c. Die Konversion der hochbürgerlichen Geschichtswissenschaft zur Vergangenheit an und für sich: Historische Kritik als Abwehrverhalten

Soll die der restbeständig früheren Empirie vom geschichtswissenschaftlichen Professionalismus der entwickelten bürgerlichen Gegenwart augenscheinlich zugestandene kriterielle Vergleichsfunktion und maßgebende Bewahrheitungskompetenz überhaupt auf ein so zu nennendes fundamentum in re sich stützen können, so muss – bei Strafe einer andernfalls vielmehr paradoxalen Verrätselung und unauflöslichen Mystifikation des ganzen Verhältnisses – dieses Realfundament außerhalb und im förmlichen Jenseits der bis dahin vorherrschenden Grundprojektion und Zielbestimmung einer nach dem Muster der "philosophischen Geschichte" Kants organisierten, gegenwartsbezogen interessierten Historie gesucht werden. Will heißen, es muss in der Richtung und unter der Anleitung jenes epistemologisch-theoretischen Bedenkens gesucht werden, das der professionalisiert historiographischen Reflexion gleichzeitig mit ihrem Rekurs auf die frühere Empirie im Restbestand aufstößt und dessen Inhalt und Anliegen sich der Verbindlichkeit der Kantischen Zielprojektion in der Tat ganz entschieden entzieht. Einzig und nur als Repräsentant und Reflexivum der Vergangenheit, die als im Anundfürsichsein ihrer genuinen Bestrebungen und ureigenen Regungen original vorausgesetzte jenes epistemologisch-theoretische Bedenken gegenüber der im relativistischen Zueignungsautomatismus gegenwartsbezogen interessierten Geschichte hervorruft und erregt, kann die frühere Empirie im Restbestand eben die existentiell-kritische Funktion beanspruchen, die der geschichtswissenschaftliche Professionalismus ihr plötzlich zuschreibt und die ihr ansonsten nicht allein charakterologisch-evident abgeht, sondern förmlich-eklatant widerspricht. Nur weil und insofern das durch solch restbeständig frühere Empirie repräsentierte und reflektierte Imperfekt nichts Geringeres als eine planerdings ebenbildliche Reproduktion dieser vorausgesetzt originalen Vergangenheit zu sein und vorzustellen, die in aller Form gegründete Hoffnung erweckt, kann es eben die essentiell-paradigmatische Bedeutung reklamieren, die so völlig seinem andernfalls offenkundigen Charakter beispielloser Unerheblichkeit und grenzenloser Albernheit widerstreitet und auf Grundlage deren oder mit Rücksicht auf die nun allerdings die der restbeständig früheren Empirie vom geschichtswissenschaftlichen Professionalismus zugewiesene maßgebende Rolle und kriterielle Aufgabe überhaupt erst Legitimität gewinnt und einen Sinn ergibt. Einen Sinn indes, dem der – die Kantisch herkömmliche Orientierung wie ein kompletter Widersinn anmutende – konstitutionelle Hintersinn aus den Augen schaut und der, um als solcher goutiert und überhaupt akzeptiert werden zu können, deshalb auch nicht weniger als eine durchgängige und ins Zentrum des bis dahin à la Kant zugrunde gelegten Konsenses treffende Neubesinnung erfordert.

