sprich, es durch absolute Missachtung für nichts erklärt, dann wächst sich die bloße Diskriminierung zur schieren Disqualifizierung, die subjektive Kränkung zur objektiven Demontage aus. So gewiss das vom Produkt auf den Plan gerufene andere Subjekt das sich ihm zuwendende Produkt selbst keines Blickes würdigt, durch es hindurch beziehungsweise über es hinweg sieht, kurz, es unendlich negiert, so gewiss unterwirft es der gleichen unendlichen Negation auch und natürlich die Produzenten, die Erzeuger des Produkts mitsamt dem ganzen, in seiner Hervorbringung resultierenden Prozess.

Indem das andere Subjekt eben dem der Arbeit menschlicher Subjekte entspringenden Reichtum, der es als seinen wahren Herrn und Eigner reklamiert und sich als seine ureigene Position behauptet, es als seine spezifische Differenz setzt, vielmehr mit unbedingter Indifferenz, mit absoluter Negativität begegnet, verschlägt es ihm alle Wirklichkeit und jeden Wert und stürzt in den gleichen Abgrund totaler Entwirklichung und finaler Entwertung das ganze, in der reichtumproduzierenden Arbeit seine Erfüllung findende menschliche Dasein, die ganze, im gewinnträchtigen Stoffwechsel mit der Natur, in einer materiellen Reproduktion, die Mehrprodukt schafft, ihr Telos gewahrende irdische Sphäre mit hinab.

Durch seinen Rekurs auf eine göttliche Macht, die das, was auf sie rekurriert, durch ihre Gleichgültigkeit und Nichtachtung regelrecht revoziert, für a priori nichts erklärt, reißt mit anderen Worten das zum Reichtum entwickelte menschliche Produkt eine ontologische Kluft oder modallogische Differenz auf, die in dem Maß, wie sie der göttlichen Macht das wirkliche Sein und die wahre Substanz vindiziert, das menschliche Leben um seine Wirklichkeit und seinen Wert bringt und sich zum bloßen Schein und substanzlosen Schemen verflüchtigen lässt – wobei die einzige, ironisch so zu nennende Verbindung zwischen der durch die Indifferenz und Negativität der göttlichen Macht als nichtiger Schein entlarvten menschlich-irdischen Sphäre und dem diesem nichtigen Schein ontologisch entrückten und a priori verborgenen wahren Sein und wirklichen Haben der göttlichen Macht eben in jenem als Resultat menschlicher Arbeit entstandenen Reichtum und Überfluss zu sehen ist, der beileibe zwar nicht, wie er unmittelbar suggeriert, als dies wahre Sein und wirkliche Haben der göttlichen Macht, wohl aber als deren Vorschein und Symbol, mithin als ein die Wahrheit ebenso sehr ostentierendes, wie in ihrer Ostentation sich selbst revozierendes, ein auf die Wirklichkeit ebenso sehr anspielendes, wie in der Anspielung sich selbst für verspielt erklärendes Phänomen, kurz, als ein ontologisch verschwindendes Moment oder modallogisch selbstverleugnendes Indiz figuriert.

Diese das ganze Dasein umfassende, alles menschliche Tun und Treiben ergreifende ontologische Nichtigkeitserklärung und modallogische Revokation, die das die bloße Subsistenzfunktion, das reine Reproduktionerfordernis transzendierende menschliche Arbeitsprodukt, der Reichtum, in Gestalt jenes toto coelo anderen Subjekts auf den Plan ruft und mit der es seine buchstäblich vor den Kopf geschlagenen Produzenten konfrontiert – sie ist für die letzteren unmöglich zu akzeptieren. Entrinnen können sie dem als anderes Subjekt Gestalt gewordenen vernichtenden Verdikt nur dadurch, dass sie sich zum Sachwalter ihres Reichtums, dass sie sich dessen unmittelbare Intention zu eigen machen, dass sie mit anderen Worten das andere Subjekt in genau der Adressatenfunktion, der eignerschaftlichen Stellung und Nutznießerrolle, geltend machen und reklamieren, in die es der Reichtum ja durch seine unverhoffte Wendung versetzt und der es sich durch seine Indifferenz zu entziehen, durch seine Negativität zu überheben Miene macht.

Die Kränkung vergessend, die ihnen jene Kehrtwendung des von ihnen hervorgebrachten Reichtums, seine Desertion zum anderen Subjekt, zufügt, müssen sie eben das vollbringen, was dem Reichtum zu misslingen droht, die Einsetzung des anderen Subjekts im Amte eines Herrn des Reichtums, seine Einführung in die Rolle dessen, der den Reichtum als sein Eigen, seine Domäne mit Beschlag belegt. Sie müssen dem anderen Subjekt eben das vindizieren, was es in actu seiner Indifferenz und Negativität von sich weist – ein angestammtes Verhältnis zum Reichtum, eine originale Beziehung zu ihm. Sie tun dies, indem sie die ontologische Differenz, in der es sich unmittelbar behauptet, in eine mythologische Distinktion verwandeln, die modallogische Kluft, die es ad hoc aufreißt, zur ursprungslogischen Zäsur ermäßigen. Aus dem änigmatischen Herrn des Seins wird so der paradigmatische Schöpfer der Welt, aus dem anderen Subjekt wird der Heros.

Wenn nach dieser seiner Überführung in den Heros das andere Subjekt der menschlichen Objektivität reserviert oder gar mit Nichtachtung begegnet, dann nicht mehr, weil es an ihrer Stelle einen alles menschliche Tun und Treiben, alles irdische Dasein in den Abgrund modallogischer Unwirklichkeit stürzendes und als ontologisches Nichts erweisendes a priori anderes Sein und toto coelo eigenes Haben behauptet, sondern weil es in Anspruch nimmt, ein der menschlichen Objektivität vorausgehendes initiales Faktum und zugrunde liegendes archaisches Datum geschaffen zu haben und über dieses Faktum und Datum als über ein alle menschliche Objektivität zur bloßen Kopie und zum beliebigen Exemplar degradierendes originales Sein und paradigmatisches Haben zu verfügen. Um die alles irrealisierende Indifferenz zu bewältigen, mit der das andere Subjekt der menschlichen Objektivität begegnet, muss jene in eine spezifische Differenz uminterpretiert werden. Um der pauschal disqualifizierenden Negativität, die das andere Subjekt dem menschlichen Dasein und seinen Hervorbringungen beweist, die Spitze abzubrechen, muss erstere zur bestimmten Negation entschärft werden.

Und eben dies geschieht durch eine die apokalyptische Situation, die das andere Subjekt unmittelbar heraufbeschwört, zu konterkarieren und zu verdrängen geeignete ursprungsmythische Konstruktion, der zufolge das andere Subjekt zwar von den menschlichen Dingen als von einem irgend wahren Sein oder ernstlich wirklichen Haben nichts wissen und damit nichts zu schaffen haben will, aber dies nur deshalb nicht will, weil es selbst der Schöpfer eines wahren Seins, der Urheber eines wirklichen Habens ist, als dessen substanzloser Abklatsch und wertloses Imitat sich das, was Menschen schaffen und bewirken, zu verstehen gibt. Negativ ist demnach die Einstellung des anderen Subjekts gegenüber der menschlichen Objektivität, und Indifferenz beweist es den Dingen des gegenwärtigen Daseins, weil das, was das andere Subjekt als sein eigen Sein und Haben reklamiert, wahrer und wirklicher, ursprünglicher und authentischer ist als jedes menschliche Werk und daseiende Objekt und sich zu letzterem in ebenso kriterieller wie qualitativer, ebenso maßgeblicher wie substanzieller Differenz behauptet. Bestimmt aber ist diese Negation und spezifisch die Differenz beziehungsweise relativ die ihr geschuldete Indifferenz des anderen Subjekts, weil, aller ursprungslogischen Diskretheit, aller mythologischen Verschiedenheit zwischen heroischer Schöpfung und menschlicher Hervorbringung zum Trotz, doch eine entstehungsgeschichtliche Kontinuität, eine empiriologische Kontiguität zwischen beidem existiert und sich nämlich das eine zum anderen wie das spontane Original zur folgsamen Kopie, das maßgebende Paradigma zum konsequenten Exemplar verhält.

So also bannen die menschlichen Produzenten die Gefahr einer durch die tatsächliche Indifferenz und Negativität des anderen Subjekts, das ihr finales Produkt, der Reichtum, als seinen vermeintlich wahren Konsumenten und wirklichen Nutznießer auf den Plan ruft, heraufbeschworenen umfassenden Disqualifizierung des menschlichen Daseins und Irrealisierung der irdischen Sphäre. Indem sie dies andere Subjekt, das sich ihrem sich ihm zuwendenden Produkt als Konsument unendlich verweigert, als Nutznießer absolut entzieht, im Gegenzug als ebenfalls einen Produzenten behaupten, als seinerseits einen Urheber geltend machen, nur eben als den Produzenten eines qua Original wahren Seins, den Urheber eines qua Paradigma wirklichen Habens, wird aus einem revokativen Entwirklicher der bestehenden Welt der demonstrative Erzeuger einer ursprünglichen Wirklichkeit, aus einem apriorischen Verneiner der gegenwärtigen Empirie der initiative Schöpfer einer archetypischen Gegebenheit – einer Wirklichkeit und Gegebenheit, die sich der bestehenden Welt als ihre Urgestalt voraussetzt, der gegenwärtigen Empirie als ihr Grundmuster unterstellt und die durch die ursprungslogische Kontinuität, die sie zwischen sich und der bestehenden Welt postuliert, die genealogische Relativität, die sie der gegenwärtigen Empirie oktroyiert, in der Tat die Indifferenz und Negativität, die das als ihr Schöpfer reklamierte andere Subjekt dieser bestehenden Welt und gegenwärtigen Empirie beweist, zur spezifischen Differenz oder bestimmten Negation entschärft. Das Problem, dass die vom Reichtum auf den Plan gerufene und in den Schöpfer und Erhalter der Welt umfunktionierte Macht ein Copyright auf letztere und sie damit als ihr Eigentum beansprucht, lässt sich anfangs noch durch die heroische Verschwendung des Reichtums, in deren Konsequenz die Macht wieder verschwindet, lösen. Nachdem der Reichtum nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist, wird das Problem durch eine Aufspaltung der Welt in zwei Objektklassen, in eine sakrale und eine profane Sphäre, gelöst. Der der profanen Welt nicht auszutreibenden Tendenz, auf die göttliche Macht spontan zu rekurrieren, begegnet der religiöse Ritualismus, die absichtliche und regelmäßige Beschwörung der der Macht zugewiesenen beziehungsweise von ihr okkupierten Sphäre. Dabei ist diese sakrale Sphäre nicht unveränderlich. Sie wandelt sich sowohl objektiv, gemäß den Fortschritten der menschlichen Naturbeherrschung, als auch relativ, im Verhältnis zur Entwicklung der religiösen Macht selbst.

Der Preis für diese die Gefahr der Irrealisierung und Disqualifizierung, mit der das andere Subjekt das irdische Dasein und seine menschlichen Subjekte unmittelbar bedroht, bannende Umfunktionierungsleistung, die aus dem apriorischen Widerleger und ontologischen Vernichter den archaischen Urheber und heroischen Schöpfer werden lässt – der Preis dafür ist freilich hoch und hat zwei Aspekte. Zum einen besteht er darin, dass die Welt der Menschen, die von Menschengeist und Menschenhand erzeugte und geschaffene Objektivität immer schon als ein Degenerations- und Abfallprodukt, als Ergebnis eines Niedergangs und Entwertungsprozesses erscheint, da sie sich zu der ihr vorausgesetzten autorschaftlich-ursprünglichen Wirklichkeit und heroisch-archetypischen Gegebenheit wie die Kopie zum Original, das relative Exemplar zum absoluten Paradigma verhält. Ist dieser Teil des für die Umfunktionierung des anderen Subjekts zu zahlenden Preises noch zu verkraften, weil, etwas Minderwertiges sein Eigen zu nennen, immer noch besser ist, als ein Nichts zu besitzen, und man sich auch in einer Welt, die nicht die beste aller Welten, die mehr schlecht als recht beschaffen ist, durchaus zu Hause fühlen und einrichten kann, so ist die zweite Forderung, die sich aus jener Umfunktionierung des anderen Subjekts ergibt, entschieden schwerer und eigentlich gar nicht akzeptabel. Uno actu der ihm vindizierten archaischen Urheberschaft, des ihm nachgewiesenen heroischen Schöpfertums beansprucht nämlich das andere Subjekt die ganze Welt mit allem, was darinnen ist, wie als sein Werk, so auch als sein Eigentum, als seiner alleinigen freien Verfügung unterstelltes Herrengut.

Es reklamiert gewissermaßen ein absolutes Copyright auf die Welt. Nichts, was Menschengeist vorstellt und ersinnt und was nicht er, der archaische Urheber, kraft seiner originalen Urheberschaft als im Grunde seine Projektion und Erfindung mit Beschlag belegte! Nichts, was Menschenhand schafft und produziert und worauf nicht er, der heroische Schöpfer, kraft seines paradigmatischen Schöpfertums als auf in Wahrheit sein Werk und Produkt privilegierten Zugriff und primäres Nutzungsrecht beanspruchte! Wohl also gelingt es den Menschen, das durch ihr eigenes Tun und Vollbringen, ihre zum Reichtum entfaltete Produktion, auf den Plan gerufene andere Subjekt mittels jener Umfunktionierungsleistung seiner unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität zu entkleiden und für die menschliche Produktion in specie und Objektivität in genere zu interessieren, es als ursprünglichen Urheber und archetypischen Schöpfer in ihr zu engagieren, an sie zu binden, aber der Preis dafür ist, dass es sich überall einmischt, überall im Spiel ist, dass nichts mehr existiert, was nicht es als seinen wahren Herrn und wirklichen Eigner geltend machte, dass es wie der Igel bei seinem Wettlauf mit dem Hasen immer schon da, immer schon in der Vorhand ist, dass es durch seine umfassende Dazwischenkunft also, durch das Zugleich von autorschaftlichem Copyright und eignerschaftlichem Nutzprivileg die Menschen fundamental expropriiert, sie ihrer ganzen Welt, allem, was sie sich in ihr vor- und herstellen, total entfremdet.

Zwar, insofern das Erscheinen des anderen Subjekts und mithin auch die Notwendigkeit seiner Umfunktionierung an eine bestimmte Entwicklungsstufe ihres Vor- und Herstellens, nämlich an das produktivitätsbedingte Umschlagen von subsistenzieller Knappheit in konsumtive Fülle, sprich, an die habituell gewordene Hervorbringung von Reichtum geknüpft ist, gelingt es den Menschen in den Anfängen noch mit List und Tücke, sich das ganze Problem jeweils rasch wieder vom Halse zu schaffen. Indem sie das von ihrem Reichtum in actu seines Entstehens auf den Plan gerufene und von ihnen selbst in den archaischen Urheber und heroischen Schöpfer eben dieses Reichtums umgedeutete andere Subjekt in einem der Ihren, zumeist einem Anführer ihres Stammes und Funktionär ihrer Gemeinschaft, repräsentative Gestalt oder symbolische Präsenz gewinnen lassen und diesem repräsentativ anderen Subjekt, diesem symbolisch präsenten Heros nun den Reichtum mit der ausdrücklichen Maßgabe zuwenden, ihn fern aller subsistenziellen Ökonomie in seiner neuen Qualität als Fülle wahrzunehmen, ihn als den Überfluss, als der er sich darbietet, zu realisieren, sprich, ihn ohne Rücksicht auf Verluste zu gebrauchen und in vollen Zügen zu genießen, gelingt es ihnen, diesen zur Schöpfung des anderen Subjekts erklärten Reichtum im Nu zu erschöpfen, diesen dem anderen Subjekt als sein Eigen zugewendeten Überfluss wie Wasser in der hohlen Hand zerrinnen zu lassen und damit aber auch das Realfundament für das andere Subjekt selbst und die mit ihm heraufbeschworene ganze Irrealisierungs- und Disqualifizierungsproblematik kurzerhand wieder aus der Welt zu schaffen – wobei die Effektivität der archaischen Verschwendungs- und heroischen Vertilgungsaktion dadurch entscheidend gesteigert wird, dass sie, der Fülle, die der Verschwendung harrt, gemäß, dem Überfluss, der zu vertilgen ist, entsprechend, den Charakter eines rauschenden Festes beziehungsweise orgiastischen Prassens annimmt, das auch die menschlichen Produzenten selbst, die Artgenossen dessen, der den Heros repräsentiert, als Gäste und Festgenossen einschließt, die dem Gastgeber nach Kräften dabei behilflich sind, des Überflusses Herr zu werden und das heroische Vertilgungswerk zu vollbringen.

Sobald auf diese Weise der Reichtum aufgezehrt, der Überfluss verschwunden ist, verschwindet auch das andere Subjekt mitsamt der von ihm her dem menschlichen Dasein drohenden Indifferenz und ins Haus stehenden Negativität, und zurück bleibt der Stamm mit seinen einfachen subsistenziellen Bedürfnissen und seinem um die Rolle archaischer Vergegenwärtigung gekürzten, des Amtes heroischer Repräsentation entkleideten und erneut mit nichts mehr als mit der Organisation und Beschaffung der Subsistenz befassten Anführer oder Funktionsträger.

In dem Maße freilich, wie die Produktivität der Menschen wächst und in einer auch durch die festlichste Verschwendung, die orgiastischste Völlerei nicht mehr zu konterkarierenden Reichtumsbildung resultiert, gewinnt, wie der Reichtum selbst, so auch das von ihm auf den Plan gerufene und im Anführer als Herr repräsentativ Gestalt annehmende, im Funktionsträger als Souverän symbolisch in Szene gesetzte andere Subjekt permanente Realität und wird der oben genannte Preis für die seiner repräsentativen Erscheinung zugrunde liegende Umfunktionierung, die umfassende Expropriation der Menschen, die Entfremdung all ihrer Produktionen und Projektionen zu Kopien und Exemplaren, auf die es kraft seiner Verfügung über das Original uneingeschränktes Copyright beansprucht, die es aufgrund seiner paradigmatischen Funktion als sein unanfechtbares Eigentum mit Beschlag belegt – wird also dieser für die Domestizierung des anderen Subjekts zum Herrn des Reichtums zu zahlende Preis zu einem nicht mehr aus der Welt zu schaffenden, chronischen Problem.

Er wird zu einem Problem, das die Menschen, wenn sie es schon nicht aus der Welt schaffen können, doch jedenfalls in den Griff bekommen müssen, wollen sie sich nicht durch dieses dem originalen Schöpfer und paradigmatischen Urheber an allem, was ist, konzedierte vorrangige Interesse und auf jedwedes Ding und Verhältnis eingeräumte allgegenwärtige Privileg in den Wahnsinn treiben und nämlich zur totalen, keiner unmittelbar eigenen Sachbeziehung mehr fähigen, keiner Objektivität, die einfach nur empirisch nützlich und nicht je schon dogmatisch verbindlich wäre, mehr mächtigen Zwangsneurose bestimmen lassen.