In der Tat liegt – wenn irgend die so konstatierte Verknüpfung hier der von der professionell reflexiven Geschichtswissenschaft zitierten restbeständig früheren Empirie mit dort einer durch die professionell geschichtswissenschaftliche Reflexion vorausgesetzten an und für sich seienden Vergangenheit in origine, wiewohl schon nicht unbedingt die Geltung logisch unentrinnbarer Notwendigkeit, so immerhin doch die Plausibilität faktisch alternativloser Zwangsläufigkeit in Anspruch nehmen kann – die durchgreifend veränderte Bestimmung und umwerfend neue Bewertung, die das für den geschichtswissenschaftlichen Professionalismus charakteristische Verhalten einer Anerkennung dieser restbeständig früheren Empirie in der Rolle eines mit kriterieller Vergleichsvollmacht ausgestatteten und mit maßgebender Bewahrheitungsprokura versehenen, praktisch-empiriologischen Vorbehalts gleichermaßen in der Einschätzung seiner besonderen Zwecksetzung und in der Beurteilung seines allgemeinen Beweggrunds kraft solcher Verknüpfung erfährt, klar genug am Tage. Was zuvörderst den besonderen Zweck des in kritisch-verifikatorischer Absicht vorbehaltlichen Verhaltens der professionellen Geschichtswissenschaft angeht: Welchen anderen Zweck soll, rebus sic stantibus, dieses Verhalten wohl haben, wenn nicht den, das der geschichtswissenschaftlichen Reflexion in bezeichnender Simultaneität mit dem Verhalten selbst okkurierende und eben jene vorausgesetzt originale Vergangenheit betreffende epistemologisch-theoretische Bedenken als einen den Prozess der Herstellung des historischen Perfekts interessierter Geschichte grundsätzlich und in toto berührenden und tatsächlich ebenso aktuell in Frage stellenden wie potentiell vernichtenden Einwand zur Geltung zu bringen und in die Länge und Breite seiner konsequenterweise zu fordernden, detailliert pünktlichen Widerlegung und schlüssig prompten Erledigung praktisch werden zu lassen. So sicher die frühere Empirie im Restbestand Anspruch darauf machen kann, jener vorausgesetzt originalen Vergangenheit in der Eigenschaft eines selbstlosen Reflexivums und getreulichen Repräsentanten zu Diensten zu sein und eine – wie sehr auch in corpore aufgelöste und fragmentierte – empirische Präsenz zu verleihen, so sicher ist die für das Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft konstitutive Einführung und Anerkennung dieser restbeständig früheren Empirie in der Schlüsselrolle eines die interessierte Geschichte der entwickelten bürgerlichen Gegenwart kategorisch-kritisch heimsuchenden empiriologisch-praktischen Vorbehalts nicht sowohl symptomatischer Ausdruck, sondern geradezu unverhohlene Anzeige dessen, dass das der geschichtswissenschaftlich professionalisierten Reflexion im Namen eben jener vorausgesetzt originalen Vergangenheit gegenüber solch gegenwartsbezogen interessierter Geschichte aufgestoßene, epistemologisch-theoretische Bedenken in Wirklichkeit alles andere als ein bloßes, mit dem Status eines ephemeren Einfalls und einer unverbindlichen Assoziation sich bescheidendes Bedenken ist und vielmehr mit der systematischen Aggressivität und allen praktischen Folgen eines seine angemessne Berücksichtigung und ordnungsgemäße Beseitigung zur conditio sine qua non und Gretchenfrage überhaupt der ganzen, im empirischen Zueignungsautomatismus relativistischen, Historiographie erklärenden schwergewichtigen Einwands hervortritt. Mit diesem ihrem, sich als empiriologisch-praktischer Vorbehalt artikulierenden Verhalten also macht die professionelle Geschichtswissenschaft der entwickelten bürgerlichen Gegenwart das ihrer Reflexion wie von ungefähr untergekommene epistemologisch-theoretische Bedenken gegen eine im Punkte ihrer gegenwartsbezogenen Interessiertheit mittlerweile relativistisch versierte Geschichtsschreibung sich als existentiell-gravierenden Einwand kompromisslos und unwiderruflich zu eigen – dergestalt nämlich und mit der Konsequenz, dass sie das so des scheinproduktiven Verrats an jener vorausgesetzt originalen Vergangenheit dringend verdächtige historische Perfekt gegenwartsbezogen interessierter Geschichte im Kriterium der als Repräsentant und Reflexivum eben jener originalen Vergangenheit figurierenden restbeständig früheren Empirie, die den Vorbehalt konstituiert und verkörpert, einer drakonisch identifizierenden Überprüfung, um nicht zu sagen: zyklopisch reduzierenden Maßnahme, unterwirft und dass nur unter der Bedingung des durch solch nachträgliche Überprüfung und retrospektive Maßnahme geführten Nachweises wenn schon nicht einer aktuellen Übereinstimmung, so jedenfalls doch der potentiellen Kompatibilität dieses historischen Perfekts mit jener originalen Vergangenheit sie überhaupt noch bereit ist, ersteres als ein vertretbares Resultat in Betracht zu ziehen oder gar als ein wunschgemäßes Ergebnis sich gefallen zu lassen.

Demnach besteht der besondere Zweck des mittels der früheren Empirie im Restbestand vorbehaltlichen Verhaltens der professionellen Geschichtswissenschaft augenscheinlich darin, das der historiographischen Reflexion aufgestoßene epistemologisch-theoretische Bedenken gegenüber dem historischen Perfekt der der entwickelten bürgerlichen Gegenwart sich im Zueignungsautomatismus ergebenden interessierten Geschichte als einen in praxi verpflichtenden Einwand virulent werden zu lassen und also die Anerkennung und den Genuss dieses bedenkenerregenden historischen Perfekts von der in die Länge und Breite einer empiriologisch-praktischen Grundrevision detaillierten, vorgängigen Ausräumung und Erledigung des erregten Bedenkens abhängig zu machen. Damit ist nun aber auch zweitens der die notwendige Grundlage solcher Zwecksetzung bildende allgemeine Beweggrund des Verhaltens nur zu offenkundig. Wie anders nämlich soll es zu dem solcherart zweckbestimmten Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft kommen, wenn nicht auf Grund und sub conditione einer die letztere nicht etwa bloß anfechtenden, sondern halsüberkopf engagierenden Parteinahme für und Anziehung durch eben jene vorausgesetzt originale Vergangenheit, auf die als auf sein in schöner Echtheit innerstes Anliegen das der historiographischen Reflexion aufgestoßene epistemologisch-theoretische Bedenken gegenüber dem historischen Perfekt einer relativistisch automatisierten Historiographie sich bezieht und deren Verteidigung und Erhaltung dementsprechend denn auch den zentralen Inhalt und das wesentliche Objekt des dies epistemologische Bedenken als existentiellen Einwand realisierenden und praktizierenden, empiriologischen Vorbehalts ausmacht. Was sonst also soll den allgemeinen Beweggrund für das dergestalt vorbehaltliche Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft bilden, wenn nicht eine durch die letztere vollzogene, anteilnehmende Zuwendung zu und hingebungsvolle Identifizierung mit jener, dem Vorbehalt als sein kriterieller Angel- und maßgebender Referenzpunkt eingeschriebenen, an und für sich seienden Vergangenheit in origine, mithin aber – womit wir denn endlich so weit wären, das auf der Hand lange genug Liegende als manifest tatsächlich auch wahrzunehmen! – eine Bewegung und Taxis, durch die sich die professionelle Geschichtswissenschaft als denkbar weit entfernt von der ihr von Seiten der entwickelten bürgerlichen Gegenwart an sich ja zugedachten Gangart und Verfahrensweise einer im empirischen Zueignungsautomatismus relativistisch versierten Geschichtsschreibung zu erkennen gibt und die wahrhaftig einem prinzipiellen Gesinnungswandel und fundamentalen Positionswechsel der ersteren in Ansehung der ihr von letzterer übertragenen historiographischen Aufgabe und zugewiesenen geschichtsphilosophischen Stellung gleichkommt.