Sie müssen, wollen sie sich nicht um den Verstand bringen lassen und vielmehr ihre Wahrnehmungsfähigkeit, Erfindungsgabe und Arbeitskraft ohne Paralysierung durch die ständige Rücksicht auf die Präjudikation und Präformation aller Empirie durch das als ihr wahrer Schöpfer und wirklicher Urheber behauptete heroisch-paradigmatische Alterego betätigen und entfalten können, den unmittelbaren Geltungsbereich und die aktuelle Wirkungssphäre des letzteren wenn schon nicht konstitutionell, in der Bedeutung einer prinzipiellen Entscheidung, in Frage oder gar in Abrede stellen – das widerstritte ja dem für die Umfunktionierung des anderen Subjekts grundlegenden Übereinkommen! –, wohl aber dispositionell, quasi im Sinne einer pragmatischen Sanktion, Beschränkungen unterwerfen beziehungsweise in den Hintergrund treten lassen.

Der Weg, auf dem die Menschen das tun, und das Mittel, durch das es ihnen gelingt, ist die in der Empirie zur Geltung gebrachte systematische Differenzierung zwischen generisch gottgegebenen und spezifisch von Gott erzeugten Dingen, die kategoriale Einteilung der Welt in eine Objektivität, die explizit das Werk Gottes ist, und eine Realität, die nur implizit göttliches Wirken voraussetzt. Eben jenen Unterschied zwischen Original und Kopie, seiendem Paradigma und daseienden Exemplaren, den sie in genere der Umfunktionierung des anderen Subjekts aus einem apriorischen Revozierer und absoluten Verneiner in den archaischen Begründer und heroischen Stifter einführen – ihn bringen die Menschen in specie der dem Original nachgebildeten Kopie auf der Ebene der als Imitation des paradigmatischen Seins erscheinenden daseienden Exemplare, ein weiteres Mal zum Tragen: als die Differenz nämlich zwischen profanen und sakralen Dingen, zwischen einer Objektivität, die von Menschengeist und Menschenhand konzipiert und gefertigt ist und ihren archaischen Ursprung, ihre heroische Herkunft nur als stillschweigendes Verum, als latente Bestimmung in sich birgt, und einer Objektivität, die ebenso ausdrücklich wie ausschließlich das Werk der Gottheit ist, die also ihren archaischen Ursprung, ihre heroische Herkunft als offenbares Faktum hervorkehrt, als manifeste Beschaffenheit zur Schau stellt.

Die Menschen spalten mit anderen Worten die wirkliche Welt und ihre Empirie in zwei Klassen von Objekten und Ereignissen auf, von denen die einen als Produkte heroischer Machart oder göttlicher Werkheiligkeit die Bedeutung nichtmenschlicher Originale oder übernatürlicher Paradigmata beanspruchen, sprich, den oben explizierten Fetischcharakter hervorkehren und nämlich unter Verleugnung und Verdrängung der für ihre Konzeption beziehungsweise Produktion grundlegenden menschlichen Tätigkeit und Arbeit als ihren unmittelbaren Urheber den Heros, als ihren ausschließlichen Schöpfer Gott geltend machen, während die andere Objektklasse, die restliche Empirie, zwar auch in letzter Instanz auf das umfunktionierte andere Subjekt als auf ihren Autor und Kreator zurückgeht, aber im Vergleich mit der Evidenz und Vordringlichkeit jener als unmittelbare Schöpfungen des anderen Subjekts zusammen mit ihnen und in ihrer Nachbarschaft existierenden heroischen Manifestationen und göttlichen Produkte doch so entschieden auf die Seite der Menschen fällt und aufs Konto ihres Tuns und Treibens geht, dass die heroische Urheberschaft an ihr gänzlich in den Hintergrund tritt, das göttliche Copyright auf sie zu einem in ihrer menschlichen Hervorbringung und Inanspruchnahme verschwindenden Moment gerät.

Der Grund für die Aufspaltung der Welt in zwei Klassen von Erscheinungen beziehungsweise Ereignissen dürfte damit klar sein. Was diese Unterteilung der Welt in göttliche und menschliche Dinge, in Objekte und Vorgänge, die fetischistisch durch heroisch-göttliche Aktivität begründet erscheinen, und solchen, die faktizistisch auf empirisch-menschliches Denken und Handeln zurückgeführt werden – was diese Unterteilung ermöglicht, ist eine relative Befreiung und definitive Entlastung jener alltäglichen Dinge und Verhältnisse des Menschen, die zwar in letzter Instanz ihrer Reklamation durch das in den heroischen Schöpfer der Welt und archaischen Urheber allen Daseins unfunktionierte andere Subjekt ebenfalls Eigentum und Prärogativ des letzteren sind, die aber doch hinter dessen originalen Schöpfungen und paradigmatischen Setzungen so weit zurückstehen und verglichen mit ihnen so wenig evokative Aura besitzen beziehungsweise präsentative Kraft beweisen, dass der demonstrative Rekurs auf jene originalen Schöpfungen und paradigmatischen Setzungen genügt, um sie, die alltäglichen Dinge und Verhältnisse, gegebenenfalls, will heißen, im Falle einer sie heimsuchenden und ihre unmittelbare Gebräuchlichkeit und Verfügbarkeit durch die Menschen in Frage stellenden heroischen Assoziation oder göttlichen Reminiszenz, von dieser Hypothek einer assoziativen Beziehung auf den Heros gleich wieder freizusprechen und in jene alltäglich-unmittelbare Gebräuchlichkeit zurückzuführen.

Jene heiligen Dinge und göttlichen Ereignisse bilden so einen zwischen den menschlichen Subjekten und dem umfunktionierten anderen Subjekt stipulierten prometheischen Vergleich, einen zwischen ihnen geschlossenen Teilungsvertrag, durch den letzteres dafür, dass es von ersteren vollen Zugriff auf besondere Stücke der Welt und direkte Verfügung über sie zugestanden bekommt, nun seinerseits seine urheberrechtlichen Ansprüche auf die restliche Welt suspendiert oder vergisst und ersteren also ermöglicht, diese restliche Welt frei von seinen Interventionen beziehungsweise Reklamationen zu gebrauchen und zu genießen.

Freilich erweist es sich, weil auch die restliche Welt, all ihrer stipulierten Alltäglichkeit und Profanität zum Trotz, immer wieder dazu tendiert, in Form von spontanen Assoziationen und unwillkürlichen Reminiszenzen ihre kreatürliche Beziehung zu dem als archaischer Schöpfer und heroischer Autor geltend gemachten anderen Subjekt und ihre exemplarische Abhängigkeit von ihm herauszukehren, auch immer wieder als nötig, jene heiligen Dinge und göttlichen Ereignisse explizit ins Feld zu führen und demonstrativ vor Augen zu stellen, um hinter der damit beschworenen originalen Wirksamkeit und paradigmatischen Präsenz des archaischen Schöpfers und heroischen Urhebers diese die Daseinsroutine durchbrechenden spontanen Assoziationen und den menschlichen Alltag unterminierenden Reminiszenzen verschwinden zu lassen und vergessen zu machen.

Sozioethologisch nicht weniger als psychoökonomisch stellt es sich dabei als sinnvoll heraus, das ebenso prinzipiell sichere wie aktuell ungewisse Vorkommen oder ebenso statistisch zuverlässige wie historisch unvorhersehbare Eintreten jener störenden Assoziationen und verstörenden Reminiszenzen gar nicht erst abzuwarten, sondern durch Ostentation der heiligen Dinge und Zelebration der göttlichen Ereignisse regelmäßig zu antizipieren und systematisch zu widerlegen, wobei den Anlass und Auslöser für den Einsatz dieser antizipatorischen Gegenveranstaltungen und systematischen Vorkehrungen der Naturzyklus mit seinen wiederkehrenden Zäsuren, seinen die Kontinuität des Naturprozesses durchbrechenden und eben deshalb dem Auftauchen jener diskreten Assoziationen und Reminiszenen, die ansonsten unter dem Teppich des Kontinuums bleiben, Vorschub leistenden besonderen Vorkommnissen liefern kann.

Statt also nur auf Provokationen einer aus dem Ruder ihres natürlichen Kurses laufenden, aus dem Lot ihrer schwerkräftigen Bahn geratenden und im unwillkürlichen Regress ihren archaischen Urheber reminiszierenden Objektivität zu reagieren, antizipieren die Menschen routinemäßig solche Störungen des Kurses und Abweichungen von der Bahn und bringen von sich aus jene dem potenziellen Störenfried als seine originale Realität, seine paradigmatischen Erscheinungen zugeschriebenen heiligen Dinge und göttlichen Ereignisse ins Spiel, um ihn vordringlich an ihnen Anteil nehmen, vorrangig mit ihnen befasst sein zu lassen und ihn so daran zu hindern, den ihm geltenden Assoziationen und Reminiszenzen, mit denen de profundis katastrophischer Störungen oder zyklischer Unterbrechungen auch die normalen Objekte und alltäglichen Vorgänge schwanger gehen, einen Anhalt und Zielpunkt zu bieten.

Das Ergebnis dieser präventiven Strategie ist ein Ritualismus, der in der ebenso permanenten wie fixen Aufteilung der Welt in heilige und alltägliche Erscheinungen und Einteilung des Weltlaufs in sakrale und profane Zeitabschnitte gründet. Dafür, dass sich die Menschen der rituellen Beschwörung und Begehung heiliger Dinge und göttlicher Ereignisse verschreiben, sprich, sich dem Wiederholungszwang des Kultus unterwerfen, gewinnen sie die Freiheit, im Bereich menschlicher Gegenstände und alltäglicher Vorgänge von den autorschaftlichen Prärogativen, dem Copyright des in den archaischen Urheber und heroischen Schöpfer der Welt umfunktionierten anderen Subjekts zu abstrahieren und sich mit der relativen Unbekümmertheit des unangefochtenen Besitzers und gewohnheitsrechtlichen Nutznießers jener Gegenstände und Vorgänge zu bewegen.

Der die chaotischen Assoziationen und spontanen Reminiszenzen einer Welt, die im anderen Subjekt ihren archaisch-heroischen Urheber reklamiert, systematisch antizipierende und dadurch unterbindende Ritualismus, dessen Inhalt die kultisch geübte, sprich, dem Wiederholungszwang unterliegende Inszenierung heiliger Gegenstände und Begehung göttlicher Ereignisse ist, erweist sich in der Geschichte der Religion als ein ebenso haltbares Charakteristikum wie der die heiligen Dinge und göttlichen Ereignisse als solche konstituierende Fetischismus, sprich, das oben erläuterte Bedürfnis, bei bestimmten Teilen der Objektivität von ihrer menschlich-natürlichen Herkunft, davon also, dass Menschengeist sie vermittelt oder Menschenhand sie gemacht hat, abzusehen und sie statt dessen vielmehr für göttlich-übernatürlichen Ursprungs zu erklären, mithin zu behaupten, dass der archaisch-heroische Urheber selbst sie unmittelbar geschaffen, sie als sein originales Produkt in die Welt gesetzt hat. Fetischismus und Ritualismus sind zwei ebenso unverbrüchliche wie untrennbar miteinander verknüpfte Konstanten der Entwicklung der Religion in genere und der im Zuge dieser Entwicklung hervorgetriebenen religiösen Erscheinungsformen in specie.

Nicht dass die systematische Konstanz gleichbedeutend mit empirischer Unveränderlichkeit wäre! Sowohl objektiv, in ihrer eigenen Beschaffenheit und Bewandtnis, als auch relativ, in ihrem Rückbezug, ihrem Verhältnis zur göttlichen Macht, sind das Arsenal heiliger Dinge und Ereignisse und der Umgang mit ihm durchaus einem Wandlungsprozess unterworfen.

Objektiv spiegelt dieser Wandlungsprozess die zunehmende Naturbeherrschung des Menschen wider, die fortschreitende Ersetzung natürlicher Objekte, auf deren Formation der Mensch nur erst durch seinen Geist und dessen imaginative Zuschreibungs- und Bestimmungsfähigkeit einwirkt, durch Arbeitsprodukte, deren Hervorbringung mehr noch die menschliche Hand und ihr realisatorisches Zurichtungs- und Gestaltungsvermögen erheischt. An die Stelle von Felsen und Grotten, Steinen und Relikten, Quellen und Gewässern, Bäumen und Hainen, deren positionell oder funktionell besondere Rolle im natürlichen Ambiente der menschliche Geist wahrnimmt und nutzt, um in ihnen als archaisch-originalen und heroisch-paradigmatischen Schöpfungen dem in den Herrn und Eigner der Welt der Menschen umfunktionierten anderen Subjekt einen als Diversions- oder Distraktionsmittel wohlverstandenen Bezugspunkt und Erscheinungsort zu bieten – an die Stelle dieser natürlichen Objekte also treten im Verlaufe der fortschreitenden Naturbearbeitung und wachsenden Produktivkraft des Menschen Tempel und Altäre, Gefäße und Gerätschaften, Gaben und Pretiosen, Brunnen und Aquädukte, Gärten und Anlagen, die nun die Aufgabe erfüllen, dem anderen Subjekt als seine unmittelbar eigenen Schöpfungen sich darzubieten und zur Verfügung zu stellen und es so von der profanen Welt, den Dingen und Bewandtnissen des alltäglichen Gebrauchs, abzulenken und fernzuhalten.

Und auch relativ, im Verhältnis der zunehmend arbeitsentsprungenen sakralen Dinge und durch menschliches Handeln vermittelten göttlichen Ereignisse zu dem sie gleichermaßen als ihr Erzeuger und Nutznießer reklamierenden anderen Subjekt, ist der Wandlungsprozess unübersehbar. In dem Maß, wie die Sterblichkeit der das andere Subjekt als heroischen Vorfahr und archaischen Schöpfer repräsentierenden Individuen, ihr Verschwinden unter der Erde, im Jenseits des Grabes, die Gefahr eines Rückfalls des anderen Subjekts in die alte Indifferenz und Negativität gegenüber dem irdischen Leben heraufbeschwört und damit den Toten- oder Ahnenkult, die kultischen Bemühungen, durch Ausgestaltung des Grabes zum Mausoleum und einen katabolischen Reichtumstransfer die Verschwundenen ans irdische Leben zu binden und weiterhin daran teilhaben zu lassen, provoziert und wie sodann durch die Zusammenführung der einzelnen Gemeinschaften zu größeren Herrschaftsverbänden, stratifizierten Gesellschaften, die großen Toten jener Gemeinschaften sich aus ihren genealogischen Kontexten abstrahiert und zu nicht mehr einzelne Gemeinschaften, sondern bestimmte Bereiche und Funktionen der Gesamtgesellschaft sanktionierenden Mächten anonymisiert und eponymisiert, kurz, in Götter transformiert finden – in dem Maß, wie diese real-und religionsgeschichtliche Fortentwicklung vom genealogisch etablierten, kommunalen Heros zur funktionslogisch definierten sozialen Gottheit statthat, verändern jene dem anderen Subjekt zugeordneten Dinge und Ereignisse ihren Bedeutungsgehalt und werden aus Orten und Manifestationen eines letztlich auf das Verschwinden des anderen Subjekts durch festliche Beseitigung seines Existenzgrunds gerichteten epiphanischen Heroenkults zu Stätten und Ritualen eines vielmehr auf die Bestätigung des anderen Subjekts in seiner göttlichen Rolle zwecks Verhinderung einer heroischen Wiederkehr des anderen Subjekts in Gestalt hybrider Herrscher abgestellten und aber wegen der fatal evokativen Kraft der hierzu inszenierten sakramentalen Handlung immer wieder scheiternden und ins Sakrifiz verkehrten feierlichen Opferkults.2

Und nicht genug mit der den Übergang vom Heroen- zum Götterkult markierenden massiven Wandlung des Bedeutungsgehalts der dem anderen Subjekt zugeordneten sakralen Dinge und Vorgänge: Im Laufe der weiteren, durch den Wechsel vom polytheistischen Götterkult zur monotheistischen Anbetung Gottes charakterisierten Entwicklung kommt es zu einer sowohl objektiv als auch relativ womöglich noch gravierenderen Neubestimmung jener vom anderen Subjekt reklamierten beziehungsweise ihm attestierten sakralen Sphäre. Weil nämlich der Wechsel von den vielen angeblich wirksamen Göttern zu dem einen ausschließlich wahren Gott einhergeht mit einer grundlegend-generellen Entwertung und maßgebend-speziellen Entheiligung der irdischen Welt und ihrer materiellen Erscheinungen und weil dieser mit dem wahren Gott offenbare und von den Menschen nolens volens zur Kenntnis genommene Substanz- und Realitätsverlust der Welt ebenso sehr die ganze bisherige und zuletzt qua Opferkult verfolgte Strategie einer Sanktionierung der Welt durch die Behauptung einer substanziellen Identität und funktionellen Kontinuität zwischen ihr und dem anderen Subjekt ad absurdum führt, wie er die selber ja auch von jenem Substanz- und Realitätsverlust bedrohten Menschen dazu zwingt, sich ihres Moments von Realität und ihrer Teilhabe an der göttlichen Substanz auf anderem Wege als dem einer Sanktionierung der Welt als ganzer zu versichern und dieses sie von der Hinfälligkeit alles Irdischen, der Scheinhaftigkeit der Erscheinungen ausnehmende Moment von Realität und Substanz vielmehr im direkten Rekurs auf das andere Subjekt und in der persönlichen Beziehung zu ihm zu reklamieren – weil also das alles geschieht, tritt als Sphäre göttlicher Wirklichkeit und Wirksamkeit an die Stelle der materiellen Welt das vergleichsweise spirituelle Medium der – dem Anspruch des monotheistisch anderen Subjekts auf unwandelbares Sein und zeitlose Dauer gemäß – zur Schrift verewigten Sprache und ist Inhalt dieses halbwegs spirituellen Mediums der in Schrift gegossenen Sprache nicht etwa mehr die Sanktionierung beziehungsweise Substantiierung der ja ein für alle Mal als substanzlos erkannten materiellen Welt, sondern vielmehr die Kodifizierung eines durch das Verhältnis zum anderen Subjekt definierten innerweltlichen Verhaltens, das es den Menschen erlaubt, in dieser substanzlosen Welt zu leben, ohne dass die eigene Person des durch den Bezug zu dem anderen Subjekt und seinem Sein gewahrten Moments von Realität verlustig geht, oder, umgekehrt formuliert, der eigenen Person ihre sie vom Schicksal der Welt dispensierende Substanzialität zu erhalten, ohne dass sie deswegen der Welt kurzerhand entsagen, sich aus ihrem innerweltlichen Dasein stante pede absentieren muss.

Auch wenn das Christentum unter dem Einfluss seiner durch das heidnische Epiphanie-Konzept inspirierten messianisch-soteriologischen Gottessohnlehre sich dann doch wieder in einem gewissen Maß einem Kult außersprachlich-heiliger Dinge öffnet und, anfangend mit dem Leib des Erlösers selbst und fortschreitend zur reliquarischen Extension dieses Leibes beziehungsweise der in seiner Nachfolge stehenden Leiber der Heiligen auf alle möglichen, systematisch oder metaphorisch, faktisch oder symbolisch mit ihnen zusammenhängenden geographischen, biographischen oder paraphernalischen Umstände und Gegebenheiten, die Welt wieder mit heiligen Stätten und Gegenständen zu füllen beginnt und auch wenn nur die jüdische Religion und in stärkerem Maße noch der seine historische Verspätung durch besondere Gelehrigkeit und Gesetzestreue wettzumachen bemühte Islam der Versuchung, die vormonotheistische Aufteilung der materiellen Welt in Sakrales, als originale Schöpfung von der göttlichen Macht Erzeugtes und Zeugendes, und Profanes, durch nachbildnerische Arbeit vom Menschen und für den Menschen Hervorgebrachtes, wieder Raum greifen zu lassen, widerstehen – im Prinzip bleibt für alle monotheistischen Religionen das quasispirituelle Medium der als Schrift verewigten Sprache der einzige Topos, in dem das nun ebenso sehr in seiner Indifferenz und Negativität gegenüber der Welt in genere anerkannte wie in specie der wesenhaften Beziehung, die der Mensch zu ihm reklamiert, auf eine differente, affirmative Haltung letzterem gegenüber vereidigte andere Subjekt sich noch unmittelbar artikuliert.

Und wohlgemerkt dient seine Artikulation nicht etwa mehr, wie bei Heros und Göttern der Fall, dem Zweck, ex negativo dieses seines als Schrift bestimmten epiphanischen Topos die anderen Orte und Gegebenheiten der materiellen Welt von seiner hypothekarischen Gegenwart und prärogativen Zudringlichkeit zu befreien und den Menschen unbelastet durch ihn und seine Intervention verfügbar werden zu lassen – vielmehr verschafft es sich einzig und allein Ausdruck, um die Menschen wissen zu lassen, wie sie in einer der Scheinhaftigkeit und Substanzlosigkeit überführten Welt sich verhalten müssen, um in ihr da sein und ein Leben führen zu können, ohne doch jenen transzendenten Bezug und außerweltlichen Anhalt einzubüßen, der sie allein davor schützt, dieser der Erscheinungswelt als ganzer attestierten Unwirklichkeit und Wertlosigkeit ebenfalls zu verfallen.

Der faktisch-ritualistische Umgang mit einer sakralen, dem Heros oder den Göttern zugewiesenen Sphäre erübrigt sich mit dem Aufkommen des Monotheismus, der das toto coelo andere, die Welt zum bloßen Schein erklärende Subjekt anerkennt. Um allerdings nicht selber der reinen Scheinhaftigkeit der Welt zu verfallen, muss der Mensch zum monotheistisch erkannten anderen Subjekt eine wesentliche Beziehung behaupten. Und die verlangt eine Erneuerung des religiösen Fetischismus und Ritualismus, der sich jetzt nicht mehr auf die weltlichen Dinge, sondern aufs göttliche Wort bezieht und nicht Resultat des Bemühens ist, die Fülle göttlicher Manifestationen einzudämmen, sondern dem Versuch entspringt, dem Mangel an göttlicher Offenbarkeit abzuhelfen.

Die objektiven, die Beschaffenheit der heiligen Dinge und Ereignisse ebenso wie die relativen, das Verhältnis der heiligen Dinge und Ereignisse zu ihrem Schöpfer und Urheber angehenden Veränderungen in der religiösen Entwicklung sind also gewaltig! Umso bemerkenswerter erscheint die unverbrüchliche Kontinuität, die durch die religiöse Entwicklung hindurch die religiösen Objekte und Ereignisse beweisen, was ihren fetischistischen Charakter und den ritualistischen Umgang mit ihnen betrifft. Auch die auf den Bereich sakraler Texte und ihrer zeremoniellen Zitation beziehungsweise rituellen Intonation beschränkte Religionsübung geht noch ebenso zuverlässig davon aus, dass die Gottheit höchstpersönlich jene Texte verfasst hat, wie das einst die Stämme oder territorialherrschaftlichen Gesellschaften taten, wenn sie dem Heros die Entstehung eines heiligen Felsens, Sees oder Ritualobjekts zuschrieben beziehungsweise die Existenz von Tempeln, Kultbildern oder Gerätschaften unmittelbar auf die Götter zurückführten, geradeso wie auch die von der Gottheit gefertigten Texte immer noch ebenso regelmäßig hervorgeholt, ostentiert und rezitiert werden müssen, wie es unter heroen- oder opferkultlichen Bedingungen erforderlich war, die heiligen Objekte oder Vorgänge in rituellen Abständen aufzusuchen, zu inszenieren und zu zelebrieren.

Der Grund für diese die objektiven und relativen Wandlungsprozesse in der Entwicklung der Religion überdauernde Kontinuität des Fetischismus und des Ritualismus liegt nach dem Obigen auf der Hand: Es ist die Fortdauer des für die Religion als solche initiativen anderen Subjekts, das ex improviso des von Menschengeist und Menschenhand hervorgebrachten kultürlichen und natürlichen Reichtums auftaucht und das bei Strafe der Entwirklichung und Entwertung dieses Reichtums mitsamt der Menschen, deren Geist und Händen er entspringt, die Religion gehalten ist, seiner unmittelbaren Indifferenz und Negativität zu entreißen und in ein positives Verhältnis, eine affirmative Beziehung zu eben dem zu bringen, was es für nichts zu erklären Miene macht.

In den Zeiten der Heroen- und Götterkulte bedeutet das die Umfunktionierung des anderen Subjekts in den archaischen Herrn und heroischen Schöpfer wie des menschlichen Reichtums in specie, so schließlich der ganzen irdischen Welt in genere. Der in heiligen Objekten und göttlichen Ereignissen seinen Ausdruck findende Fetischismus und der diesen Fetischismus chronisch aufs Tapet bringende und topisch in Szene setzende Ritualismus sind hier nötig, um die dem anderen Subjekt in der Konsequenz seiner Umfunktionierung zugestandene hypothekarische Inbesitznahme der ganzen Welt, die ihm eingeräumte prärogative Verfügung über alles und jedes in ihr zu fokussieren und mittels Fokussierung einzudämmen, dem anderen Subjekt also quasi eine bevorzugte Heimstatt, einen höchsteigenen topisch und chronisch bestimmten Aufenthalt zu vindizieren und so den Menschen die übrige Welt als einen nicht je schon durch die Ansprüche des heroischen Urheberrechts fremdbestimmten Freiraum, einen nicht je schon durch die Zwänge göttlicher Rücksichten beschränkten Entfaltungsraum zu erhalten.

Dieses den Fetischismus und Ritualismus der Heroen- und Götterkulte zeitigende Erfordernis, die durch die Umfunktionierung des anderen Subjekts in ihren autorschaftlichen Erzeuger und urheberrechtlichen Eigner ihrem heroischen Schöpfer allzu verbundene, ihrem göttlichen Herrn allzu hörige Welt von ihrer umfassenden Gotterfülltheit, ihrer maßlosen Gotthörigkeit hinlänglich zu emanzipieren, um sie – zum größten Teil jedenfalls – menschlicher Verfügung zugänglich zu machen und als unmittelbar auf den Menschen gemünztes Milieu, als den Bedürfnissen und Interessen der Menschen umstandslos sich erschließenden Lebensraum sicherzustellen – dieses emanzipatorische Erfordernis erledigt sich mit dem Aufkommen der monotheistischen Religion.

Weil der Monotheismus das in seine abstrakte Einheit und absolute Einzelheit zurückgeführte andere Subjekt zwar als den Schöpfer der Welt festhält und dadurch, dass er es letztere nicht mehr aus einer konsubstanziell vorausgesetzten Stofflichkeit erzeugen, sondern vielmehr aus rein nichts kreieren lässt, sogar noch reaffirmiert und herausstellt, gleichzeitig aber nun im Gewahrsam dieser dem schöpferisch anderen Subjekt zugeschriebenen creatio ex nihilo eben die als Basis der ursprünglichen Indifferenz und Negativität des anderen Subjekts firmierende ontologisch absolute Differenz und chronologisch unendliche Kluft zwischen dem Sein des anderen Subjekts und der von ihm kreierten Erscheinungswelt zur Kenntnis nimmt und gelten lässt, die zu verleugnen beziehungsweise zu widerlegen, der ganze Sinn und Nutzen der mittels Heroen- und Götterkulten zelebrierten ursprünglichen Umfunktionierung des anderen Subjekts in den produktiven Herrn und affirmativen Schöpfer der Welt war, büßt nun die letztere alle Bedeutung eines das andere Subjekt seiner schrecklichen Indifferenz und tödlichen Negativität zu entreißen und zur Affirmation beziehungsweise Substantiierung des menschlichen Daseins in specie und der irdischen Sphäre in genere zu bewegen bestimmten heroischen Anliegens oder göttlichen Anwesens, eines dem anderen Subjekt ebenso lieben wie teuren konkreten Heimes und Possessivs ein und gewinnt statt dessen das Ansehen eines zwar nach wie vor beziehungsweise mehr denn je vom anderen Subjekt geschaffenen, aber ohne substanzielle Kontinuität zu ihm beziehungsweise existenzielle Bedeutung für es daseienden abstrakten Werkes und Artefakts.

Aus der Perspektive der unendlichen ontologischen Kluft und des absoluten chronologischen Sprungs, die die irdische Welt vom anderen Subjekt trennen und die der Monotheismus im Unterschied zu den Heroen- und Götterkulten zur Kenntnis nimmt, erweist sich die zugleich doch vom Monotheismus in Anknüpfung an die Heroen- und Götterkulte als Schöpfung des anderen Subjekts festgehaltene irdische Welt als ein heroisches Muster ohne allen für den Heros selbst erkennbaren Wert, eine göttliche Manifestation ohne jede Gott selbst angehende Beweiskraft, als ein vom anderen Subjekt gelegter Grund und gegebener Anhalt ohne jegliche für das andere Subjekt als solches grundlegende Funktion oder haltgebende Bedeutung, als ein vom anderen Subjekt Gesetztes und Prädiziertes, das zugleich doch vom anderen Subjekt in keiner Weise besetzt wird, ihm nicht im Entferntesten inhäriert, als eine Inszenierung des anderen Subjekts, die für es selbst keinerlei Rolle spielt, etwas, das nicht wäre, wenn es das andere Subjekt nicht gäbe, ohne doch aber zu dessen Sein das Mindeste beizutragen, im Geringsten zu seinem Bestand zu zählen, als eine kunstreiche Kreatur, die bloß ihrem in unendlicher Diskretion, abgründiger Abskondität verharrenden lebendigen Schöpfer die Ehre gibt, und nicht etwa als eine lebendige Kreation, die ihrem in ihr sich zum Vorschein bringenden, in ihr sich verwirklichenden Schöpfer als seine von seinem Subjektsein Zeugnis ablegende und seine substanzielle Kontinuität unter Beweis stellende Objektivität mehr noch Ehre machte.

Statt wie die Heroen- und Götterkulte die irdische Welt als eine dem Heros hörige, von Gott erfüllte Totalität, quasi ein permanentes corpus dei, gewahren zu müssen, kann also der Monotheismus in dieser Welt eine vom anderen Subjekt ebenso verlassene wie geschaffene, von ihm ebenso sehr zur Disposition gestellte wie ins Werk gesetzte Faktizität erkennen, ein einmaliges opus dei, das das andere Subjekt aus unerfindlichen Gründen auf den Plan gerufen hat beziehungsweise dessen Grund und Zweck, wenn es denn einen hat, darin gesehen werden kann, den zusammen mit ihm geschaffenen Menschen als frei verfügbarer Lebens- und Entfaltungsraum zu dienen oder, um die aggressivere Sicht der den Monotheismus kultivierenden Menschen selbst zu bemühen, von letzteren gefüllt, untertan gemacht und beherrscht zu werden. In der Tat ist dies die Konsequenz der monotheistischen Anerkennung der zwischen dem Schöpfergott und seiner Kreatur obwaltenden unendlichen ontologischen Differenz und absoluten chronologischen Verschiedenheit, dass die menschliche Kreatur, wenn sie sich über die übrige Kreatur, die anderen Geschöpfe, hermacht, um sich ihrer zu bemächtigen, sie zu gebrauchen, sie zu instrumentalisieren, sie zuzurichten, partout nicht mehr fürchten muss, ihrem Schöpfer ins privateigentümliche Gehege zu kommen beziehungsweise in die als sein Leibgericht von ihm beanspruchte Suppe zu spucken, sondern vielmehr davon ausgehen kann, dass ihm, dem als toto coelo anderes Subjekt firmierenden Schöpfergott, seine Schöpfung so denkbar fern liegt, so herzlich gleichgültig, so ganz und gar nichts ist, dass er sie ganz selbstverständlich der nach seinem Ebenbild geschaffenen, ihm – dem phänomenologischen Ansehen nach zumindest, wenn auch beileibe nicht in der essenziellen Wirklichkeit! – am nächsten stehenden Kreatur Mensch überlässt und, was immer der Mensch mit ihr anfängt, in Ordnung findet und gutheißt beziehungsweise toleriert und geschehen lässt.

Dass sich unter diesen Umständen der Fetischismus und der Ritualismus der Heroen- und Götterkulte erledigt haben, liegt auf der Hand. Weil das monotheistisch begriffene Schöpfersubjekt mit seiner Kreatur, der Objektwelt, nichts mehr anfangen kann oder will, sie nicht mehr als sein Eigen, sein Prärogativ in Anspruch zu nehmen das Bedürfnis verspürt oder die Absicht hat, müssen sich die Menschen durch dies Schöpfersubjekt auch nicht mehr wie durch den Stammesheros oder die theokratischen Götter unter Druck gesetzt und in ihrem Verhältnis zur Welt konditioniert, wo nicht gar aus ihm verdrängt fühlen und können, frei über die entgöttlichte und ihnen anheim gegebene Welt verfügend, auf die prometheische Strategie verzichten, sich durch heilige, dem anderen Subjekt als seine originale Wirkungsstätte oder exklusive Entfaltungsstätte zugewiesene Dinge und Ereignisse in der übrigen Welt Platz und Ellenbogenfreiheit zu verschaffen.

Allerdings hat diese monotheistische Emanzipation der Welt von den hypothekarischen Ansprüchen und prärogativen Zugriffen der göttlichen Macht ihren Preis, und der bringt nun auf Umwegen doch wieder jenen durch die Sicht von der Welt als einer creatio ex nihilo, eines Kunstwerks des lebendigen Schöpfers, einer Einbildung des allein wirklichen Autors, eigentlich überflüssig gewordenen Fetischismus und Ritualismus ins Spiel. Wenn nämlich auch der Monotheismus die Welt, indem er sie als bloße Vorstellung Gottes, bloße Einbildung des Schöpfergeistes im absoluten Jenseits der göttlichen Substanz und des Seins des Schöpfers ortet, als materiale Domäne ihres Schöpfers oder reales göttliches Anwesen disqualifiziert und so den Menschen als ihr Erbteil und Eigentum in die Hände spielt, droht er doch zugleich die Menschen, weil sie ja Teil der aus Nichts kreierten Schöpfung, Moment der göttlichen Vorstellung sind, der gleichen Substanzlosigkeit und Scheinhaftigkeit zu überführen wie die Welt selbst. Das heißt, die Menschen drohen ihre uneingeschränkte Herrschaft über die Welt, dies, dass letztere ihnen frei von göttlichen Vorrechten und Interventionen untertan ist, mit ihrer eigenen ontologischen Entwirklichung und chronischen Entwertung zu bezahlen.

Um dieser Gefahr zu entrinnen, müssen sie das andere Subjekt erneut umfunktionieren, müssen es über seinen ontologisch unendlich differenten, chronologisch absolut transzendenten Status als lebendiger Schöpfer einer künstlichen Welt hinaus in ein Wesen uminterpretieren, das, anders als zur übrigen Schöpfung, zur Kreatur Mensch eine besondere Beziehung unterhält, die, wenn auch die Menschen nicht an seinem lebendigen Sein, seiner allein wahren Wirklichkeit teilhaben, sie immerhin doch in seinem lebendigen Sein ihren identifikatorischen Bestand, in seiner Wirklichkeit ihre ekstatische Sichselbstgleichheit finden lässt. Als eine Figur, die zu ihrem Urheber die Augen aufhebt, eine Kreatur, die ihren Schöpfer wahrnimmt, ist der Mensch ein von Wirklichkeit erfüllter Schein und insofern der Scheinhaftigkeit reflexiv überhoben, ein das Sein bezeugendes Nichts und, so gesehen, mit seiner Nichtigkeit existenziell versöhnt.

Nur muss, weil der Schein ja nicht von sich aus der Wirklichkeit mächtig, das Nichts nicht als solches seinshaltig sein kann, der in die ekstatisch wirkliche Identität, das transzendent persönliche Selbst der menschlichen Kreatur umfunktionierte Schöpfer diese seine besondere Stellung zur menschlichen Kreatur aus eigener Kraft initiieren, seine einzigartige Bedeutung für sie von sich aus etablieren. So gewiss die menschliche Kreatur ihren lebendigen Schöpfer als ihr wahres Sein reklamiert, als ihre einzige Wirklichkeit bezeugt, so gewiss muss diese Reklamation sich als die Exklamation des Schöpfers selbst erweisen, muss dieses Zeugnis sich als die aktive Manifestation, die Offenbarung, des scheinbar passiv Bezeugten herausstellen. Damit das Nichts das Sein gewahren kann, muss dieses sich ihm offenbaren, damit der Schein auf Wirklichkeit rekurrieren kann, muss ihm die Wirklichkeit entgegenkommen.

Wie aber und wo in aller Welt soll der lebendige Schöpfer sich der Kreatur offenbaren, wie und wo soll er ihr als der Seiende, der er ist, sich manifestieren, als der Wirkliche, der allein Wirklichkeit hat, Präsenz für sie gewinnen, da ja doch alles in der Welt, die Welt als ganze, vor seinem Sein nichts, vor seiner Wirklichkeit nichts als Schein ist? Was kann ihn fassen und präsent, für die menschliche Kreatur als ihre ekstatische Substanz sichtbar, als ihre transzendente Wahrheit wahrnehmbar werden lassen, wenn nicht das Wort, jenes quasi spirituelle, aus kreatürlicher Sicht quasi als Äußerung des Schöpfers selbst, als authentischer Modus seines Seins erscheinende Medium, durch dessen Wirken und Vermittlung er aus nichts etwas zur Vorstellung kommen, ein Ganzes des Scheins, die Erscheinungswelt, auf den Plan treten lässt?