Tatsächlich ist dies denn das ebenso umwerfende wie entscheidende Ergebnis der bisherigen, das auf den ersten Blick paradoxe und widersinnige Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft angehenden, umständlichen Recherchen: dass in exakt dem Maß, wie einerseits Anlass besteht, die im Rahmen und vielmehr Kernpunkt solchen Verhaltens zitierte frühere Empirie im Restbestand als Reflexivum und Repräsentanten einer von der historiographischen Reflexion in epistemologisch-theoretischer Bedenklichkeit plötzlich vorausgesetzten, an und für sich seienden originalen Vergangenheit ernst zu nehmen und in aller Form zu akzeptieren, nun aber natürlich auch andererseits Grund vorhanden ist, das diese restbeständig frühere Empirie ins Zentrum all seiner Aktivitäten stellende und zum schlechterdings kruzifikatorischen Moment erklärende Verhalten selbst als Konsequenz einer disjunktiv entschlossenen Abkehr der historiographischen Reflexion von den Belangen ihres in corpore der entwickelten bürgerlichen Gegenwart persönlich anwesenden Auftraggebers und als Ausdruck ihrer kraft unendlichen Urteils vollzogenen Umorientierung stattdessen auf das als höchstprivatim eigenes Anliegen ausgemachte neue Objekt und andere Ziel eben jener vorausgesetzt originalen Vergangenheit zu realisieren und nach allen Regeln gelten zu lassen. So gewiss das vorbehaltliche Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft sich als ein Procedere zu verstehen gibt, das im Haupt- und Grundartikel des als generaliter salvatorische Klausel durch es vorgetragenen, empiriologisch-praktischen Vorbehalts nichts als eine autorisierte Vertretung und kompetente Verteidigung jener, vom epistemologisch-theoretischen Bedenken der historiographischen Reflexion ins Spiel gebrachten, vorausgesetzt originalen Vergangenheit im Schilde führt, so gewiss firmiert es nun aber auch als die Folgeerscheinung eines – Objekt und Einstellung gleichermaßen betreffenden – ebenso grundlegenden wie grundsätzlichen Wandels, dem die historiographische Reflexion sich in allem Anschein nach eigener Regie und offenbar eigenverantwortlich unterzieht und durch den sie, wenn schon nicht gleich in Widerspruch und disputativen Konflikt, so jedenfalls doch in Gegensatz und differentiellen Abstand zu ihrem qua entwickelte bürgerliche Gegenwart präsenten Auftraggeber und dessen – ihr selbst ja formell übertragener – historiographischer Aufgabenstellung und – ihr an sich nämlich vorgeschriebener – relativistischer Zielsetzung gerät.

Fürwahr ein umwerfendes, ein den Rahmen sprengendes Resultat! Den Rahmen sprengend deshalb, weil ihm zufolge nun also das mit dem vorbehaltlichen Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft augenscheinlich gestellte paradoxe Rätsel und offensichtlich verknüpfte abgründige Mysterium ebenso augenscheinlich nur um den Preis seiner unmittelbaren Konvertierung in heterodoxen Verrat und umstandslosen Enthüllung als eklatanter Skandal sich überhaupt hat auflösen und zur Offenlegung seiner selbst hat bereden lassen. Recht besehen nämlich hat, diesem Resultat folgend, das vorbehaltliche Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft die ihm pro materia eben der restbeständig früheren Empirie, in deren Zitierung es selbst ja wesentlich und zum Großteil aufgeht, vorgehaltene mysteriöse Maske einer auf den ersten Blick krassen Fehlleistung und scheinbar beispiellosen Sinnwidrigkeit nur abgestreift, um sie durch die verräterische Physiognomie eines, seiner ganzen Erscheinung nach, typischen Symptoms zu ersetzen und mithin in den – pro forma noch einmal nur jener früheren Empirie im Restbestand ausgemachten – skandalösen Charakter eines schieren Ausdrucks von paradigmatischem Gegensinn zu überführen. Oder es hat also, diesem Resultat gemäß, die in und auf der restbeständig früheren Empirie als ihrem Kernpunkt und Tabernakel bestehende reservatio realis der professionellen Geschichtswissenschaft