Eben das göttliche Wort, das einst, am Anfang der Welt, dazu dient, letztere als Kreatur oder Werk des Schöpfers, Projekt oder Vorstellung des göttlichen Geistes zu inszenieren, zu beschwören, es erfüllt jetzt, am Ende der als hypostatische Substantiierung, götzendienerische Sakralisierung der Welt entlarvten Heroen- und Götterkulte, die Aufgabe, den lebendigen Autor der Welt selbst, den wortmächtigen Schöpfer in Person sich manifestieren und bezeugen zu lassen. Dies göttliche Wort, das einst dem durch es sich bekundenden lebendigen Sein dazu diente, eine Totalität des Scheins, eine Erscheinungswelt, zu kreieren, die ebenso sehr, auf das lebendige Sein als ihren Werkmeister bezogen, eine Welt für sich, ein kunstreiches Projekt, ein erfülltes Werk, wie, von ihrem Werkmeister und seinem lebendigen Sein abstrahiert, ein Nichts, eine künstliche Projektion, ein verschwindendes Schemen ist – dies göttliche Wort wird jetzt vom lebendigen Sein gebraucht, sich selbst und nichts als sich selbst zu verlautbaren, sich als alleiniges Subjekt zur Sprache zu bringen, sich als der, der ist, zu offenbaren, und ermöglicht so einem Teil der einst durch es geschaffenen Schöpfung, nämlich der menschlichen Kreatur, eben die als ekstatische Selbstfindung exekutierte identifikatorische Konversion zu ihrem Schöpfer, die sie, die Kreatur, davor bewahrt, in der ontologischen Kluft, deren sie als ihn von ihr trennender inne wird, zugrunde zu gehen, in der absoluten Verschiedenheit, deren sie als ihn ihr entziehender sich bewusst ist, ihre Vernichtung zu finden.

Dies göttliche Wort mithin, das einst als das die Kreatur erschaffende Mittel dazu diente, das andere Subjekt seiner Indifferenz und Negativität zu entreißen und in den die Welt als sein Werk affirmierenden Schöpfer umzufunktionieren, es gestattet jetzt als das den Kreator offenbarende Medium der menschlichen Kreatur, das andere Subjekt als das seiner Schöpfung absolut transzendente Sein, die von der Erscheinungswelt unendlich verschiedene Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen und in all der kreatürlichen Scheinhaftigkeit und Nichtigkeit, der damit sie, die menschliche Kreatur, zusammen mit aller Schöpfung verfällt, dennoch einen ekstatischen Bezug zum absoluten Sein zu reklamieren, eine identifikatorische Brücke zur unendlichen Wirklichkeit zu schlagen, sprich, das andere Subjekt in die nicht weniger existenziell grundlegende als reell vernichtende Substanz, den nicht weniger ekstatisch haltgebenden als empirisch entwurzelnden Bestand umzufunktionieren.

Eine Umfunktionierung des anderen Subjekts findet also hier wie dort, im Monotheismus nicht weniger als in den heroischen und polytheistischen Kulten statt, aber sie führt gemäß der divergierenden, dort auf eine radikale Verdrängung der Indifferenz und Negativität des anderen Subjekts zielenden und hier zu einer relativen Anerkennung dieser Indifferenz und Negativität sich verstehenden Orientierung zu einer diametral gegensätzlichen Sicht von Gott und der Welt. Dort, in den Heroen- und Götterkulten, ist es die vollständig ganze Welt, die dazu herhält, das in den schaffenden Urheber und erhaltenden Herrn eben dieser Welt umfunktionierte andere Subjekt in der ihm vindizierten Schöpfer- und Eignerrolle manifest werden zu lassen und zu bezeugen, während es hier, in dem die Welt aus allen Blütenträumen einer ontologischen Kontinuität mit dem anderen Subjekt, sprich, einer konsubstanziellen Göttlichkeit reißenden Monotheismus, nurmehr ein restbeständiges Stück von der Welt, das bloß halbwegs zur materiellen Welt zu zählende und in quasispiritueller Affinität zum anderen Subjekt perennierende Wort ist, das das umfunktionierte andere Subjekt offenbar und für die an es sich klammernde menschliche Kreatur fassbar werden lässt.

Anders gesagt, gewinnt im Monotheismus das in eine positive Instanz, in eine Macht, die das menschliche Dasein als Etwas, statt als Nichts sanktioniert, umgewandelte andere Subjekt Greifbarkeit beziehungsweise Beweiskraft nicht mehr, wie in den Heroen- und Götterkulten, durch seine allgegenwärtige Immanenz, das ubiquitäre Zeugnis, das die Erscheinungswelt von seiner schöpferischen Wirksamkeit ablegt, sondern einzig und allein noch dank des transzendentalen Rest- und Außenpostens, den es ebenso sehr in Bezug auf die Welt wie ihr gegenüber geltend macht, dank also des solitären Worts, das nichts weiter zu offenbaren dient als die Wirklichkeit des Schöpfers, sein tautologisches Subjektsein, das: ,,Ich bin, der ich bin".

Und dennoch ist, was die fetischistische Besetzung und ritualistische Wiederholung dieses transzendentalen Vorwerks beziehungsweise marginalen Restpostens göttlicher Offenbarkeit angeht, das Ergebnis das haargenau gleiche wie bei den in die Länge und Breite der Erscheinungswelt sich präsentierenden Manifestationen heroischen Wirkens und göttlichen Waltens. Und warum das so ist, lässt sich unschwer erkennen: Zwar erfüllt der Fetischismus jetzt natürlich nicht mehr die Aufgabe, das heroische oder göttliche Schöpfersubjekt aus seiner irdischen Ubiquität und Allgegenwart herauszudrängen und auf einige paradigmatische Zeugnisse seiner schöpferischen Wirksamkeit zu fixieren, und dient dem entsprechend der Ritualismus auch nicht mehr dazu, diese göttliche Fixierung auf bestimmte Teile der Welt im Interesse einer dauerhaften menschlichen Verfügung über die restliche Welt in Abständen zu beschwören und zu bekräftigen; dafür aber ist der Fetischismus nun nötig, um dem Schöpfersubjekt überhaupt ein Ubi in der Erscheinungswelt zu sichern, auf das sich die menschliche Kreatur bei ihrer über Sein und Nichts entscheidenden ekstatischen Selbstfindungsanstrengung beziehen kann, ihm eine relative Präsenz in der Immanenz zu verschaffen, die der identifikatorischen Entäußerung der Kreatur einen Anhalt zu bieten und die Richtung zu weisen vermag, und braucht es darüber hinaus den Ritualismus, um dieser prekären, weil auf eine transzendentale Position reduzierten Präsenz, diesem flüchtigen, weil zur quasispirituellen Materialität eines Wortlauts aufgehobenen Ubi des Schöpfersubjekts sei's zuerst durch die Wiederholung der Lautgebung, durch mündliche Rezitation, sei's später dann, nach der Erfindung der Schrift, durch die Verewigung des zu wiederholenden Worts in Materialien, die haltbarer sind als der Stimmhauch, Bestand und Verfügbarkeit zu verleihen.

War es vorher, unter Bedingungen des in den Heros oder in Götter umfunktionierten anderen Subjekts, die Fülle an göttlichen Manifestationen, was den Fetischismus nötig machte und das Bedürfnis nach einem den Fetischismus institutionalisierenden Ritualismus erzeugte, so ist es nun, unter der Bestimmung des in seiner ontologischen Differenz und chronologischen Transzendenz gelten gelassenen anderen Subjekts, dessen Mangel an Offenbarkeit, seine Abskondität, was den Fetischismus und den ihm Bestand verleihenden Ritualismus unabdingbar werden lässt. So gegensätzlich die Ausgangslage und so verschieden die durch sie jeweils provozierte Krise ist, so gleichartig fällt die Reaktion darauf aus und so identisch präsentiert sich das Mittel, das zur Bewältigung der jeweiligen Krise aufgeboten wird.

Ästhetisches ist in vorbürgerlichen Zeiten dem sakralen Bereich fest integriert und also keine der Alltagsrealität entzogene nutzlose Wirklichkeit, sondern Teil der der Alltagsrealität korrespondierenden und einen durchaus eigenen Nutzen beanspruchenden religiösen Praxis. Dem angesichts dessen nahe liegenden Zweifel, ob sich im Zusammenhang mit der Religion überhaupt sinnvoll von Ästhetik sprechen lässt, scheint die Kunstwissenschaft insofern Rechnung zu tragen, als sie sich bei der Behandlung religiöser Artefakte weitgehend auf Ideographie, Bildbeschreibung beschränkt. Den angeblich entscheidenden Unterschied, dass in der Ästhetik ein bloßer Perspektivenwechsel von menschlicher Praxis zu menschlicher Theorie, in der Religion hingegen ein veritabler Subjektwechsel von der menschlichen zu einer nichtmenschlichen Praxis stattfindet, können wir Aufgeklärten, die wir uns der menschlichen Herkunft auch aller Religion bewusst sind, nicht einfach akzeptieren. Vielmehr müssen wir uns nach dem Grund für jene der Wahnvorstellung verdächtige Überzeugung von einem der Religion zugrunde liegenden Subjektwechsel fragen.

In diesem Sinne einer so oder so, beim monotheistischen Verhältnis zum Göttlichen nicht weniger als beim heroen- oder opferkultlichen Umgang mit ihm, fetischistisch-ritualistischen Krisenbewältigung lässt sich also in der Tat die Religion als ein einheitliches und durch die Bank ihrer vielgestaltigen Entwicklung als einheitlich zu begreifendes Phänomen betrachten. Als ein Phänomen, das den Menschen als eine ihrer säkularen Praxis, ihrem Geschäft materiellen Lebens und Überlebens, ebenso sehr ebenbürtige wie komplementäre Praxis gilt, dem mit anderen Worten in ihren Augen nicht weniger Überlebenswert, nicht weniger existenzielle Bedeutung zukommt als ihrem kollektiv geführten materiellen Überlebenskampf, ihrem sozial organisierten Stoffwechsel mit der Natur! Ein Phänomen zugleich, das – und damit kehren wir zum Ausgangspunkt unseres längeren Exkurses in die Konstitutionsgeschichte kultischer Religiosität zurück – jedwedes Ästhetische einschließt und als verschwindendes Moment seines allgegenwärtigen Bestehens und ubiquitären Geltens in sich enthält, und zwar – gemäß der praktischen, dem profanen Verhalten als sakrales Verhalten modal gleichgearteten Bedeutung, die ihm, dem religiösen Phänomen, zukommt – nicht etwa so, wie das Ästhetische später erscheint, als modal andersgeartete Haltung, als theoretisch detachierte Attitüde, als Zustand eines jeden praktisch-sinnlichen Interesses überhobenen interesselosen Wohlgefallens, sondern als integrierender Bestandteil seines Wollens und Vollbringens, als faktorelles Element des dem Säkularen zur Seite stehenden Religiösen, einer parallel zur praktischen Praxis verfolgten kultischen Praxis.

Wenn es in jenen dem bürgerlichen Zeitalter vorausgehenden Zeiten einer sei's heroen- und opferkultlich, sei's monotheistisch herrschenden Religiosität Ästhetisches sei's im Sinne eines objektiv Schönen, sei's im Verstand einer durch objektiv Schönes bestimmten subjektiven Einstellung bereits gibt, dann also nicht so, wie im bürgerlichen Zeitalter der Fall, als eine dem Utilitarismus der Alltagsrealität entzogene ,,nutzlose" Objektivität und eine des aktiven, effektorientierten Verhaltens überhobene kontemplative, prospektfixierte Haltung, sondern als Teil einer mit einem Nutzen eigener Art vorgestellten und die alltägliche Wirklichkeit komplementierenden feiertäglichen Gegenständlichkeit, als Moment eines als Aktivität und Effektivität eigenen Rechts sich behauptenden und dem Tun und Vollbringen, das dem empirisch-materiellen Überleben dient, systematisch gleichgeordneten ontologisch-prinzipiellen Verhaltens.

Wenn... sagen wir und legen damit den Finger auf das als schiere petitio principii erscheinende erkenntnistheoretisch-formale Problem bei der Sache. Warum sollten wir wohl im Blick auf die vorbürgerlich religiöse Sphäre einen bürgerlichen Begriff von Ästhetik festhalten und in Geltung behaupten wollen, dem wir doch zugleich im Rahmen jener religiösen Sphäre die Eigenschaften absprechen, die ihn nach allen Regeln seines bürgerlichen Verständnisses konstituieren, um nicht zu sagen existenziell ausmachen? Welchen Sinn und Verstand hat es, einen Begriff, der auf Kunstwerke, das heißt, auf eine aus der Sicht gesellschaftlicher Praxis als nutz- und funktionslos definierte Klasse von Objekten, und auf eine an diesen Objekten ihr interesseloses Wohlgefallen findende und insofern aller gesellschaftlichen Praxis, deren Leitsterne Interesse und Bedürfnisbefriedigung sind, entrückte kontemplativ-theoretische Haltung zielt – welchen Sinn und Verstand hat es, einen solchen Begriff auf Gegenstände und Verhaltensweisen anzuwenden, die nach der Überzeugung derer, die solche Gegenstände kultivieren und solche Verhaltensweisen an den Tag legen, keineswegs praktisch nutzlos und ohne Interesse sind, sondern eben nur in einen anderen Praxiszusammenhang gehören und als nicht den Menschen, sondern Heroen, Göttern oder dem monotheistischen Gott zuzuschlagende Erscheinungen keinen profanen, sondern einen sakralen Nutzen haben und keinem irdischen, sondern einem überirdischen Interesse dienen?

Und trägt nicht der Unsinnigkeit einer Ausdehnung des bürgerlichen Begriffs nutzloser ästhetischer Objekte und interesseloser ästhetischer Haltungen auf den vorbürgerlichen Bereich religiöser Gegenstände und kultischen Verhaltens die zur Kunstwissenschaft entwickelte und systematisierte bürgerliche Ästhetik stillschweigend selber dadurch Rechnung, dass sich ihre Beschäftigung mit jenen religiösen Gegenständen und kultischen Verhaltensweisen weitgehend aufs Ideographische, auf Bildbeschreibungen beschränkt und nur selten oder ausnahmsweise auf die ihr als ästhetischer Disziplin eigentlich gestellte Aufgabe formanalytischer oder darstellungstheoretischer Untersuchungen erstreckt, dass sie, mit anderen Worten, was ihr die religiöse Sphäre an Materien bietet, nicht sowohl als systembedingt-funktionelle Konstrukte, sondern als zweckbestimmt-intentionale Gebilde auffasst, diese Materien also nicht ihrer formalen Präsentation, sondern ihrer inhaltlichen Relevanz nach, nicht als Zusammenhänge, die etwas auszudrücken und zu beweisen, sondern als Geschichten, die etwas mitzuteilen und zu bedeuten beanspruchen, begreift? Nicht die Beschaffenheit und Struktur, sondern die Bewandtnis und Bedeutung ist traditionell dasjenige, worauf sich die Kunstwissenschaft bei ihrer Behandlung religiöser Phänomene und Vorgänge kapriziert, nicht das, was die religiösen Phänomene und Vorgänge objektiv ausmacht und was sie, für sich genommen, darstellen, sondern das, was sich in ihnen an subjektiven Motiven und Intentionen äußert und sich ihrer als Mittel zum Zweck bedient.

So sehr freilich die Kunstwissenschaft damit selber bekundet, dass sie sich im Bereich religiöser Phänomene und Vorgänge ihrer als Ästhetik firmierenden Sache nicht eben sicher ist und ihr spezifisch ästhetisches Erkenntnis- und Interpretationsinstrumentarium nicht recht einzusetzen weiß, so sehr hält sie doch zugleich, wie ihr empirisches Tun, sprich, die offenkundige Tatsache beweist, dass große Teile der kunstwissenschaftlichen Bemühungen auf die ideographische Erfassung und Erforschung der Religionen dieser Welt und ihrer Hervorbringungen gerichtet ist, an ihrer Zuständigkeit auch und nicht zuletzt für den religiösen Bereich fest, insistiert sie, mit anderen Worten, darauf, dass es sich bei jenen religiösen Objekten und Phänomenen auch und nicht zuletzt um ästhetische Gebilde, um Kunstwerke handelt. Ist das schiere Anmaßung, eine ebenso sehr aus alter Gewohnheit beibehaltene wie aus ursprünglicher Willkür angenommene Attitüde, oder gibt es einen objektiven Grund für dieses durch ihr empirisches Tun sattsam bezeugte Insistieren der Kunstwissenschaft auf dem ästhetischen Charakter religiöser Erzeugnisse und Erscheinungen?

Angesichts des zuvor explizierten und als grundlegend angegebenen Unterschieds zwischen ästhetischer Haltung und religiösem Verhalten, zwischen der als theoretisch-kontemplatives Komplement zur menschlichen Alltagspraxis wahrgenommenen Haltung, die der Kunst Schaffende und Kunst Genießende pflegt, und dem als praktisch-aktive Alternative zur menschlichen Alltagspraxis erscheinenden Verhalten, das der Religion in die Welt Setzende und Übende kultiviert – angesichts dieses Unterschieds scheint solch ein objektiver, will heißen, in objectu des religiösen Verhältnisses selbst gelegener Grund für die kunstwissenschaftliche Behandlung religiöser Erscheinungen und Prozeduren als ästhetischer Gebilde und Vorgänge nicht leicht vorstellbar. Schließlich konstatiert besagte Unterscheidung nichts Geringeres als eine kategoriale Differenz zwischen den beiden, nämlich dies, dass im einen Fall, dem Fall der als theoretisch-kontemplativ bezeichneten ästhetischen Behandlung der Welt, nur modal von der menschlichen Alltagspraxis abgewichen wird, im anderen Fall hingegen, dem Fall des als praktisch-aktiv charakterisierten religiösen Umgangs mit der Welt, die menschliche Alltagspraxis real transzendiert wird.