gegen das der entwickelten bürgerlichen Gegenwart sich im Zueignungsautomatismus ergebende historische Perfekt interessierter Geschichte nur in dem Maß vom Verdacht einer ebenso hirn- wie sinnlosen Attitüde sich reinwaschen und das Gepräge einer ebenso rationellen wie reellen Haltung gewinnen können, wie sie bereit und imstande gewesen ist, sich als die praktische Ausführungsbestimmung und erscheinende Konsequenz einer Mentalreservation plausibel zu machen, der nichts Geringeres als eine komplette Desertion der zur Wissenschaft sich professionalisierenden geschichtsphilosophischen Reflexion aus dem von der entwickelten bürgerlichen Gegenwart ihr aufgebürdeten historiographischen Vertrags- und Arbeitsverhältnis zugrunde liegt und die nämlich nichts sonst als eben dies Skandalöse voraussetzt, dass das Herz und Gemüte der als professionelle Geschichtswissenschaft etablierten historiographischen Reflexion mittlerweile einer überhaupt anderen Vergangenheit als dem ihr von ihrem Auftrag- und Brotgeber vorgeschriebenen und abverlangten historischen Perfekt gehört. Wenn demnach die entwickelte bürgerliche Gegenwart sich ebenso unabweislich wie unverhofft mit jenem, an der früheren Empirie im Restbestand festgemachten, empiriologisch-praktischen Vorbehalt gegenüber dem historischen Perfekt der ihr im relativistischen Zueignungsautomatismus sich ergebenden interessierten Geschichte konfrontiert findet, so weder – wie längst schon klar ist – aus dem relativ guten und einfachen Grunde projektimmanenter und im Rahmen der bezweckten Historie definitiv sich haltender einzelner Skrupel und mehr oder minder technischer Schwierigkeiten, noch auch – wie nunmehr gleichfalls deutlich ist – aus dem verhältnislos mysteriösen Ungrund einer als kritisches Geschäft fehlleistungshaft absurden und nämlich gleichermaßen in der Wahl der Mittel und in der Zielprojektion hoffnungslos irregehenden, freiwilligen Selbstkontrolle, sondern – wie das recherchierte Ergebnis evident werden lässt – einzig und allein deshalb, weil das mit arbeitsteilig besonderer Prokura ausgestattete und installierte eigen Fleisch und Blut der entwickelten bürgerlichen Gegenwart, die mit der Verwaltung und Verbreitung eben jener gegenwartsbezogen interessierten Geschichte nämlich betraute professionelle Geschichtswissenschaft, in grober Missachtung ihres angestammten Amts und natürlichen Auftrags plötzlich die Couleur gewechselt, Fahnenflucht begangen und in allumfassend emphatischer Konversion einem mit den Plänen und Zwecken ihres Vorgesetzten und Patrons schlechterdings unverträglichen oder jedenfalls unvereinbaren neuen Ziel- und Fluchtpunkt – dem Punkte einer mittels epistemologisch-theoretischen Bedenkens von ihr aus eigenen Stücken und in persönlicher Reflexion vorausgesetzten, an und für sich seiend originalen Vergangenheit – sich zugewandt und verschrieben hat. Und wenn also die entwickelte bürgerliche Gegenwart sich kraft und aufgrund jenes empiriologisch-praktischen Vorbehalts ad calendas graecas seiner schließlichen Erledigung um den historiographisch verdienten Lohn für ihre mehrhundertjährig realgeschichtliche Arbeit geprellt und bis auf unabsehbar Weiteres nämlich um den relativistisch angezeigten Genuss des im empirischen Zueignungsautomatismus als wahres Füllhorn konstitutionsgeschichtlicher Identität ihr nunmehr sich antragenden historischen Perfekts betrogen sieht, so nur und ausschließlich deshalb, weil ihr bestallter Beschließer und Schenk, die zur Aufbewahrung und Austeilung des Genussmittels berufene professionelle Geschichtswissenschaft, unvermutet an dieser der Gegenwart ebenso angenehmen wie bekömmlichen Speise kein Gefallen mehr findet und auf den Geschmack eines in der Gestalt jener vorausgesetzt originalen Vergangenheit neuen und für die fröhlichen Urständ oder Regalien, auf die die Gegenwart aus ist, ganz und gar nicht geeigneten, alternativen Gerichts gekommen ist.

Dass der solcherart ausgemachten symptomatischen Bedeutung oder dem dergestalt resultierenden respektiven Ausdruckswert des um die frühere Empirie im Restbestand zentrierten Verhaltens nun aber auch seine systematische Funktion oder sein prospektiver Stellenwert entspricht, liegt auf der Hand und bereitet geringe Mühe einzusehen. Und kaum schwerer als das existentielle Dass des abstrakten Faktums hält in der Tat, das essentielle Was der inhaltlichen Bestimmtheit dieser Entsprechung sich vor Augen zu führen und klarzumachen. Für sich genommen und seiner symptomatischen Bedeutung nach betrachtet, bringt das in corpore der restbeständig früheren Empirie vorbehaltliche Verhalten einen Konversionsakt zum Ausdruck, kraft dessen sich die professionelle Geschichtswissenschaft von dem ihr durch die entwickelte bürgerliche Gegenwart zugemuteten Dienstleistungsvertrag und allen daran geknüpften Verpflichtungen pauschaliter dispensiert und zu der autonomen Verfassung eines jenseits ihrer bisherigen Dienstbarkeit ebenso eigeninitiativ wie eigenverantwortlich wahrgenommenen anderen Anliegens oder neuen Offiziums kurzentschlossen emanzipiert. Kann es dann aber, im Zusammenhang aufgefasst und seiner systematischen Funktion nach beurteilt, überhaupt etwas anderes darstellen als eine Reaktionsbildung, mittels deren die professionelle Geschichtswissenschaft sich gegen all die Verbindlichkeiten zur Wehr setzt und zu verwahren bestrebt ist, die ihr aus jenem – einseitig von ihr aufgekündigten und vielmehr ex improviso gebrochenen – Dienstleistungsvertrag nach wie vor unaufhörlich erwachsen und mit denen sie nämlich ihr aus blinder Gewohnheit nicht weniger als aus blankem Eigennutz auf der Erfüllung des Vertrags insistierender Kontrahent und Auftraggeber immer erneut und unentwegt konfrontiert? Was so lange, wie die unmittelbare und natürliche Voraussetzung einer, Motivation und Zielsetzung gleichermaßen betreffenden, grundsätzlichen Solidarität zwischen den beiden Vertragsparteien der entwickelten bürgerlichen Gegenwart einerseits und der professionellen Geschichtswissenschaft andererseits Geltung behält und in Kraft bleibt, noch als ein in Ansehung des historischen Perfekts gegenwartsbezogen interessierter Geschichte zwar eminent kritischer, aber doch wesentlich einverständiger, hyperempiristischer Prüfungs- und Beglaubigungsgestus sich suggerieren mag, das muss nun, da es selber ja im Kriterium des ihm immanenten Widerspruchs und der ihm eigenen Paradoxie die Bedeutung einer leibhaftigen Revokation jener vorausgesetzten Solidarität angenommen hat und zum symptomatischen Ausdruck eines im Gegenteil zwischen den beiden Vertragspartnern auf Grund des radikalen Gesinnungswandels und Positionswechsels der professionellen Geschichtswissenschaft eingetretenen, gnostisch irreparablen Zerwürfnisses geworden ist, ganz unvermeidlich auch einen fundamental veränderten systematischen Stellenwert in Anbetracht dieses – seiner kritischen Stellungsnahme ausgesetzten und seinem kategorischen Urteil unterworfenen – historischen Perfekts gegenwartsbezogen interessierter Geschichte aufweisen und in der Funktion nämlich eines gegenüber diesem historischen Perfekt gnaden- und kompromisslosen Abwehrverhaltens hervortreten und erkennbar werden.