Während die ästhetische, auf die Schaffung und Würdigung von Kunstwerken gerichtete Haltung das Alltagsleben des Betreffenden nicht ausschließt, sondern höchstens ergänzt, weil es ja ein und dasselbe Subjekt ist, das sich das eine Mal ästhetisch-theoretisch und das andere Mal utilitaristisch-praktisch betätigt beziehungsweise beträgt, es mithin nur der unterschiedliche Modus, die perspektivisch divergierende Art und Weise ist, wie das aller divergenten Perspektive ungeachtet mit sich identisch bleibende Subjekt die Welt im einen und im anderen Fall wahrnimmt und behandelt, ersetzt das kultische, auf die Schöpfung und Verehrung religiöser Objekte abgestellte Verhalten das Alltagsleben und schließt es, so gesehen, aus, weil ja gleichermaßen Urheber und Praktizierender des religiösen Verhaltens nicht das im Alltagsleben befangene menschliche Subjekt, sondern ein anderes, göttliches Subjekt ist, dem etwa beteiligte menschliche Subjekte höchstens und nur als Repräsentanten, Vertreter und Gehilfen dienen und zur Hand gehen. Religiöse und alltägliche Aktivitäten, sakral-praktische und profan-praktische Verhaltensformen, unterscheiden sich also nicht nur im Modus, ihrer Art und Weise nach, sondern sind im Fundus, ihrem Grund und Wesen nach, verschieden, weil der Übergang vom einen zum anderen Verhalten mit einem Wechsel dessen, der sich verhält, einem Austausch der handelnden Person einhergeht.

Um genau diese grundlegende oder wesentliche Differenz ging es ja, als oben im Blick auf die religiöse Sphäre von einem Subjektwechsel gesprochen und dieser Subjektwechsel zum spezifischen Merkmal religiösen Verhaltens ganz allgemein erklärt wurde. Ihn kennt die ästhetische Haltung nicht. Sie kennt nur den Perspektivenwechsel, bei dem ein und dasselbe Subjekt die Welt entweder praktisch-aktiv als nützliches Objekt und Mittel zur Befriedigung materieller Bedürfnisse in Angriff nehmen, oder aber theoretisch-kontemplativ, als schönen Prospekt und Material, an dem sich spirituelles Wohlgefallen finden lässt, ins Auge fassen kann, wobei es, das Subjekt, diese beiden möglichen Perspektiven nicht als alternative, einander ersetzende, sondern bloß als komplementäre, einander ergänzende Sichtweisen oder Standpunkte erfährt und wahrnimmt.

Freilich, ein Wechsel auf Seiten des Subjekts, mag er auch nur modal und nicht real sein, findet hier ebenfalls statt – und auf diese abstrakte Gemeinsamkeit, diesen das religiöse Verhalten mit der ästhetischen Haltung verbindenden Generalnenner kann sich die Kunstwissenschaft immerhin berufen, wenn sie religiöse Phänomene wie ästhetische behandelt, wenn sie bei ihrer Betrachtung religiöser Objekte und Vorgänge von deren spezifischer Differenz, ihrem Anspruch, nicht sowohl einer anderen Lebenssphäre menschlicher Subjekte als vielmehr der Seinssphäre anderer, nichtmenschlicher Subjekte zu entstammen, kurzerhand absieht.

Tatsächlich aber kann sie noch mehr geltend machen: dies nämlich, dass aus ihrer Sicht, der Sicht einer bürgerlichen, ganz selbstverständlich von der Einheit des Subjekts ausgehenden und höchstens und nur Wechsel in der Perspektive des identischen Subjekts, Veränderungen der sichselbstgleich subjektiven Einstellung zur Kenntnis nehmenden Ästhetik, jenem im religiösen Verhalten implizierten Subjektwechsel weit weniger Plausibilität und Glaubwürdigkeit zukommt, als ihm diejenigen konzedieren beziehungsweise attestieren, die solches Verhalten an den Tag legen und sich zu ihm bekennen. Bei unserer obigen Darstellung der mit dem Begriff des Subjektwechsels aufgespießten Spezifik religiösen Verhaltens sind ja auch wir, die wir nicht minder als die Kunstwissenschaft dem bürgerlichen Zeitalter und seiner aufgeklärten Sichtweise angehören, ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass an sich oder von Haus aus religiöse Objekte und Übungen nicht weniger menschlicher Arbeit und Aktivität entspringen, nicht weniger das Werk menschlicher Hände und menschlichen Geistes sind als säkulare Gegenstände und Verrichtungen und dass also an sich oder von Haus aus werktäglich-säkulares Tun und feiertäglich-religiöses Verhalten der gleichen autorschaftlichen Quelle, der gleichen Art von Subjekt, entspringen, dass beide das Produkt ein und desselben menschlichen Denkens und Handelns sind.

Wie sehr wir davon ausgegangen sind, wird ja dadurch bewiesen, dass wir die von den Religiösen oder Gläubigen selbst vertretene Auffassung, es handele sich bei ihren religiösen Objekten oder Übungen vielmehr um Erzeugnisse und Vorgänge nichtmenschlicher Herkunft, die den Gläubigen eigene Überzeugung also vom göttlichen Ursprung religiöser Phänomene und Verhaltensweisen – dass wir diese auf den Begriff eines Subjektwechsels gebrachte Überzeugung sogleich als das Ergebnis einer Verdrängung dessen, was tatsächlich der Fall ist, einer Verleugnung der an sich oder von Haus aus gegebenen Wirklichkeit aufgefasst haben.

Auch wir haben also ganz selbstverständlich die prinzipielle Einheit der im säkularen und im religiösen Bereich agierenden und rezipierenden Subjektivität, die durchgängig menschliche Natur dieses Subjekts, vorausgesetzt, haben mit dieser Voraussetzung ganz selbstverständlich impliziert, dass es sich beim Wechsel vom einen zum anderen Bereich auch höchstens und nur um einen die Subjekteinheit wahrenden Perspektivenwechsel handeln könne, und haben daraus ganz selbstverständlich den Schluss gezogen, dass die von den Gläubigen eingeführte Präsentation dieses relativen Perspektivenwechsels als eines absoluten Subjektwechsels, weit entfernt davon, in der Sache selbst begründet zu sein, eine objektive Bedeutung zu haben, sich vielmehr einem interpretativen Eingriff der Gläubigen verdanke, Resultat einer von ihnen vorgenommenen Umdeutung der Tatsachen sei.

Von daher gesehen, haben wir auch gar keinen Grund, den Anspruch der Kunstwissenschaft auf eine ästhetische Betrachtung religiöser Objekte und Handlungen, insofern ästhetische Betrachtung hier nichts weiter meint als die Wahrnehmung dieser Objekte und Handlungen als von Menschen, wenn auch nicht in unmittelbar utilitaristischer Absicht, mit Blick auf einen praktischen Nutzeffekt, gemachter und begangener, als sachwidrig oder objektiv verfehlt in Zweifel zu ziehen. Für uns, die wir dem aufgeklärten bürgerlichen Zeitalter angehören, gilt die menschliche Subjektivität als transzendental verbindlicher Bezugspunkt jedes nur vorstellbaren praktischen oder theoretischen Verhältnisses zur erscheinungsweltlichen Wirklichkeit, weshalb uns die von der Religion eingeführte und eine völlig neue Erfahrung und Behandlung der Wirklichkeit initiierende andere, nichtmenschliche Subjektivität auch nur als das Ergebnis einer Selbstverleugnung des menschlichen Subjekts, einer der Verdrängung der dem Menschen eigenen, transzendentalen Identität entspringenden intellektuellen Projektion oder Wahnvorstellung erscheinen kann.

Als eine Wahnvorstellung freilich, die nach einer Erklärung verlangt, weil sie, weit entfernt von schierer Willkür und freier Erfindung, ihren eigenen Grund hat. Dieses Moment einer Begründetheit, einer spezifischen Substanzialität der religiösen Vorstellung beziehungsweise Erfahrung von einem Subjektwechsel ist es ja offenbar, was die Kunstwissenschaft in die Bredouille bringt, wenn sie sich zwar einerseits über die besondere religiöse Verhaltens- und Sichtweise hinwegsetzt und die religiösen, sprich, einem anderen Subjekt zugeschriebenen Objekte und Vorgänge ebenso behandelt wie ästhetische, der menschlichen Subjektivität entspringende und zugehörige Objekte und Handlungen, dann aber andererseits doch unwillkürlich der Fremdartigkeit und Eigenständigkeit der religiösen Darstellung und Betrachtung Tribut zollt und, statt das Religiöse aus ästhetischer Perspektive wahrzunehmen und nach ästhetischen Kriterien zu beurteilen, sich vielmehr in seiner ideographischen Beschreibung, der inhaltlichen Bestandsaufnahme dessen erschöpft, was sich an fremden Gestaltungen, Motiven und Sinnbezügen darin findet.

Wollen wir dieser die Kunstwissenschaft bei ihrer Beschäftigung mit dem Religiösen heimsuchenden Zwickmühle aus selbstherrlich ästhetischer Missachtung des vom Religiösen behaupteten funktionellen Sonderstatus und aus selbstvergessener Kapitulation vor der reellen Fremdartigkeit und Eigenständigkeit eben jenes Sonderstatus entrinnen, so müssen wir nolens volens dem guten oder auch bösen Grund für eben jene, den Sonderstatus konstituierende und nämlich den an sich bloßen Perspektivenwechsel zum veritablen Subjektwechsel radikalisierende und dramatisierende religiöse Projektion oder Einbildung nachforschen – was dann aber auch zwangsläufig eine Klärung der Frage impliziert, wie es dazu kommt, dass jene den Großteil der menschlichen Geschichte beherrschende und wie auch immer gut begründete Wahnvorstellung dem Realismus und gesunden Menschenverstand Platz macht, den wir demgegenüber dem ästhetischen Bewusstsein und der für es grundlegenden Einsicht in die menschliche Verfasstheit beziehungsweise Verfertigtheit der das Milieu des Menschen bildenden Erscheinungswelt so gewiss attestieren, wie wir selbst an jenem Bewusstsein zu partizipieren beanspruchen.

Wo aber sollen wir jenen guten Grund für die religiöse Wahnvorstellung, das heißt für die Vorstellung von Objekten und Vorgängen, die einer nichtmenschlichen Subjektivität entspringen und zugehören, aufspüren und dingfest machen? Dort, wo man gute Gründe gemeinhin aufspürt, in den Objekten und Vorgängen selbst, in der ihnen eigenen Objektivität und Realität fündig zu werden, haben wir ja oben bereits mit der Feststellung ausgeschlossen, dass die der heroischen oder göttlichen Macht als ihrem Urheber zugeschriebenen Dinge und Verhaltensweisen tatsächlich nicht weniger menschlichen Ursprungs sind als die Gegenstände des Alltags und profanen Verrichtungen und deshalb auch die ihnen von den Gläubigen zugeschriebene Fremdbürtigkeit oder Sakralität von sich aus in keiner Weise rechtfertigen, geschweige denn begründen können. Wenn so aber die behauptete, einen veritablen Subjektwechsel implizierende Heterogenese religiöser Phänomene einerseits keine willkürliche Erfindung menschlicher Einbildung, kein bloßer subjektiver Wahn, andererseits aber auch nicht aus ihnen selber erklärbar, kein objektiv bestimmtes Datum sein soll, was bleibt an möglicher Begründung? Begründet ist das mit der Figur des Subjektwechsels beschriebene religiöse Zwangsverhältnis weder subjektiv noch objektiv, wohl aber situativ: Es entspringt der Situation des Übergangs von der Subsistenzwirtschaft zur Erzeugung von Überfluss, der Entstehung gesellschaftlichen Reichtums. Der Reichtum ruft als seinen wahren Adressaten und Eigner ein anderes Subjekt auf den Plan, das freilich ihn, den Reichtum mitsamt seinen menschlichen Erzeugern, für nichts zu erklären droht und deshalb zur religiösen Veranstaltung zwingt, die dem Zweck dient, das andere Subjekt aus dem Verneiner und Verwerfer der Welt und der menschlichen Existenz in deren Schöpfer und Erhalter umzufunktionieren. Ist aber Religion eine Konsequenz des Reichtums, der doch seit seiner Entstehung eine ständige und schließlich nicht mehr wegzudenkende Begleiterscheinung der menschlichen Geschichte ist – wie kann es dann überhaupt jemals zu einem Abbau oder einer Auflösung des religiösen Verhältnisses kommen?

Wenn sich die Heterogenese des religiösen Verhältnisses weder als subjektiver Wahn abtun noch als objektives Datum vorstellen lässt, so bleibt immerhin noch das Situative als Ort und Quelle möglicher Begründung – eben das Situative, das wir oben ja auch beschworen, als wir die Entstehung des Religiösen in seiner frühesten, heroologischen Form in Verbindung brachten mit der Entstehung von gesellschaftlichem Reichtum, mit jener folgenschweren historischen Situation, in der dank der Entwicklung der menschlichen Produktivkraft der subsistenzielle, auf nichts weiter als auf die Regeneration der menschlichen Lebenskraft abgestellte Stoffwechsel mit der Natur fortschreitet zu einer in materiellem Überfluss, in pleromatischer Fülle resultierenden Naturbearbeitung, in der mit anderen Worten das zirkulär-subjektive Regenerationsverfahren in einen objektiv-progressiven Produktionsprozess übergeht, der in dem Maß, wie er eine Objektivität hervorbringt, die nicht gleich wieder um der Erhaltung der hervorbringenden Subjekte willen, sprich, als Bedingung der Möglichkeit weiterer Hervorbringungen zugrunde geht und verschwindet, die hervorbringenden Subjekte mit einer prinzipiell neuen Wirklichkeit konfrontiert, sie vor eine ab initio andere Lebensweise stellt, die als solche geeignet ist, ihr bisheriges, sie definierendes Tun für obsolet und überflüssig zu erklären und als angestammten Eigner und Nutznießer dieser neuen Lebensweise und Wirklichkeit ein toto coelo anderes Subjekt auf den Plan zu rufen, ein Subjekt, das sich so toto coelo anders, so absolut different präsentiert, dass es sie, die den Reichtum hervorbringenden Subjekte, als die Voraussetzung, die Bedingung der Möglichkeit seines eigenen Seins und Bestehens gar nicht wahrzunehmen, kategorisch zu ignorieren scheint, und das, wenn diese seine absolute Achtlosigkeit und unendliche Gleichgültigkeit ihnen gegenüber mehr als ein Ausdruck bloßer Blindheit und Ignoranz sein soll, ihnen, den Reichtum hervorbringenden Subjekten, damit zu verstehen gibt, dass der von ihnen hervorgebrachte und ihm aber sich zuwendende Reichtum als solcher nur das resultative Symbol oder die selbstrevokative Reminiszenz einer Lebensweise und Wirklichkeit ist, die jenem anderen Subjekt im apriorischen Vorhinein und absoluten Jenseits aller auf die Erzeugung von Reichtum hinauslaufenden subsistentiellen Anstrengungen und produktiven Aktivitäten zukommt und die deshalb aber auch diese sämtlichen Anstrengungen und Aktivitäten mitsamt ihrem schließlichen Ergebnis, dem Reichtum, als veritable Spiegelfechterei und Leerlaufreaktion zu disqualifizieren und zu entrealisieren, für ab ovo null und ab initio nichtig zu erklären Miene macht.

Das so ex improviso des Reichtums auftauchende toto coelo andere Subjekt diktiert durch die Disqualifizierungs- und Entrealisierungsdrohung, mit der es die den Reichtum hervorbringenden Subjekte heimsucht, deren weiteres Verhalten. So gewiss jene Entwertungs- und Entwirklichungsdrohung in der Art des anderen Subjekts, sie und ihre Welt gar nicht wahrzunehmen, radikal zu ignorieren, beschlossen liegt, will heißen, in der unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität, mit der es ihnen und der von ihnen definierten beziehungsweise produzierten Welt begegnet, so gewiss hängt für sie alles daran, ihm diese Haltung unbedingter Indifferenz und absoluter Negativität zu verschlagen und ihm ein eigenes Verhältnis, eine spezifische Beziehung zu ihrer Welt zuzusprechen, ihm mit anderen Worten nachzuweisen, dass es mit ihrer Welt in genere und dem Reichtum, den sie hervorbringen, in specie durchaus etwas zu schaffen hat, dass es an beidem relativ interessiert ist, positiv teilhat.

Wie oben gezeigt, führen die durch das Erscheinen des anderen Subjekts ex improviso des Reichtums in ihrem Sein und Gelten bedrohten reichtumproduzierenden Subjekte der heroologischen Stammesgesellschaften und der folgenden theokratischen Territorialherrschaften diesen Nachweis in der Form, dass sie das andere Subjekt als den sei's heroologisch singulären, sei's theokratisch vielgestaltigen Schöpfer und Urheber ihrer Welt in genere und ihres Reichtums in specie reklamieren, ihm beides mit anderen Worten als dem Ursprung nach sein autorschaftliches Eigen, als von Haus aus sein herrschaftliches Hab und Gut vindizieren, womit sie freilich vor dem Problem stehen, dass sie zwar seine Indifferenz und Negativität gebannt haben, aber nur um den Preis ihrer vollständigen Enteignung und Entfremdung, nur um den Preis mit anderen Worten, dass ihre dem anderen Subjekt in der Figur des Heros oder in der Gestalt von Göttern anheim gestellte Welt ihnen nun als durchgängig von seinen Bedürfnissen und Interessen okkupierte fremde Sache, als von seinen Ansprüchen und Prärogativen alterierte Realität entgegentritt.

Wollen die Subjekte sich die Verfügung über ihre Welt teilweise zumindest erhalten, wollen sie sich die ihnen vertraute Wirklichkeit nicht zur Gänze entfremdet und entzogen sehen, so müssen sie also ein Übriges tun und die oben geschilderte Trennung zwischen menschlichen und göttlichen Bereichen, sakralen und profanen Objekten, alltäglichen Prozessen und feiertäglichen Prozessionen ins Werk setzen. Sie müssen eine durchgängige Dichotomisierung der Welt im buchstäblichen Sinne ins Werk setzen – will heißen, sie müssen einen Teil dessen, was sie gewahren und vollbringen, imaginieren und produzieren, als dem heroischen Schöpfer beziehungsweise den göttlichen Eignern der Welt besonders unmittelbar entstammende, von ihnen besonders geprägte, ihr Copyright besonders verkörpernde und ihnen deshalb besonders am Herzen liegende Realität realisieren, um die urheberschaftlich-heroische Macht oder eignerschaftlich-göttliche Instanz auf diese ihr als ihr Spezifikum nahegelegte Realität zu fixieren, sie quasi in deren Bann zu schlagen, und so die restliche Wirklichkeit vom unmittelbaren Zugriff und Einfluss jener Macht und Instanz relativ freizuhalten und als keiner heroischen Beachtung oder göttlichen Zuwendung werte Allerweltswelt für eigene, menschliche Zwecke unangefochten in Anspruch nehmen und ungestört nutzen zu können.