Stets noch und unablässig konfrontiert mit einer Geschichte, von der als der ihrem Arbeitgeber sich im empirischen Zueignungsautomatismus ergebenden und seinem als corpus civile präsenten Erfahrungszusammenhang wie von selber entsprechenden sie, die in überraschender Wendung von der Vorstellung einer stattdessen als Anundfürsichsein originalen Vergangenheit heimgesuchte und vollständig eingenommene Angestellte, mittlerweile partout nichts mehr wissen will, legt demnach die solcherart emanzipierte und ihrem vertraglichen Auftrag entfremdete professionelle Geschichtswissenschaft ihr vorbehaltliches Verhalten wesentlich und primär mit der funktionellen Bestimmung und in dem effektiven Verstand eines wider den Ungeist und blinden Eifer jener provokativen Konfrontation ins Treffen geführten förmlichen Apotropäons und äußersten Schutzmittels an den Tag. Einem vertraglichen Anspruch gegenüber, der in actu des in automatischer Serialität erzeugten historischen Perfekts gegenwartsbezogen interessierter Geschichte ihr ununterbrochen und auf Schritt und Tritt noch begegnet und den aus der Perspektive ihres pro memoria einer vorausgesetzt originalen Vergangenheit mittlerweile vollzogenen, vertragsbrüchig prinzipiellen Positionswechsels und unverträglich radikalen Gesinnungswandels sie in der Tat nur als plane Herausforderung und vielmehr glatte Zumutung aufzufassen vermag, dient der professionellen Geschichtswissenschaft dieses ihr vorbehaltliches Verhalten – wenn schon nicht einzig und bloß, so jedenfalls in der Hauptsache und vor allem – zur Exposition und beschwörenden Ostentation dessen, was in Gestalt der den harten Kern des Vorbehalts bildenden, restbeständig früheren Empirie sich in aller Form als Repräsentant und als Reflexivum ihres qua originale Vergangenheit neuen Orientierungs- und Zielpunkts zur Geltung bringt und was ex cathedra seiner solcherart reflexiven Beschaffenheit und repräsentativen Funktion wie nichts sonst tauglich erscheint, nach Art eines dem Versucher oder Belästiger entgegengestreckten heiligen Kreuzes und bannenden Amuletts jenem Anstoß erregenden vertraglichen Anspruch den erforderlichen Widerpart zu bieten und entweder bloß die aus eigennützig historiographischer Scheinerzeugung bestehende lästerliche Sprache zu verschlagen oder auch mehr noch den unreinen Geist des historiographischen Schein erzeugenden Eigennutzes selbst auszutreiben.

Dabei kann der oberflächliche Anschein und formelle Charakter eines am Ende sei's auf Läuterung, sei's auf Rechtfertigung des Anstößigen abgestellten Vergleichs- und Prüfungsverfahrens, den das vorbehaltliche Verhalten im Zuge dieser seiner reaktionsbildnerischen Aktivitäten ebenso zwangsläufig wie unwillkürlich annimmt und durch den es der professionellen Geschichtswissenschaft schließlich sogar noch die trugbildnerische Fasson einer nach Maßgabe ihrer vermeintlich unverändert vertragskonformen Interessenlage am Anstößigen nichts als kritisch-korrektiven Anteil nehmenden Fürsorglichkeit zu verleihen tendiert, nunmehr über die grundlegende Prädominanz und absolute Priorität, die in der Konstitution und Ausübung des Verhaltens jene aller wirklichen Vergleichsabsicht spottende abstrakte Abwehrfunktion und allem ehrlichen Prüfungsbemühen hohnlachende präventive Präservationsleistung hat, ganz und gar nicht mehr hinwegtäuschen. Mag auch das vorbehaltliche Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft sich unmittelbar und anfänglich noch so sehr im schönen Schein einer rücksichtlich des historischen Perfekts interessierter Geschichte restitutiv gesinnten Vergleichsform und rehabilitativ gedachten Prüfungsfigur hervortun und mithin als ein ebenso sehr von engagiertem Bemühen wie von kritischer