Formal gesehen, handelt es sich bei dieser Dichotomisierung der Welt in einen sakralen und einen profanen Bereich um einen simplen Perspektivenwechsel: Die Menschen teilen die eine Objektivität, die sie imaginieren und produzieren, in zwei Objektklassen auf und behandeln und betrachten die eine unter einer anderen Perspektive als die andere. Weil aber ihr Tun und Wahrnehmen je schon unter dem traumatischen Eindruck jenes dem Produkt ihrer eigenen Arbeit und Tätigkeit entspringenden anderen Subjekts steht und weil es ganz und gar dem Erfordernis dient, das Trauma zu bewältigen beziehungsweise aus der Welt zu schaffen, sprich, jenes andere Subjekt seiner die ganze menschliche Welt mit Entwertung und Entwirklichung bedrohenden Indifferenz und Negativität zu entreißen und in einen Urheber und Faktor eben dieser menschlichen Welt umzufunktionieren, es der positiven Funktion, der affirmativen Bedeutung eines Gestalters und Erhalters der letzteren zu überführen – weil dies so ist, kehrt, real verstanden, der Perspektivenwechsel von vornherein die Züge eines veritablen Subjektwechsels hervor, da ja die Menschen alles, was sie an sakralen Dingen und Ritualen ersinnen und hervorbringen, je schon in den Dienst jener Umfunktionierungsleistung stellen, je schon als Resultat und Beweis der dem anderen Subjekt vindizierten und ebenso sehr in abstracto der Göttlichkeit der Welt umfassenden wie in concreto der Heiligkeit der Welt eingeschränkten Urheber- und Eignerschaft zur Vorstellung bringen und gelten lassen müssen.

Eine bestimmte, historisch bedingte Situation also, die Situation einer dank der Produktivkraftentwicklung an die Stelle stammestypischer Subsistenzwirtschaft tretenden gesellschaftlichen Reichtumsproduktion, ist es, was zum praktischen und theoretischen Perspektivenwechsel einer Erzeugung und Wahrnehmung sakraler, von den Alltagsdingen und –verrichtungen unterschiedener Objekte und Handlungen zwingt. Und weil es aber in dieser Situation darum geht, einem ex improviso des Reichtums auftauchenden anderen Subjekt mittels jener sakralen Objekte und Handlungen nachzuweisen, dass es hinsichtlich der Welt das im Prinzip beziehungsweise in parte pro toto gleiche aktive oder kontemplative, produktive oder rezeptive Verhalten an den Tag legt wie die menschlichen Subjekte selbst, weil also die menschlichen Subjekte damit befasst sind, sich in das andere Subjekt hineinzuversetzen, nur um es seiner absoluten Isolation und Unvergleichlichkeit zu entreißen und in eine mit der menschlichen Konstitution und Beschaffenheit kompatiblere Form und Fasson zu übersetzen, agieren sie im Zeichen einer Selbstverleugnung beziehungsweise produzieren und rezipieren sie sub specie einer Fremdbestimmung, die den von der Sache her bloßen Perspektivenwechsel als einen dem Zweck nach veritablen Subjektwechsel vorstellig werden lässt.

Es ist demnach die Präsenz und Macht des reichtumsentsprungen anderen Subjekts, die das religiöse Verhältnis, einen dem anderen Subjekt als heroischem Urheber oder göttlichen Eigner geweihten Bereich sakraler Objekte und Rituale, erzwingt und die zugleich die menschlichen Subjekte daran hindert, die Hervorbringung und Wahrnehmung dieses sakralen Bereichs als bloßen, die Einheit menschlicher Subjektivität wahrenden Perspektivenwechsel zu begreifen, und sie vielmehr dazu nötigt, ihrem produktiven Tun und rezeptiven Beginnen die Bedeutung eines die Einheit menschlicher Subjektivität sprengenden und transzendierenden Subjektwechsels beizumessen, also einer Substitution ihrer selbst durch nichtmenschliche Wesen stattzugeben, die sie, die menschlichen Subjekte, höchstens und nur zu vertreten beziehungsweise zu repräsentieren, denen sie höchstens und nur als Werkzeug beziehungsweise als Medium zu dienen befugt sind.

Wenn so aber die Erzeugung gesellschaftlichen Reichtums es ist, was das religiöse Verhältnis erzwingt, was die menschlichen Subjekte uno actu dazu nötigt, andere als die alltäglichen Dinge hervorzubringen und andere als die gewöhnlichen Handlungen zu begehen und dabei nicht allein so zu tun, sondern mehr noch so zu denken, als seien diese anderen Dinge und Verrichtungen nicht andersartig eigene, sondern eigenartig fremde, nicht modifiziert menschliche, sondern alteriert göttliche – wenn also die Erzeugung gesellschaftlichen Reichtums es ist, was den de facto bloßen Perspektivenwechsel als de jure veritablen Subjektwechsel erscheinen lässt, wie ist dann überhaupt eine Auflösung und Rückführung jenes religiösen Zwangsverhältnisses möglich, wie kann es dann überhaupt dazu kommen, dass sich die menschlichen Subjekte von jener das andere Subjekt betreffenden Umfunktionierungs- und Integrationsleistung, die nur um den Preis einer als Subjektwechsel realisierten Selbstentfremdung zu haben ist, dispensiert und in die Lage versetzt finden, jene realistische Sicht auf ihr Tun auszubilden, die die Substitution ihrer selbst durch den Heros oder die Gottheit zurücknimmt, an der Einheit des menschlichen Subjekts als eines höchstens und nur die Perspektive wechselnden apperzeptionellen Bezugspunktes seiner sämtlichen Aktivitäten, der produktiven ebenso wie der rezeptiven, festhält und damit allererst den Grund für Handlungen und Erfahrungen wie jene legt, die wir mit dem Begriff des Ästhetischen verbinden, Handlungen und Erfahrungen, die, wie sehr sie sich auch von den alltäglichen Geschäften und gewöhnlichen Verrichtungen unterscheiden und separieren mögen, doch aber eine prinzipiell empiriologische Identität oder prozesslogische Kontinuität mit letzteren wahren?

Schließlich ist ja die Erzeugung gesellschaftlichen Reichtums und Überflusses keine sporadische oder intermittierende Erscheinung in der menschlichen Geschichte, sondern ein diese Geschichte vom Augenblick seines ersten Auftretens an maßgeblich bestimmender und – unbeschadet regionaler Rückschläge und partieller regressiver Entwicklungen – permanent begleitender Faktor, ein Faktor, dessen Zwangsläufigkeit und Permanenz sich aus der Natur beziehungsweise dem Selbsterhaltungsprinzip des Menschen, nämlich der Arbeit und dem ihr als Produktivkraft eingeschriebenen Entfaltungspotenzial, erklärt und der eben deshalb aber auch nicht einfach nur qualitative Beständigkeit und durchgängige Präsenz beweist, sondern sich dabei mehr noch quantitativ immer stärker zur Geltung bringt und progressiv an Dominanz gewinnt. Nicht genug damit, dass die Reichtumsproduktion, sobald die Menschheit erst einmal die als Produktivität firmierende Kapazität zu ihr entwickelt hat, eine – wie die letztliche Vergeblichkeit aller frühgeschichtlich-heroenkultlichen Verschwendungsstrategien beweist – im Prinzip nicht mehr rückgängig zu machende Gegebenheit aller weiteren Menschheitsgeschichte darstellt, darüber hinaus nimmt dank des wenn auch vielleicht nicht stetigen, so doch aber unaufhaltsamen Wachstums eben jener als Produktivität firmierenden menschlichen Kapazität der gesellschaftliche Reichtum im Zuge der Geschichte immer größere Dimensionen an und gewinnt entsprechend immer weiter an Stellenwert und Bedeutung im Leben der betreffenden Gesellschaften.

Wenn dies aber so ist und wenn andererseits unsere These zutrifft, dass die Existenz gesellschaftlichen Reichtums verantwortlich ist für die Entstehung von Religion und die allen religiösen Vorstellungen und Handlungen der Menschen zugrunde liegende Erfahrung eines das menschliche Vorstellungs- und Handlungskontinuum sprengenden veritablen Subjektwechsels – wie kann es dann jemals zu einem Abbau oder einer Auflösung dieses religiösen Zwangsverhältnisses kommen, wie sollen die Menschen dann jemals imstande sein, die fixe Idee von einem ihren religiösen Vorstellungen und Handlungen eine göttliche Genese, eine nichtmenschliche Herkunft vindizierenden Subjektwechsel aufzugeben und die ihnen de facto oder realiter ohnehin zukommende Urheberschaft an jenen religiösen Vorstellungen und Handlungen nun auch de jure und in aller Form wahrzunehmen und geltend zu machen? Den praktisch-empirischen Beweis dafür, dass die Menschen dazu imstande sind, dass sie also in der Lage sind, die fixe Idee vom Subjektwechsel aufzugeben und in die realitätsgerechtere Form eines die Einheit des Subjekts wahrenden bloßen Perspektivenwechsels zu überführen – diesen praktisch-empirischen Beweis liefert uns nicht zuletzt die Ästhetik, das Faktum einer in der Menschheitsgeschichte Ereignis werdenden Produktion und Kontemplation schöner Objekte und Verhaltensweisen, die sich zwar von den Gebrauchsgegenständen und lebenserhaltenden Handlungen des Alltags markant unterscheiden, aber doch nicht so unterscheiden, wie das die religiösen Objekte und Rituale offenbar tun. Und eben diesen praktisch-empirischen Beweis aber scheinen wir nun durch unsere Behauptung des gesellschaftlichen Reichtums als für die Entstehung und den Bestand des religiösen Verhältnisses verantwortlichen Faktors theoretisch-systematisch zu dementieren und für unmöglich zu erklären!

Das Dilemma ist klar, und ebenso klar sind die Konsequenzen, die wir daraus ziehen müssen. Entweder wir müssen die These vom kausalen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Reichtum und religiösem Verhältnis für irrig erkennen und fallen lassen, oder wir müssen, wenn wir an der These festhalten wollen, unseren bislang ja recht pauschalen oder abstrakten Begriff von gesellschaftlichem Reichtum so spezifizieren beziehungsweise modifizieren, dass er, mag er auch im Allgemeinen oder im systematischen Prinzip als Grund für das religiöse Verhältnis gelten können, doch aber im Besonderen oder in seiner historischen Entwicklung die Möglichkeit einer Emanzipation vom religiösen Verhältnis und eines Verzichts auf es einschließt.

So haarspalterisch und ausflüchtig dieser Rettungsversuch auf den ersten Blick erscheinen mag, er kann sich darauf berufen, dass – wie an anderer Stelle verschiedentlich bereits dargetan! 3 – gesellschaftlicher Reichtum in der Tat kein von Anfang an in seiner Erscheinungsform feststehendes und sich qualitativ unveränderlich fortschreibendes Phänomen darstellt, sondern im Laufe der Geschichte Modifikationen und Spezifikationen unterliegt. Und unter anderem auch einer solchen Spezifikation, die nachdrücklich genug ist, um die bis dahin herrschende Form von Reichtum auszuhebeln und durch eine Reichtum im spezifischen traditionellen Sinn gar nicht mehr verkörpernde, wiewohl durchaus dem generellen Begriff nach Reichtum beinhaltende neue Form zu ersetzen. Gemeint ist damit die radikale Veränderung, die der Reichtum mit dem Aufkommen eines jenseits lokaler Tauschhandelsbeziehungen sich entfaltenden und die Grenzen der Territorialherrschaften und ihrer separaten Wirtschaftsräume überschreitenden kommerziellen Systems und in der Konsequenz der ihm durch letzteres vindizierten neuen Disponibilität und Mobilität erfährt.

Im traditionellen Sinne ist Reichtum eine im territorial ebenso be- schränkten wie fundierten Rahmen einer Stammesgemeinschaft oder Klassengesellschaft in arbeitsteiliger Kooperation erzeugte Masse an primär agrarischen und sekundär handwerklichen Lebensmitteln und Gebrauchsgütern, die groß genug ist, um alle an der Erzeugung Beteiligten mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen und darüber hinaus noch ein Quantum zu umfassen, das für das Überleben der Erzeuger, ihre individuelle und generische Reproduktion, ihre Subsistenz nicht erforderlich ist und das sich aber als kritisches Moment und entscheidender Faktor insofern erweist, sich in der paradoxen Rolle des einen Pferdehaars, das viele einzelne seinesgleichen zu einem Pferdeschwanz synthetisiert, oder des einzelnen Weizenkorns, das eine Vielzahl Körner zu einem Haufen Getreide akkumuliert, insofern bewährt, als es durch sein Vorhandensein der Gesamtmasse des Erzeugten eine neue Qualität verleiht und Subsistenzmittel sich in Reichtum verwandeln, Lebensnotwendiges in Überfluss umschlagen lässt. Diesen qualitativen Sprung, diesen realen Gattungswechsel hält das Wort Überfluss mit der ihm eigenen Zweideutigkeit fest, indem es einerseits oder aus der Subsistenzperspektive bezeichnet, was über das für die Subsistenz Erforderliche hinausgeht und deshalb entbehrlich, überflüssig ist, und andererseits oder sub specie der neuen Beschaffenheit, die eben dies Überflüssige dem Ganzen vindiziert, etwas symbolisiert, was von Entbehrungen und Mangel und dem durch sie bestimmten, um die Subsistenz, die Erhaltung des Lebens oder vielmehr die Reproduktion der für die Erhaltung des Lebens erforderlichen Leibes- und Geisteskraft, kreisenden Kampf und Arbeitsprozess überhaupt entbindet.

Überfluss in diesem positiven, das Überflüssige als Dreh- und Angelpunkt eines qualitativen Zustandswechsels realisierenden Sinne ist Fülle, Pleroma, eine allem Anschein nach unmittelbare Gegebenheit, die ihr Geschaffensein, ihr Vermitteltsein durch Arbeit in dem Maße vergessen lässt, wie sie eine Lebensperspektive erschließt, die sich unabsehbar frei von Entbehrungen und Mangel und der dadurch diktierten Notwendigkeit neuerlicher Arbeitsanstrengungen darstellt, ein Sein begründet, das ebenso gewiss, wie sie, die gegebene Fülle, sich als bleibende Kondition, substanzieller Bestand erweist, in diesem Bestand sichselbstgleich aufgehoben und dem Wechselspiel aus Regeneration und Produktion, Vereinnahmung und Verausgabung, Entstehen und Vergehen ein für alle Mal enthoben ist. Als pleromatische Fülle, eben als Reichtum, übereignet sich das Geschaffene einem Subjekt, das von Arbeit zwecks Subsistenz, von Reproduktion der Kräfte zum Zwecke ihrer neuerlichen Verausgabung, von Entbehrungen und Mangel, die immer neu gelitten werden müssen, nur um sie nicht ein für alle Mal leiden zu müssen, nichts zu wissen braucht. Dies Subjekt aber sind nicht jene, die den Reichtum geschaffen haben und die zutiefst geprägt sind von Entbehrungen und Mangel und dem durch sie diktierten Erfordernis der Subsistenz. Der Reichtum setzt vielmehr ein anderes, ihm entsprechendes Subjekt als seinen Bezugspunkt und Adressaten voraus, inszeniert mit anderen Worten ex cathedra seines Bestehens einen veritablen Subjektwechsel.

Wieso aber eigentlich? Wieso fahren wir gleich solch schweres Geschütz auf und vindizieren dem pleromatischen Ereignis mit dem Begriff des Subjektwechsels die bereits oben beschworene Radikalität und Dramatik einer dem qualitativen Sprung im Objekt, dem Übergang von Subsistenz zu Reichtum, korrespondierenden und als ein Akt ersatzloser Streichung exekutierten Ersetzung dessen, worauf das Objekt sich bezieht? Wieso sollte es denen, die den Reichtum geschaffen haben, eigentlich nicht möglich sein, sich ihm entsprechend zu verändern, der mit ihm gegebenen neuen Kondition sich anzupassen und ihr bisheriges, subsistenzielles, durch Mühe und Arbeit geprägtes Verhalten in eine dem Reichtum entsprechende neue, von nichts als von Befriedigung und Genuss zeugende Existenzform zu überführen?

Und selbst wenn ihnen das tatsächlich nicht möglich ist, sie zu tief befangen sind in den wiederholungsträchtigen Mechanismen ihrer arbeitsprozessualen Reproduktion und deshalb der das subsistenzielle Genug transzendierende Überfluss, in dem ihre Arbeit schließlich kulminiert, nicht ihnen, sondern einem anderen Subjekt angemessen ist und zustatten kommt – muss dieses andere Subjekt denn gleich einen als Sprung in der Gattung wohlverstandenen Subjektwechsel bedeuten, muss es gleich so völlig aus der Kontinuität des menschlichen Daseins herausspringen, dass es letzteres total zu revozieren, ersatzlos zu streichen, für absolut null und nichtig zu erklären Miene macht? Können dies andere Subjekt denn nicht einfach nur, wie empirisch so häufig der Fall, jüngere, unverbildete Artgenossen, lachende Erben, die vielen nicht nur von der menschlichen Phantasie beschworenen, sondern durchaus auch vom Leben bezeugten Glückskinder sein, denen in den Schoß fällt, was zuvor andere mit Mühe und Arbeit hervorgebracht haben?

So sehr indes dies im realen Leben so sein mag und also die Rede von einem durch den Reichtum provozierten Gattungssprung übertrieben und melodramatisch erscheinen mag, in der transzendentalen Erfahrung der Betroffenen stellt sich die Sache anders dar. Hier nämlich bringt das vom Überfluss auf den Plan gerufene, als Geschöpf des Reichtums in Erscheinung tretende andere Subjekt eben deshalb, weil es als wesentlich anderes, als der durch Mangel und Entbehrungen definierten Identität der Artgenossen überhobenes, ihrer in Arbeit und Mühe bestehenden conditio humana lediges erscheint, nun seinerseits einen anderen Reichtum als den empirisch gegebenen, von den Artgenossen, die sich als solche negiert finden, geschaffenen und damit das eigentliche Skandalon ins Spiel. Vom empirischen Reichtum evoziert und als sein wahrer Herr und wirklicher Eigner auf den Plan gerufen, kann zugleich doch das andere Subjekt in diesem empirischen Reichtum unmöglich seine Wahrheit wahrnehmen, seine Wirklichkeit erkennen.

Was das andere Subjekt mit dem empirischen Überfluss, der es beschwört, vor sich hat, sind zwar Subsistenzmittel, die durch das Überflüssige an ihnen den subsistenziellen Zirkel durchbrechen und den Eindruck einer neuen Qualität, den Anschein eines differenten Seins erwecken – eben jenen Eindruck und Anschein, der als Bezugspunkt oder Adressaten der im Überfluss vorhandenen Subsistenzmittel das andere Subjekt beschwört. Empirisch aber bleibt dieser Eindruck einer neuen Qualität, dieser Anschein eines differenten Seins, den im Modus des Überflusses die Subsistenzmittel erwecken, doch allemal ein bloßes Als-ob oder approximatives Quasi, das sich in dem Augenblick, in dem von den im Überfluss vorhandenen Subsistenzmitteln der entsprechende Gebrauch gemacht wird und sie mithin als Basis für ein anderes, von Entbehrungen und Mangel, Arbeit und Mühe dispensiertes Leben reklamiert werden und herhalten müssen, nur zu rasch auflöst und als schöner Schein, als schiere Täuschung verflüchtigt. Empirisch bleibt mit anderen Worten der Reichtum und Überfluss ein vergängliches Phänomen, etwas, wodurch das subsistenzielle Verhältnis, die conditio humana, zwar für ein Weilchen außer Kraft gesetzt, nicht aber ein für alle Mal aus der Welt geschafft werden kann.

Was hingegen dieser endliche Reichtum setzt, ist ein anderes Subjekt, das anders nur in dem Maße und eben deshalb ist, weil die Basis, die es hat, das Sein, in dem es gründet, Reichtum sans phrase, Überfluss ohne Wenn und Aber ist, ein pleromatisch Gegebenes, unmittelbare Fülle, die es a priori frei von Entbehrung und Mangel, ein für alle Mal aller Arbeit und Mühe überhoben sein lässt. Sosehr also der von den Artgenossen empirisch geschaffene Reichtum das andere Subjekt auf den Plan rufen und als seinen Adressaten und Eigner behaupten mag, Tatsache ist, dass in einer Art spontanen Reflexion-in-sich dies andere Subjekt nun nicht etwa den empirisch geschaffenen Reichtum und Überfluss, sondern einen seiner Perspektive gemäßen nichtempirisch anderen Reichtum, einen seinem Blick sich erschließenden transzendental eigenen Überfluss als sein Sein erkennt, als seine Wirklichkeit wahrnimmt, dass es also, einerseits zwar durch den empirischen Reichtum beschworen, seinerseits aber einen anderen als den empirischen Reichtum beschwört, den empirischen Reichtum, ihn pauschal negierend oder vielmehr total ignorierend, durch einen Reichtum ersetzt, der nur für es, das andere Subjekt, vorhanden, ausschließlich ihm zugänglich und verfügbar ist.

In der Tat ist genau dies das Skandalon, das der eigene Reichtum seinen Erzeugern einbrockt, dies das Schreckliche, das er ihnen zufügt, dass er in actu und persona des von ihm auf den Plan gerufenen anderen Subjekts sich quasi spontan dirimiert, unvermittelt in sich selbst, den empirischen Reichtum, zerfällt, der sich dem anderen Subjekt als seinem Herrn und Eigner zuwendet, und in einen anderen, der Empirie entzogenen Reichtum, auf den sich das andere Subjekt als auf sein Sein, seine Wirklichkeit bezieht, kurz, dass er eine Aufspaltung erfährt, die so vollständig ist, dass sie den Tatbestand eines ontologischen Sprungs oder modallogischen Ebenenwechsels erfüllt: So gewiss das andere Subjekt den Reichtum, der sich ihm zuwendet, ignoriert, ihm mit der Indifferenz und Negativität dessen begegnet, der von diesem Reichtum nicht das Geringste weiß, an seiner Stelle absolut nichts gewahrt, und sich statt dessen auf einen anderen Reichtum bezieht, der sich in der Perspektive beziehungsweise auf der Ebene des empirischen Reichtums gar nicht antreffen lässt, der sich im ontologischen Rücken oder chronologischen Vorhinein der Erzeuger des letzteren ereignet, in einem Jenseits oder Apriori, das die Erzeuger des empirischen Reichtums in den Irrealis einer unwiederbringlich verlorenen Möglichkeit, einer durch den Realisierungsprozess des empirischen Reichtums ein für alle Mal verspielten Wirklichkeit versetzt, so gewiss dekuvriert sich der empirische Reichtum als nur eine Wirklichkeit zweiten Grades, als die Erscheinung eines Seins, das, wie man will, vor oder hinter aller Erscheinung und für sie uneinholbar je schon ist, als etwas, das für die Artgenossen bloß sichtbar werden lässt, was für das andere Subjekt greifbar ist, das für die Artgenossen bloß bedeutet, was allein dem anderen Subjekt zukommt – kurz, der empirische Reichtum stellt sich als bloßes Symbol, bloßer Widerschein der als Reichtum sans phrase, als wahres Pleroma perennierenden Wirklichkeit des anderen Subjekts heraus.

Dies also ist das eigentliche Skandalon, das der empirische Reichtum seinen Erzeugern bereitet, indem er ihnen als seinen wahren Herrn und wirklichen Eigner das andere Subjekt vor die Nase setzt: Uno actu des von ihm auf den Plan gerufenen anderen Subjekts widerlegt der Reichtum sich selbst als dessen wahrer Bezugspunkt und wirklicher Gegenstand, disqualifiziert und irrealisiert sich mit anderen Worten und erklärt sich zum Symbol eines Seins, das er nur scheint, zur Repräsentation einer Präsenz, die er nicht ist, zum bloßen, nur den Artgenossen erscheinenden Widerschein, zur reinen, den Artgenossen zum Irrealis geratenden Reminiszenz eines Seins, in dem allein das andere Subjekt zu Hause ist, eines Habens, das ausschließlich dem anderen Subjekt eignet.

Und als auf den empirischen Reichtum als ihr materialiter ausschließliches Sein, ihre realiter einzige Wirklichkeit bezogene und angewiesene finden sich nun natürlich die Artgenossen in ein und denselben Disqualifizierungs- und Entrealisierungsprozess verstrickt, dem sich ex cathedra des von ihm auf den Plan gerufenen anderen Subjekts der Reichtum selbst exponiert und unterwirft. So gewiss sich der empirische Reichtum im unendlichen Urteil des von ihm beschworenen anderen Subjekts zum Symbol und Widerschein seiner selbst entwertet und entwirklicht, so gewiss verschlägt er auch denen, die ihn erzeugen und die in ihm ihren tragenden Gegenstand und bleibenden Bestand reklamieren, den ontologischen Wert, den sie zu haben meinen, und die modallogische Wirklichkeit, auf die sie Anspruch erheben. Was Wunder, dass die Betroffenen alle geschilderten, heroenkultlich-ätiologischen oder götterkultlich-theologischen Anstrengungen unternehmen, um das andere Subjekt aus dieser unmittelbar von ihm behaupteten Position eines absoluten Disqualifizierers der irdischen Dinge und unendlichen Irrealisierers des menschlichen Daseins zu vertreiben und ihm statt dessen die Rolle eines Schöpfers der Welt und Beschirmers der Menschen zu vindizieren, ihn aus dem Negator und Verwerfer der durch seine Person als Schein bloßgestellten Welt in den Begründer und Reaffirmator einer durch ihn höchstpersönlich ins Werk gesetzten Erscheinungswelt umzufunktionieren?

Die Basis für die Ablösung vom religiösen Zwangsverhältnis bietet die Überführung von territorialem in kommerziellen Reichtum, von Reichtum, der Überfluss, ein Medium der Fülle, kurz, Reichtum ist, in Reichtum, der Überschuss, ein Vehikel der Erfüllung, sprich, Vermögen darstellt. Kommerzialisierung geht Hand in Hand mit Säkularisierung und mit der darin beschlossenen Ermöglichung eines Umgangs mit der Welt, der nicht mehr vom religiösen, aktiven Subjektwechsel geprägt, sondern einem kontemplativen Perspektivenwechsel geschuldet ist, der die Einheit des menschlichen Subjekts wahrt und in eben diesem Sinne als ästhetisch gelten kann. Die bloße Möglichkeit der Ästhetik begründet freilich noch nicht deren Notwendigkeit.

Basis und Ausgangspunkt des als ontologisch anderes, modallogisch verschiedenes Subjekt hereinbrechenden und nur mit religiösen Mitteln zu bewältigenden Skandalons aber ist – um von unserem länglichen Exkurs in die Mechanismen des skandalösen Vorgangs zu unserem Ausgangspunkt zurückzukehren! – der empirische Reichtum als ein von der subsistenziellen Situation nachdrücklich differierender Zustand, als Phänomen, an dem das Differente in einem das subsistenzielle Genug übersteigenden pleromatischen Zuviel, einem über das für die Subsistenz Erforderliche oder Unentbehrliche hinausgehenden Moment des Entbehrlichen und Überflüssigen besteht, das nun dem ganzen durch die subsistenzielle Anstrengung hervorgetriebenen Resultat, dem ganzen durch menschliche Arbeit erzeugten Produkt den Charakter des Überflusses, die neue Qualität einer von Arbeit entbindenden, weil aus dem Vollen, als das sie erscheint, schöpfenden Fülle vindiziert. So gewiss die Erzeugung empirischen Reichtums bedeutet, dass nicht einfach mehr nur das für die Reproduktion der für die Produktion nötigen Kräfte, nicht mehr nur das subsistenziell Erforderliche, den Stoffwechselkreislauf mit der Natur Aufrechterhaltende produziert wird, sondern dass mehr, als für die einfache Reproduktion erforderlich, geschaffen, dass zur Aufrechterhaltung des Stoffwechselkreislaufs Entbehrliches, unter dem Gesichtspunkt der bloßen Subsistenz Überflüssiges hervorgebracht wird, so gewiss ist es dies aus subsistenzieller Sicht Entbehrliche, das das Geschaffene als Reichtum, dies für die einfache Reproduktion Überflüssige, das das Hervorgebrachte als Überfluss erscheinen lässt, sprich, ihm die neue Qualität eines für andere als bloß regenerative Zwecke konditionierten Seinsgrundes, eines unmittelbar gegebenen und eben deshalb zum Medium eines Lebens ohne Arbeit und Mühe vollendeten Lebensmittels verleiht und es als diese, die schlechte Unendlichkeit und Kreisläufigkeit der fortlaufenden Subsistenz transzendierende bleibende Substanz zum Schauplatz eines die conditio humana der arbeitenden Artgenossen, ihr Dasein im Wechselspiel von Mangel und Suffizienz, nicht minder transzendierenden anderen Subjekts werden lässt.

Genau dies den Überfluss initiierende, den Reichtum konstituierende Moment des Entbehrlichen und Überflüssigen aber tendiert nun dazu, mit der Entfaltung der anfänglich bloß lokalen Tauschhandelsbeziehungen zu einem Territorien und Wirtschaftsräume überspannenden kommerziellen System zu verschwinden. Nicht natürlich materiell, in seiner faktischen Existenz, seinem Dasssein, wohl aber kategorial, seiner systematischen Evidenz, seinem Wassein, nach! Es verschwindet, weil die kommerzielle Funktion Verwendung für das Entbehrliche und Überflüssige hat, dem Entbehrlichen Nützlichkeit nachweist, dem Überflüssigen einen Wert verleiht. Zwar wird nach wie vor und dank wachsender gesellschaftlicher Produktivkraft mehr denn je das Maß der bloßen Subsistenz überschritten und mit dem Effekt der Erzeugung von Reichtum und Überfluss ein über die nötigen Subistenzmittel hinausgehendes Mehr und Zuviel produziert, aber weil dank der von der kommerziellen Funktion initiierten Austauschprozesse dies Mehr oder Zuviel sich andernorts als etwas Nötiges oder Nützliches herausstellt und dort gegen Dinge, wie man will, aus- oder eingewechselt wird, die sich wiederum da, wo das Mehr oder Zuviel produziert wurde, als nötig oder nützlich erweisen, büßt die Kategorie der Entbehrlichkeit oder Überflüssigkeit ihre auf Dysfunktionalität beziehungsweise Sinnlosigkeit abgestellte Relevanz ein und macht der Vorstellung von einer Funktionalität sui generis, einem Sinn eigener Art Platz.

Weil durch die Intervention des kommerziellen Systems das eine Entbehrliche sich als etwas darstellt, das für ein anderes Nützliches verwendbar ist, und das hier Überflüssige zu etwas wird, das andernorts nötig und deshalb in ein dort Überflüssiges, das wiederum hier gebraucht wird, verwandelbar ist, hört das im Rahmen der traditionellen, territorialen Reichtumsproduktion Entbehrliche und Überflüssige auf, in einem klaren und eindeutigen Gegensatz zu dem zu erscheinen, was im gleichen Rahmen als nützlich und nötig, als vom pleromatischen Zuviel übertroffenes und außer Kraft gesetztes subsistenzielles Genug gilt, und beweist in dem Maße Kontinuität und Komparabilität mit seinem bisherigen Gegensatz, wie es sich selber als ein Nützliches eigener Art, ein Notwendiges zweiten Grades bewährt.

Dank des kommerziellen Austauschs und der durch ihn systematisch eröffneten Möglichkeit, Subsistenzmittel, nach denen kein Bedürfnis besteht, die überflüssig sind, in solche zu transformieren, die definitionsgemäß Subsistenzmittel sind, weil sie einem Bedürfnis entsprechen oder eines erzeugen, wird aus dem Überfluss Überschuss, aus dem Reichtum Vermögen. Der Reichtum verliert seine Aktualität, seine topische Wirklichkeit, und wird Potenzial, chronische Möglichkeit – eine Möglichkeit, ein Vermögen zur Hebung und Verbesserung der Subsistenz, ihrer kontinuierlichen Entfaltung und schließlichen Vervollkommnung in Richtung auf einen Zustand, in dem letztere gleichbedeutend wäre beziehungsweise deckungsgleich würde mit dem, wovon sie bislang nur diskret ersetzt und im qualitativen Sprung verdrängt wird, eben dem Reichtum und Überfluss selbst. Der Reichtum als reeller verliert seine Realität und wird zum bloßen Mittel, zum transitorischen Vermittlungsglied eines ideellen Fluchtpunkts, in dem Subsistenz und Überfluss koinzidieren würden.

Kaum tritt das Medium der Fülle, das den Mangel und die ihn ebenso sehr reproduzierende wie behebende Subsistenz unvermittelt zum Verschwinden bringt, in die Erscheinung, wird es durch die kommerzielle Funktion auch schon in ein Vehikel der Erfüllung verwandelt, in einen Erfüllungsgehilfen der sich mit ihrer Degradation zum qualitativ differenten Modus nicht abfinden wollenden und eben deshalb mittels dieses Gehilfen ihre quantitativ-graduelle Entfaltung zu einem reichtumskongruenten Phänomen betreibenden Subsistenz. Als kommerziell verwerteter Überschuss beansprucht mit anderen Worten der Überfluss, die Subsistenz auf empirischem Wege in eben den Erfüllungszustand zu überführen, von dem er als unmittelbar solcher, als die durch Überflüssiges konstituierte aktuelle Fülle, die Subsistenz vielmehr mit systematischer Entschiedenheit ausschließt.

So paradox das alles objektiv sein mag, der subjektive Effekt ist jedenfalls der, dass für die betroffenen Produzenten die Überflusserfahrung, die Reichtumskategorie verschwindet. Indem die kommerzielle Funktion und ihr Austauschsystem den Überfluss als aktuelle Fülle aufheben und in Überschuss als Mittel potenzieller Erfüllung überführen, entfällt das existenzielle Ereignis eines qualitativen Sprungs in der Wahrnehmung der gegenständlichen Welt, das factum brutum oder vielmehr fait accompli des im Reichtumsbegriff implizierten grundlegenden Zustandswechsels im Verhältnis zur Objektivität. Und zusammen mit dem Ereignis oder Faktum entfällt nun natürlich auch der als anderes Subjekt erscheinende Akteur oder Faktor, den es quasi automatisch heraufbeschwor, den es ebenso regelmäßig wie spontan auf den Plan rief. Indem die Initiative der kommerziellen Funktion den im Begriff des Überflusses, des Pleromas, gefassten ontologischen Zustandswechsel unterläuft und außer Kraft setzt, verhindert und erübrigt sie auch den in diesem ontologischen Zustandswechsel implizierten und ex improviso seiner sich ereignenden identitätslogischen Subjektwechsel.

Und wenn dieser identitätslogische Subjektwechsel sich erübrigt, erledigen sich damit natürlich auch die kultisch-religiösen Veranstaltungen, die der mit jenem Subjektwechsel heraufbeschworenen und die ganze irdische Sphäre umfassenden, das gesamte menschliche Dasein betreffenden Entwertungsdrohung und Entwirklichungsgefahr entgegenzuwirken und zu wehren dienen, Veranstaltungen, die allesamt, wie gezeigt, darauf hinauslaufen, das auf den Plan gerufene andere Subjekt teils seiner Indifferenz und Negativität zu entkleiden und in einen Sanktionierer der irdischen Sphäre, einen Reaffirmator des menschlichen Daseins umzufunktionieren, teils in seiner irdischen Begründungsfunktion, in seinen Ansprüchen aufs menschliche Dasein und seiner Anteilnahme an ihm so einzuschränken beziehungsweise zu fixieren, dass es nicht überhaupt alles auf Erden mit Beschlag belegt, das ganze menschliche Dasein zu seiner Domäne, seinem Prärogativ erklärt und vielmehr dem Menschen den Raum lässt, sich in eigener Regie in der Welt zu entfalten und einen originären, nicht je schon durch göttliches Präzedenz arche- beziehungsweise stereotypisierten Umgang mit der irdischen Objektivität zu pflegen.

Demnach bringt das kommerzielle System, indem es das Reichtumsphänomen beileibe zwar nicht materialiter, wohl aber kategorialiter eskamotiert, in der Tat auch den durch das Reichtumsphänomen provozierten ontologischen Subjektwechsel oder modallogischen Identitätssprung zum Verschwinden, entzieht damit aber allen den ontologischen Wechsel in eine chronologische Abfolge und den modallogischen Sprung in einen genealogischen Prozess zu überführen, sprich, das negativitätserfüllt andere Subjekt in einen Schöpfer und Erhalter der Welt umzufunktionieren bestimmten religiösen Anstrengungen den motivationalen Boden beziehungsweise die existenziale Notwendigkeit und eröffnet so die Möglichkeit für ein nicht mehr vom Trauma des drohenden Subjektwechsels beherrschtes, nicht mehr vom religiösen Umfunktionierungszwang diktiertes neues, empiriologisch-theoretisches Verhältnis zur Welt und ihren Erscheinungen, kurz, die Möglichkeit für jene die Identität des empirischen Subjekts wahrende und die Erweiterung des Erfahrungshorizonts, die neue Sicht auf die Welt als bloßen Perspektivenwechsel realisierende Objektbeziehung, die wir mit dem Begriff des Ästhetischen verbinden.

Wenn diese systematischen, einen Zusammenhang zwischen Kommerzialisierung und Entsakralisierung der Welt konstatierenden Überlegungen zutreffen, dann lässt sich erwarten, dass sie sich auch historisch bewahrheiten und also die Brechung beziehungsweise Schwächung des in Kultgegenständen und Ritualformen seinen Ausdruck findenden religiösen Zwangsverhältnisses und seine Ersetzung beziehungsweise Unterwanderung durch menschlichere, von der Rücksicht auf Göttliches emanzipiertere Vorstellungs- und Verhaltensweisen wie etwa die ästhetische Betätigung und Betrachtung als Folge der Entstehung kommerzieller Systeme erstmals in Erscheinung tritt. Und in der Tat ist genau dies auch der Fall! Es ist die klassische Antike, sind die in der athenischen Republik ihr Paradigma behauptende griechische Polis und das in der Urbs Romana gleichermaßen seine Keimzelle und sein Zentrum findende Römische Reich, womit wir beides traditionell verbunden sehen: eine von der theokratisch-territorialherrschaftlichen Bevormundung erstmals weitgehend emanzipierte und als eigenständiger politischer Faktor den neuen Gesellschaftstyp Handelsstadt stiftende oder jedenfalls an dessen Stiftung maßgeblich beteiligte kommerzielle Funktion einerseits und eine vom Ritualismus und den kultischen Bewandtnissen der alten Religionen abgelöste und zumindest halbwegs als Lebenssphäre eigenen Rechts sich etablierende ästhetische Dimension andererseits.