Reserve zeugender modus in rebus jener Anstoß erregenden Frucht vom Baum einer relativistisch versierten Historie in Szene setzen! In eben dem Maße, wie es – der inneren Logik seines andernfalls paradoxen Daseins entsprechend – als der symptomatische Ausdruck eines in epistemologisch-theoretischer Bedenklichkeit seinen Anfang nehmenden radikalen Gesinnungswandels und fundamentalen Positionswechsels der professionellen Geschichtswissenschaft erkennbar wird, muss nolens volens nun die unschwer als Reaktionsbildung gegenüber Ansprüchen und Verbindlichkeiten, die von der aufgegebenen früheren Position und Einstellung her sich geltend machen und legitimieren, begreifliche Haltung einer ebenso unbedingten wie konditionierten Abwehrbereitschaft sich als sein hervorstechendes und entscheidendes Charakteristikum erweisen und muss vor dem factum brutum dieser seiner systematisch vorherrschenden apotropäischen Funktion teils die als vermeintliches Unterpfand einer – hinter aller Reserve – teilnahmsvollen Geneigtheit und – unbeschadet aller Kritik – beständigen Anhänglichkeit ihm anhaftende relationale Vergleichsform zur nichtssagend indifferenten Verhältnisbestimmung oder konfrontativ abstrakten Formalie sich verflüchtigen, teils überhaupt das Scheinbare des ihm eigenen Anscheins eines auf Rechtfertigung bedachten Reinigungs- und um Rehabilitation bemühten Korrekturverfahrens mit aller Schonungslosigkeit zutage treten.

Wie wenig tatsächlich das vorbehaltliche Verhalten der professionellen Geschichtswissenschaft mit einem – den Stein des Anstoßes, eben jenes provokativ historische Perfekt gegenwartsbezogen interessierter Geschichte, angehenden – ernsthaften Läuterungs- und Besserungsunternehmen gemein hat und wie weit es materialiter davon entfernt ist, mehr und anderes als einen reaktionsbildnerisch eingefleischten Abwehr- und Verwahrungsgestus darzustellen, kann den durch die Einsicht in seine zutiefst symptomatische Bedeutung geschärften Blick nicht bloß der Umstand lehren, dass das, was im Rahmen seiner vermeintlichen Vergleichsform und sub conditione seines vorgeblichen Prüfungsvorsatzes dem Anstoß erregenden historischen Perfekt abverlangt wird, ja offenbar nichts Geringeres ist als eine im Mittel der für den Vorbehalt zentralen früheren Empirie im Restbestand zu erwirkende und zu besiegelnde, selbstvergessen bedingungslose Kapitulation vor und selbstopferfreudig restlose Identifizierung mit jener, von der professionellen Geschichtswissenschaft in der autonomen Bestimmtheit eines Anundfürsichseins vorausgesetzten und als ein absoluter Maßstab eingeführten originalen Vergangenheit. Es muss die alle angebliche Vergleichsbemühung Lügen strafende, ebenso grenzenlos indifferente wie pauschal repulsive Disposition des Verhaltens dem scharfsichtig gewordenen Blick mehr noch und vollends durch die Art und Weise deutlich werden, wie die professionelle Geschichtswissenschaft diese, pro forma des verhaltenskonstitutiven empiriologisch-praktischen Vorbehalts jenem historischen Perfekt gebotene Chance zur juridisch-moralischen Rehabilitation durch persönlich-faktische Kapitulation pro materia der empirisch garantierten Unerschöpflichkeit des Vorbehalts und der insofern in praxi feststellbaren und geltend zu machenden Unabschließbarkeit des Kapitulationsakts selber nun hintertreibt und aus eigener Kraft ad absurdum führt und wie sie also zu dem de jure unerträglichen Schimpf der in absoluter Negativität dem historischen Perfekt als förmliches Autodafé abgeforderten Unterwerfung noch die de facto unauslöschliche Schande der mit vollkommener Kaltblütigkeit dem historischen Perfekt permanent bewiesenen Missachtung und Verwerfung dieses seines Selbstopfers hinzufügt.