In der Tat sind die Anfänge des Kommerzes und der Ästhetik für uns so eng mit dem Auftreten der antiken, als eigene Stadtstaaten von den territorialherrschaftlichen Nachbarn emanzipierten Handelsstädte verknüpft und stehen uns zugleich diese stadtstaatlichen Gemeinwesen mit ihrem dem Kommerz gedankten Liberalismus und Kosmopolitismus und ihrer in Ästhetik gründenden Kultur und Bildung traditionell und bis zum heutigen Tage so gleichermaßen plastisch und paradigmatisch, eindrucksvoll und maßgebend vor Augen, dass wir ohne diese historische Vorgabe vermutlich gar nicht ohne weiteres darauf verfallen wären, jenen systematischen Zusammenhang zwischen Kommerz und Ästhetik zu konstatieren und im Mittel der kraft Kommerz veränderten Reichtumskategorie darzulegen. Wenn man so will, haben wir mit unserem systematischen Nachweis des in der kategorialen Eskamotierung des traditionellen Reichtums durch die Handelsfunktion und in der Entsakralisierung der Welt, die damit einhergeht, bestehenden kausalen Zusammenhangs zwischen Kommerz und Säkularisierung beziehungsweise der qua Säkularisierung eröffneten Möglichkeit einer ästhetischen Behandlung und Betrachtung der Welt nur den empirischen Vorweis dessen auf den Begriff gebracht, was sich in den Handel treibenden Stadtstaaten der klassischen Antike historisch abspielt und Wirklichkeit wird.

Der einzige kleine Unterschied besteht darin, dass wir mit unseren Überlegungen zur handelsfunktionell bedingten Eskamotierung der traditionellen Reichtumskategorie und darauf basierenden Unterminierung des religiösen Zwangsverhaltens, sprich, Säkularisierung nur die allgemeine Möglichkeit einer den religiösen Ritualismus ersetzenden säkularen Ästhetik, nicht aber deren Wirklichkeit, sie in der Tatsächlichkeit der historischen Erscheinung, die sie in den kommerziellen Stadtstaaten der klassischen Antike gewinnt, nachgewiesen haben. Wir haben mit anderen Worten gezeigt, dass mit dem durch das kommerzielle System erwirkten Verschwinden des traditionellen Reichtumsphänomens die dem Subjektwechsel, der in letzterem impliziert ist, entspringende Notwendigkeit zur religiösen Reaktionsbildung und Umfunktionierungsanstrengung entfällt und damit eine vom religiösen Zwangsverhältnis und seiner rituellen Entfremdung befreite, neue, sichselbstgleich-individuelle Beziehung zur Welt, eben der ästhetische Umgang mit ihr, möglich wird.

Um nun aber mehr noch die Wirklichkeit des Ästhetischen nachzuweisen, um zu begründen, nicht nur ob und unter welchen Umständen ästhetisches Verhalten sein kann, sondern dass und aufgrund welcher Umstände es ist, genügt es nicht, die Grundlosigkeit dessen, was seine Möglichkeit verhinderte, vorzuführen, sprich, bloß negativ zu zeigen, dass die als territorialherrschaftlicher Reichtum identifizierte Objektivität, die das religiöse Zwangsverhältnis notwendig werden ließ, entfallen ist. Vielmehr müssen wir dazu in der durch die kommerzielle Funktion veränderten Objektivität, die das religiöse Zwangsverhältnis obsolet werden und entfallen sein lässt, den positiv guten Grund fürs ästhetische Verhalten ausfindig machen, müssen mit anderen Worten in dieser, ihrer traditionellen Reichtumsform entkleideten Objektivität eine von der Notwendigkeit, die das religiöse Zwangsverhältnis zur Welt erwirkt, verschiedene und dem ästhetischem Umgang mit der Welt eigene Notwendigkeit nachzuweisen bemüht sein.

Damit wird nun freilich deutlich, dass der Unterschied zwischen unserem systematischen Nachweis der Möglichkeit von Ästhetik und dem historischen Vorweis der ästhetischen Wirklichkeit mitnichten klein, alles andere als geringfügig ist und dass die Differenz vielmehr die Züge einer regelrechten Kontradiktion aufweist. Insofern nämlich unser systematischer Nachweis bloß negativ der entfallenen Notwendigkeit des religiösen Zwangsverhältnisses gilt, durch das ästhetisches Verhalten verhindert wird, impliziert er, dass sich ästhetisches Verhalten ohne Notwendigkeit, aus quasi freien Stücken, einstellt, sobald jene Notwendigkeit des religiösen Zwangsverhältnisses aus dem Weg geräumt ist. Nun aber müssen wir erkennen, dass auf diese Weise nur die Möglichkeit ästhetischen Verhaltens, nur dies, dass ihm nichts anderes mehr im Wege steht, zu erweisen ist und dass, damit es wirklich wird, als Faktum in Erscheinung tritt, eine neue, in der objektiven Situation, kraft deren die alte Notwendigkeit entfällt, gelegene und spezifisch auf es, das ästhetische Verhalten, gemünzte, ihm eigens zukommende Notwendigkeit gegeben sein muss.

Ohne diese neue, ihm zukommende Notwendigkeit mag ästhetisches Verhalten zwar möglich sein, aber gleichzeitig ist es – und hier liegt das unserem systematischen Nachweis innewohnende kontradiktorische Moment! – in dieser seiner bloßen Möglichkeit ad absurdum geführt und von der Wirklichkeit ausgeschlossen, weil eben ohne eigene Notwendigkeit, zu Deutsch, als solches unnötig. Wenn der systematische Nachweis sich darauf beschränkt, die Notwendigkeit für die als religiöses Zwangsverhältnis von der alltäglichen, profanen Beziehung zur Welt abweichende Verhaltensweise in die Entstehung traditionellen, als Überfluss, Fülle erscheinenden Reichtums zu setzen und zu zeigen, wie durch die kommerziell bedingte Eskamotierung des traditionellen Reichtums, durch die per Austausch effektuierte Überführung von Überfluss und Fülle in Überschuss und Streben nach Erfüllung, jene religiöse Notwendigkeit sich erledigt und entfällt, so ist damit ja eben nur der Nachweis geführt, dass von der alltäglichen, profanen Beziehung zur Welt nicht mehr abgewichen werden muss, dass fortan ein anderes Verhältnis nicht mehr nötig ist.

Zwar ist, da die Notwendigkeit für jenes als religiöses Zwangsverhältnis vom praktischen Normalverhalten abweichende Verhalten dank kommerziell veränderter Objektivität entfallen ist, das ästhetische Verhalten als ein auf andere Weise vom praktischen Normalverhalten abweichendes Verhalten nunmehr möglich; aber nötig ist es eben nicht und könnte nach Maßgabe unseres systematischen Nachweises ebenso gut unterbleiben, wenn es uns nicht als Wirklichkeit entgegenträte und uns als solche zwänge, unseren systematischen Nachweis wie zum einen als Nachweis der durch die kommerziell veränderte Objektivität entfallenen Notwendigkeit des als religiös definierten besonderen Umgangs mit der Welt, so zugleich aber auch und mehr noch als Nachweis einer mit der kommerziell veränderten Objektivität gegebenen neuen Notwendigkeit, der Notwendigkeit eines als ästhetisch apostrophierten, anderen besonderen Umgangs mit der Welt zu führen.

Wir sehen, wohin unsere bisherige Reflexion uns geführt hat: zu einer Hinterfragung und Problematisierung des uns anfangs als grund- und problemlose Gegebenheit des menschlichen Daseins vorkommenden ästhetischen Verhältnisses zur Welt. Ausgegangen sind wir von der Ästhetik als einer feiertäglich-theoretischen, intuitionistisch verhaltenen Beziehung zur Welt, die wir als unmittelbares Komplement zum alltäglich-praktischen, utilitaristisch orientierten Umgang mit der Welt betrachteten und die uns als dem Menschen ebenso natürlich, als ebenso sehr zur anthropologischen Grundausstattung gehörig erschien wie letzterer. Zu denken gab uns allerdings sogleich der Umstand, dass das Ästhetische entgegen der ihm unterstellten anthropologisch-selbstverständlichen Gegebenheit sich als ein historisch relativ eng begrenztes Phänomen darbietet und während weit überwiegender Teile der Menschheitsgeschichte höchstens und nur als, wie man will, verschwindendes Moment oder integrierender Faktor eines anderen, für religiös genommenen und zum alltäglich-praktischen Umgang mit der Welt weniger komplementären als vielmehr alternativen Weltverhältnisses konstatieren lässt.

Als nicht sowohl komplementär, sondern alternativ zum alltäglich-praktischen Umgang mit der Welt, als – mit anderen Worten – letzteren nicht sowohl permanent ergänzend, sondern jeweils ersetzend erweist sich dabei die religiöse Einstellung zur Welt in dem Sinne, dass sie sich als ebenso praktisch, ebenso nützlichkeitsorientiert präsentiert wie der profan-alltägliche Umgang mit der Welt, dass sie sich als für das menschliche Dasein ebenso grundlegend, als ebenso lebenserhaltend behauptet wie letzterer, nur, dass die das menschliche Dasein bedrohenden Gefahren und Nöte, die es abzuwehren beziehungsweise zu beheben beansprucht, andere sind als die Probleme und Anforderungen, die das profan-alltägliche Verhalten zu bewältigen dient. Dabei bestehen, wie dargelegt, die Gefahren und Nöte, deren Herr zu werden und aus denen herauszuhelfen Aufgabe des religiösen Verhältnisses zur Welt ist, im Wesentlichen in der Entwertung und Entwirklichung, mit der ein in der unverhofften Konsequenz menschlicher Reichtums- und Überflussproduktion vorfallender fundamentaler Subjektwechsel, ein ex improviso des produzierten Reichtums und Überflusses auftauchendes und die menschlichen Produzenten für ontologisch nichtig oder modallogisch revoziert erklärendes anderes Subjekt das menschliche Dasein in specie und die Erscheinungswelt in genere bedroht.

Dieses andere Subjekt muss die Religion der vernichtenden Indifferenz und absoluten Negativität, mit der es ex improviso des Reichtums erscheint, entreißen und in eine am menschlichen Dasein Anteil nehmende Macht, eine die Welt so, wie sie ist, affirmierende beziehungsweise sanktionierende Instanz umfunktionieren. Der Lohn des religiösen Verfahrens ist die Rettung der Welt des Menschen vor dem ontologischen Nichts, ihre Bewahrung vor dem chronologischen Verschwinden, sein Preis ist der oben als Subjektwechsel bezeichnete menschliche Identitätsverlust, die an den Menschen ergehende kategorische Forderung, sein natürliches Verhältnis zur Welt preiszugeben, das andere Subjekt als Schöpfer und Herrn der Welt anzuerkennen und eigenhändig beziehungsweise eigensinnig dafür zu sorgen, dass das andere Subjekt seinen Anspruch auf und seine Verfügung über die Welt, wenn schon nicht in toto aller ihrer Erscheinungen und Bewandtnisse, so jedenfalls doch in parte bestimmter Rituale und Objekte unter Beweis stellt.

Die durch das Auftauchen des anderen Subjekts ex improviso des materiellen Reichtums erzwungene religiöse Haltung zur Welt, die den Menschen im Sinne eines regelrechten Subjektwechsels oktroyierte Entfremdung von der Welt und aus solcher Entfremdung heraus und nach ihrer Maßgabe realisierte alternative, den profanen Umgang mit der Welt schlimmstenfalls mit der Unberechenbarkeit eines epiphanischen Einbruchs und bestenfalls mit der Regelmäßigkeit eines feiertäglichen Einschubs verdrängende sakrale Einstellung zur Welt – sie ist es, die die Menschen okkupiert und daran hindert, eine Haltung zur Welt einzunehmen, wie sie sich qua Ästhetik realisiert, eine Haltung, bei der zwar die Welt anders behandelt und mit anderen Augen betrachtet wird, als im alltäglich-praktischen Umgang mit ihr geschieht, bei der aber doch das handelnde und betrachtende Subjekt weiß und beansprucht, es selbst zu sein und zu bleiben und als dies sichselbstgleich bleibende Subjekt, höchstens und nur eine andere Herangehensweise an die Welt zu kultivieren und einen anderen Blickwinkel ihr gegenüber einzunehmen, sprich, höchstens und nur einen Perspektivenwechsel zu vollziehen.

Damit ein die Identität des Subjekts wahrendes und bloß die Perspektive änderndes Verhalten zur Welt wie das ästhetische möglich wird, muss jene als zwanghafte Reaktion auf die Entwertungs- und Entwirklichungsdrohung des anderen Subjekts ex improviso gesellschaftlichen Reichtums zur Geltung sich bringende religiöse Einstellung erst einmal gegenstandslos und entbehrlich werden. Und wie gezeigt, wird sie das wider Erwarten auch tatsächlich – durch die kommerziell bedingte Veränderung territorialen Reichtums, seine Verwandlung aus Überfluss in Überschuss, aus einem Topos aktueller Fülle in ein Vehikel potenzieller Erfüllung, die, indem sie ihm seinen evokativen Charakter, seine provokative Bedeutung als, wie man will, Steigbügelhalter oder epiphanische Plattform eines ontologisch anderen Subjekts verschlägt, auch und natürlich den dies andere Subjekt umzufunktionieren und in relative Kontinuität zu den Artgenossen zurückzuführen bestimmten religiösen Veranstaltungen ihre Notwendigkeit nimmt.

Nur dass diese, in der Überführung des territorialen in kommerziellen Reichtum bestehende Veränderung der gesellschaftlichen Lebensbasis ja erst einmal nicht den mindesten Anlass bietet, statt des religiösen Zwangsverhältnisses ein anderes, vom alltäglich-praktischen Umgang mit der Welt abweichendes Verhalten zu letzterer wie das ästhetische in Betracht zu ziehen und für das Gegebene anzusehen. Wenn der traditionelle, territoriale Reichtum der Grund für das vom profanen Umgang mit der Welt abweichende religiöse Zwangsverhältnis ist, warum sollte dann die Verdrängung des traditionellen, territorialen Reichtums durch den neuen, kommerziellen Reichtum und die darin implizierte Entkräftung und Erledigung des religiösen Zwangsverhältnisses den quasi automatischen Grund und positiven Anlass für eine andere, kaum minder markante Verhaltensabweichung, sprich, den Grund für ein wenn schon nicht das religiöse Zwangsverhältnis dynamisch-reell ersetzendes, so ihm doch immerhin systematisch-funktionell korrespondierendes und also wenn schon nicht als sakrale Alternative, so immerhin doch als phänomenales Komplement firmierendes, eben ästhetisches, Verhalten abgeben?

Gäbe es nicht die von der klassischen Antike bezeugte und deren handelsstädtischer Entwicklung, ihrem kommerziellen Aufschwung augenscheinlich parallel laufende Empirie einer sich zunehmend ihrer religiösen Einbindung entschlagenden, zunehmend zum alltäglichen Leben in seiner Alltäglichkeit gehörenden und es verschönernden, kurz, zunehmend frei von satisfaktionssüchtig-göttlichen Ansprüchen vielmehr gratifikationslustig-menschlichen Bedürfnissen dienenden Ästhetik, auf der Grundlage unserer systematischen Erklärung für das Verschwinden des religiösen Zwangsverhältnisses zur Welt verfielen wir gar nicht darauf, dieses Verschwinden als automatischen Auslöser oder Startschuss für das Auftauchen einer neuen, dem religiösen Zwangsverhältnis nachgebildeten, wenn auch, verglichen mit ihm, weniger stark in den profanen Umgang mit der Welt eingreifenden, weil zu letzterem eher kontemplativ-komplementären als aktiv-alternativen Einstellung zur Welt zu betrachten.

Es gibt aber diese ästhetische Empirie, und sie zwingt uns, ihr ebenso zu begegnen wie zuvor dem religiösen Zwangsverhältnis, sprich, ihren spezifischen Grund, ihre positiv-wirkende Ursache, ihre Notwendigkeit vorzuweisen, statt uns mit dem Nachweis ihrer generellen Voraussetzung, ihrer negativ-zureichenden Bedingung, ihrer Möglichkeit zu begnügen. Weit entfernt davon, die Ästhetik noch länger wie zu Anfang unserer Überlegungen als etwas Selbstverständliches, Naturgegebenes, als anthropologisches factum brutum, behandeln zu können, sehen wir uns durch unseren Exkurs in beziehungsweise Rekurs auf das religiöse Zwangsverhältnis, das ihr als solcher ebenso sehr vorausgeht wie im Wege steht und das erst beseitigt sein muss, damit sie zum Zuge kommen kann, jetzt vielmehr gezwungen, sie als etwas ebenso Problematisches und Begründungsbedürftiges, als etwas ebenso ,,Widernatürliches" und umständehalber Gegebenes, als etwas ebenso sehr auf seine historische Herleitung, seine Realisierung als fait accompli menschlicher Erfahrungsprozesse Angewiesenes wie das religiöse Zwangsverhältnis selbst zu verstehen.

Wir müssen also – dies das Ergebnis unseres Rekurses! – die Ästhetik nicht zwar empirisch-reell, wohl aber systematisch-funktionell als eine Art von Religion betrachten, will heißen, als eine vom normalen Umgang mit der Welt abweichende Einstellung zur Welt, die nicht minder als das ihr im Wege stehende beziehungsweise sie durch ihre vollständige Integration, ihren restlosen Einschluss ausschließende religiöse Weltverhältnis nach einer in Störungen des normalen Umgangs mit der Welt, sprich, in historisch bestimmten Krisen und Konflikten zu suchenden Erklärung verlangt.

Fußnoten

... dargelegt,1
Siehe Reichtum und Religion, Erstes Buch: Der Mythos vom Heros, Freiburg 1990.
... Opferkults.2
Dazu siehe Reichtum und Religion, Zweites Buch: Der religiöse Kult, Kap. 3, Freiburg 1991.
... dargetan!3
Siehe etwa Reichtum und Religion, Drittes Buch: Die Herrschaft des Wesens, 3. Band: Die Krise des Reichtums, Kap. 1, Freiburg 2005, oder Herrschaft, Wert, Markt – Zur Genese des kommerziellen Systems, Münster 2006